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Wolfgang Schäuble sitzt seit 50 Jahren im Bundestag: ein Leben für die Politik

Wolfgang Schäuble

Seit 50 Jahren im Deutschen Bundestag: Wolfgang Schäuble.

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kürzlich sah man Wolfgang Schäuble mal wieder in der Lobby des Bundestages. Das war bei einer der namentlichen Abstimmungen, zu denen die Abgeordneten mit einem lauten Klingeln gerufen werden, das sowohl im Reichstagsgebäude als auch in den anliegenden Gebäuden zu hören ist, wo sich die Büros der Parlamentarier befinden. Der 80-Jährige fuhr mit seinem Rollstuhl auf das große Regal mit den Stimmkarten zu, warf seine Karte in eine der ovalen Urnen und fuhr dann wieder zurück.

Ansonsten ist der Christdemokrat deutlich weniger sichtbar als in den Jahrzehnten zuvor. Parlamentspräsident ist er nicht mehr. Und bei der nächsten regulären Bundestagswahl 2025 wird er nicht mehr antreten. Dafür hält Schäuble einen einsamen Rekord: Fast auf die Minute genau 50 Jahre vor Erscheinen dieses Newsletters nahm er erstmals an einer Sitzung des Bundestages teil. Diesen Rekord dürfte sobald keiner einstellen.

Als der damalige Regierungsrat in der Steuerverwaltung Baden-Württembergs 1972 ins Hohe Haus einzog, saß dort neben anderen noch der Altkanzler Ludwig Erhard, der 1897 geboren wurde und ebenfalls der CDU angehörte. Der strebsame Schäuble machte schnell Furore. 1982 wurde er Parlamentarischer Geschäftsführer und damit rechte Hand des Unionsfraktionsvorsitzenden Helmut Kohl, 1984 rückte er zum Chef des Bundeskanzleramtes, 1989 zum Bundesinnenminister und 1991 selbst zum Fraktionsvorsitzenden auf. Spätestens da war Schäuble Kohls designierter Nachfolger.

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Lange galt Schäuble als Nachfolger von Helmut Kohl.

Lange galt Schäuble als Nachfolger von Helmut Kohl.

Als größter Erfolg des Mannes aus Baden gilt die Aushandlung des Einigungsvertrages mit der DDR. Überdies wird es wesentlich Schäubles Redekunst zugeschrieben, dass der Bundestag 1991 mit knapper Mehrheit für einen Umzug von Parlament und Regierung aus dem beschaulichen Bonn in die Metropole Berlin votierte. Der Auftritt ist umso höher zu bewerten, als Schäuble ein Jahr vorher von einem psychisch Kranken niedergeschossen worden war. Sowohl der Attentäter als auch der bei dem Anschlag anwesende „Stern“-Journalist Hans Peter Schütz sind inzwischen gestorben.

Schäubles Tiefpunkt war erreicht, als er im Zuge der CDU-Spendenaffäre Ende 1999 zugeben musste, Kontakt zu dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber, einer Schlüsselfigur der Affäre, gehabt und von diesem 100.000 D-Mark in bar bekommen zu haben. Der Rücktritt als Partei- und Fraktionsvorsitzender war unvermeidlich. Es war der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der Schäubles Verstrickung ans Licht brachte. Ströbele ist inzwischen ebenfalls gestorben.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau schoss ein geistig Verwirrter 1990 auf den damaligen Bundesinnenminister. Schäuble bleibt querschnittsgelähmt. Knapp sechs Wochen nach dem Attentat begab sich Schäuble in seinem Rollstuhl in der Rehabilitationsklinik Langensteinbach bei Karlsruhe zu seiner ersten Pressekonferenz.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung im badischen Oppenau schoss ein geistig Verwirrter 1990 auf den damaligen Bundesinnenminister. Schäuble bleibt querschnittsgelähmt. Knapp sechs Wochen nach dem Attentat begab sich Schäuble in seinem Rollstuhl in der Rehabilitationsklinik Langensteinbach bei Karlsruhe zu seiner ersten Pressekonferenz.

