Zentralrat der Muslime: “Der Anschlag von Halle hat auch uns getroffen”
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Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Berlin. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, sagt, für Täter wie den Halle-Amokläufer Stephan B. macht es keinen Unterschied, ob sie Juden oder Muslime treffen. Solche Täter seien in ihrem Hass nur auf maximale Wirkung und Schaden aus. Er sagt, da Muslime wie Juden einer Minderheit angehörten, werde jeder rassistische Übergriff und die Reaktionen darauf seitens der Politik und des Staats deshalb sehr aufmerksam beobachtet.
Herr Mazyek, was erwarten Sie als Vertreter der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland vom Prozess gegen den Synagogen-Angreifer in Halle?
Ich erwarte im Halle-Prozess ein hartes und wegweisendes Urteil. Es sollte deutlich machen, dass Rassismus keine Meinung ist – sondern im schlimmsten Fall tötet. Ich wünsche mir dies auch als ein Signal an die Minderheiten und vielfältigen, friedlichen Gruppen in Deutschland. Sie sollen sich in der Demokratie in Deutschland gut aufgehoben und sicher vor solchen Terrorakten fühlen.
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© Quelle: Reuters
Wie haben Sie den Angriff in Halle empfunden?
Der Angriff auf die Synagoge war ein antisemitischer Anschlag. Gleichsam sind wir alle als Muslime getroffen. Vor diesem Attentat hatte es bereits drei Angriffe auf die Moschee in Halle mit Verletzten gegeben. Nicht zuletzt deswegen waren wir vor Ort äußerst sensibilisiert und alarmiert. Aber für solche Täter macht es keinen Unterschied, ob sie Juden oder Muslime treffen. Solche Täter sind in ihrem Hass nur auf maximale Wirkung und Schaden aus.
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© Quelle: dpa
Der Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Halle stellt sich die Frage, wie jemand aus politischer Überzeugung zu einem Mörder werden kann. Haben Sie eine Antwort?
Ich glaube, es ist lange in Deutschland darüber hinweggeschaut worden, dass hinter solchen Taten tatsächlich politische Strategien stecken. Ich erinnere nur an die Bluttaten und Terrorangriffe von Christchurch, an das Massaker von Anders Breivik in Norwegen, an Synagogen-Anschläge in den USA, die Morde in Hanau. Meist hinterlassen diese Rechtsterroristen Pamphlete oder Manifeste, auf die sich Nachahmer wiederum berufen. Vielleicht ist das eine Antwort auf die Frage des Vorstehers in Halle: Der Rechtsextremismus mit seiner menschenverachtenden Ideologie wirkt längst international und durchdringend.
Immer mehr Juden in Deutschland geben an, sich wegen des wachsenden Antisemitismus unsicherer zu fühlen. Wie ist das Stimmungsbild bei den Muslimen?
Leider ist die Stimmung schlecht. Zunächst einmal: Die Muslime in Deutschland sind ebenso wie die meisten Bürger verunsichert durch jegliche Anschläge auf Moscheen, Synagogen oder andere Terrorakte. Dazu kommt jedoch, dass wir – wie die Juden – einer Minderheit angehören. Jeder rassistische Übergriff und die Reaktionen darauf seitens der Politik und des Staates werden deshalb sehr aufmerksam beobachtet.
Fühlen sich die Muslime in Deutschland ausreichend von den Sicherheitsbehörden geschützt?
Die Muslime fühlen sich nicht ausreichend von den deutschen Sicherheitsbehörden geschützt. Nach Halle und nach Hanau haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass der Schutz von Moscheen und muslimischen Institutionen erhöht werden muss. Da hat sich inzwischen in einigen Bundesländern einiges getan, die Moschee in Halle etwa wird nun als einzige in Deutschland sieben Tage rund um die Uhr bewacht. Jedoch passieren weiter fast wöchentlich Angriffe auf Moscheen, wo beispielsweise Schweineköpfe abgelegt, die mit Hakenkreuzen beschmiert oder wo Fenster und Türen eingeschlagen werden.
Fordern Sie eine Bewachung rund um die Uhr für alle Moscheen?
Ein flächendeckender Schutz von Moscheen jeden Tag 24 Stunden lang ist unrealistisch. Hier sind kluge Analysen und Konzepte gefragt. Manchmal reicht ein besonderer Schutz an Feiertagen oder an Freitagen zum Freitagsgebet.
Die Polizei in Halle hat am Tag des Anschlags nicht einmal gewusst, dass die Juden ihren höchsten Feiertag – Jom Kippur – feierten, und ließen die Synagoge ungeschützt.
Mir ist das unerklärlich. Es war ein großes Versagen der Behörden. Bei einem meiner Besuche in der jüdischen Gemeinde in Halle sprach der Rabbiner zu Recht davon, dass es in Gottes Händen lag, dass die robuste Holztür die Synagoge geschützt hat.