Das Besondere an Schäubles Karriere macht aus, dass er sich davon ebenso wenig beirren ließ wie von dem Attentat, sondern danach erneut Bundesinnen- sowie anschließend Bundesfinanzminister wurde, bevor er seine Laufbahn als Bundestagspräsident krönte. Schäubles politisches Leben ist also nicht allein lang. Es war mühsam, kurvenreich und im Wortsinne unermüdlich. Es ist ein sattes Leben.

Dabei war Schäuble nie unumstritten. Das hat mit seiner gelegentlichen Härte im Umgang mit Parteifreunden, die nicht zuletzt Kanzlerin Angela Merkel zu spüren bekam, und Mitarbeitern zu tun – sowie mit seinen Irrtümern. Ein Irrtum, der dem Jubilar zugeschrieben wird, ist der, den damaligen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet als Kanzlerkandidaten durchgesetzt zu haben. Damit schadete Schäuble unter anderem sich. Denn die Unionsfraktion war nach der Bundestagswahl nicht mehr die stärkste und konnte damit nicht mehr den Parlamentspräsidenten stellen.

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Peter Ramsauer (CSU) spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.

Peter Ramsauer von der CSU sitzt am zweitlängsten im Deutschen Bundestag. Wolfgang Schäuble wird aber wohl auch er nicht mehr einholen.

Einen Nachfolger für Wolfgang Schäuble gibt es weder in der Union noch in anderen Parteien. Es kann ihn nicht geben, weil er 1942, also noch während des Zweiten Weltkrieges, zur Welt kam und damit unter ganz anderen Umständen aufwuchs als die übergroße Mehrheit der Parlamentskollegen. Der Abgeordnete mit der zweitlängsten Zugehörigkeit ist Peter Ramsauer von der CSU. Der 68-Jährige gehört dem Bundestag seit 32 Jahren an und müsste bis zu seinem 86. Lebensjahr ausharren, um es ebenfalls auf 50 Jahre Parlamentszugehörigkeit zu bringen. Das wird wohl nichts.

Anders sieht die Sache bei Jens Spahn aus. Der ist 42, seit 2002 dabei und könnte sein 50-jähriges Parlamentsjubiläum 2052 feiern – mit dann 72. Spahns Aufstieg in die Regierung begann übrigens als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Der Mitstreiter, der ihn 2015 dorthin holte, hieß: Wolfgang Schäuble.

 

Bittere Wahrheit

„Es entstand der Druck, dass Fußballer jetzt auch Statements abgeben müssen, die nichts mit dem Fußball zu tun haben. Ob richtig oder falsch, aber dem Fußball an sich tut es nicht gut.“

Stefan Kuntz

, Trainer der türkischen Fußball-Nationalmannschaft, über die „One-Love“-Binde

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Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar geht in wenigen Tagen zu Ende. Und sieht man von der aus deutscher Sicht negativen sportlichen Bilanz ab, so war die politische Bilanz ebenfalls eher negativ. Das sieht offenbar auch Stefan Kuntz so. Er war früher mal ein erfolgreicher Fußballer beim 1. FC Kaiserslautern, stand später als Trainer in Diensten des Deutschen Fußball-Bundes und trainiert heute die türkische Nationalmannschaft.

Zwar haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und DFB-Präsident Bernd Neuendorf alles versucht, als sie drei Wochen vor Beginn des Wettbewerbs in das Emirat reisten und sich dort für Menschenrechte starkmachten. Faeser trug beim Auftaktspiel der Deutschen die „One-Love“-Binde, die DFB-Kapitän Manuel Neuer laut Weltverband Fifa nicht tragen durfte. Rückblickend scheint das Hickhack um die Binde aber ein Grund von mehreren für das frühe deutsche Ausscheiden gewesen zu sein. Zudem wurde die Geste der Mannschaft, deren Mitglieder sich vor Beginn des ersten Spiels ersatzweise die Münder zuhielten, von den Kataris verspottet.

Die Verhältnisse in dem Land wären womöglich gar kein Thema mehr, wenn es nicht den Bestechungsskandal im Europaparlament gäbe. So gesehen dürften Sportler und Politiker froh sein, wenn die Weltmeisterschaft vorüber ist.

Trainiert die türkische Nationalmannschaft und kommentiert politische Gesten im Fußball: Stefan Kuntz.

Trainiert die türkische Nationalmannschaft und kommentiert politische Gesten im Fußball: Stefan Kuntz.

 

Wie das Ausland auf die Lage schaut

Der Londoner „Guardian“ beschäftigt sich mit der Politik der von Olaf Scholz geführten Bundesregierung:

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„An der Energiefront entspricht die beeindruckende Rhetorik über die Notwendigkeit, den grünen Wandel zu beschleunigen, nicht den Realitäten vor Ort. Und bei heiklen europäischen Themen wie Ölpreisobergrenzen und Energiesubventionen haben andere EU-Staats- und Regierungschefs Olaf Scholz mangelnde Solidarität und einen ‚Germany first‘-Kurs vorgeworfen. Dabei ist insbesondere das deutsch-französische Verhältnis reparaturbedürftig.

Vor allem aber hat Scholz die Aufgabe, das Geschäftsmodell für die mächtigste Volkswirtschaft Europas zu modernisieren. Deutschland, das in einer Ära der Globalisierung und wirtschaftlichen Interdependenz durch exportorientiertes Wachstum reich geworden ist, muss sich nun in einer multipolaren Welt zurechtfinden, in der sowohl die USA als auch China Barrieren errichten.

Putins Vorgehen hat dazu geführt, dass die Doktrin ‚Wandel durch Handel‘ der Geschichte angehört. Nachdem Scholz in seinem ersten Amtsjahr eine Katastrophe abgewendet hat, wird seine weitere Amtszeit davon bestimmt sein, ob es ihm gelingt, einen Weg zu finden, die Stärken der deutschen Wirtschaft in Zeiten des Wandels zu erhalten.“

Über den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz schreibt der britische „Guardian“: Seine weitere Amtszeit wird „davon bestimmt sein, ob es ihm gelingt, einen Weg zu finden, die Stärken der deutschen Wirtschaft in Zeiten des Wandels zu erhalten“.

Über den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz schreibt der britische „Guardian“: Seine weitere Amtszeit wird „davon bestimmt sein, ob es ihm gelingt, einen Weg zu finden, die Stärken der deutschen Wirtschaft in Zeiten des Wandels zu erhalten“.

Die spanische Zeitung „La Vanguardia“ kommentiert das erste Jahr der Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz:

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„Als der Sozialdemokrat Olaf Scholz vor einem Jahr sein Amt als Bundeskanzler antrat, hatte er zwei Herausforderungen vor sich. Er sollte die Ära Merkel beenden und eine Koalitionsregierung mit Grünen und Liberalen führen. Womit niemand gerechnet hat, war der Krieg in der Ukraine, dessen Folgen Deutschland schwer getroffen und Scholz und sein Kabinett gezwungen haben, ihre Politik zu überdenken.

Durch die russische Aggression gegen die Ukraine sind eine Million Ukrainer nach Deutschland geflüchtet und die Versorgung mit fossilen Brennstoffen wurde unterbrochen, von denen das Land in gefährlicher Weise abhängig war. Angesichts all dessen hat die Dreierkoalition zu reagieren gewusst, indem sie alternative Lösungen gesucht, auf erneuerbare Energien gesetzt, massiv Flüssiggas aus Katar gekauft und auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit China gesetzt hat, was bei einigen Verbündeten nicht gut ankam.

Nächstes Jahr wird Deutschland in eine Rezession geraten und die Dreierkoalition in eine heikle Situation bringen. Laut Umfragen sind 64 Prozent der Deutschen mit der Regierung unzufrieden. Die Abnutzungserscheinungen dieser 365 Tage an der Spitze des Landes sind unübersehbar.“

 

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Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Donnerstag. wieder. Dann berichtet meine Kollegin Eva Quadbeck. Bis dahin!

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Ihr

Markus Decker

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