Wie KPMG-Experten den Wirecard-Luftbuchungen auf die Spur kamen
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Der Schriftzug von Wirecard ist an der Firmenzentrale des Zahlungsdienstleisters zu sehen.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Berlin. Wie kann es sein, dass eine renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft jahrelang anstandslos die Bilanzen des Skandalunternehmens Wirecard abgenickt hat, obwohl es Luftbuchungen in Milliardenhöhe gab? Damit hat sich der Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags am Donnerstag beschäftigt. Bei der Sitzung hat ein Zeuge die Prüfer von EY schwer belastet.
Alexander Geschonneck von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die schließlich die Scheingeschäfte bei einer Sonderuntersuchung entdeckte, wollte zwar die Frage eines Abgeordneten nicht beantworten, ob EY selbst die Luftbuchungen hätte entdecken müssen, der KPMG-Ermittler sagte aber: „Ich kann Ihnen versichern: Wir haben nichts weiter gemacht, als uns einfach an die Standards von Prüfungsgesellschaften zu halten.“ Mit anderen Worten: Wenn sich EY an diese Standards gehalten hätte, hätten seinen Prüfern die Scheingeschäfte auffallen müssen.
„Wir haben keine Nachweise bekommen“
KPMG war im Herbst 2019 vom Wirecard-Aufsichtsrat mit einer Sonderprüfung beauftragt worden, weil es zahlreiche Berichte über Unregelmäßigkeiten gab. Geschonneck, der in der Finanzszene als einer der besten Bilanzforensiker gilt, berichtet, weder das Wirecard-Management noch EY hätten nötige Unterlagen geliefert, um die Existenz von Kunden, Konten und Umsätzen aus unklaren Geschäften in Asien zweifelsfrei zu belegen.
„Wir haben keine ausreichenden und angemessenen Nachweise vorgelegt bekommen“, sagte er. Auch eigene Recherchen der KPMG-Ermittler hätten keinen Beweis gebracht. Deshalb sei KPMG zu der Erkenntnis gekommen, dass es diese Geschäfte nie gegeben habe.
Bilanzfälschung bei Wirecard schon seit 2015 intern bekannt
Beim insolventen Zahlungsabwickler Wirecard sind nach Erkenntnissen der Münchner Staatsanwaltschaft bereits seit fünf Jahren systematisch Bilanzen gefälscht worden
© Quelle: Reuters
Geschonneck sagte, das Wirecard-Management habe die Arbeit von KPMG massiv behindert. Es habe „erhebliche Hürden und Hindernisse gegeben“. Angeforderte Dokumente seien gar nicht, nur unvollständig oder verzögert geliefert, Interviews mit Mitarbeitern immer wieder verschoben worden.
Zudem habe man notwendige Datenanalysen nicht durchführen können, weil man keinen Zugang zu den IT-Systemen von Wirecard bekommen habe. Dennoch ermittelte KPMG schließlich, dass 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Treuhandkonten liegen sollten, gar nicht existierten.
Am späteren Nachmittag sollten mehrere EY-Mitarbeiter im Ausschuss befragt werden. Sie wollten aber die Aussage verweigern. Tatsächlich haben Rechnungsprüfer als „Berufsgeheimnisträger“ eine Verschwiegenheitspflicht. Davon wurden sie aber durch den Wirecard-Insolvenzverwalter entbunden.
Ein Zeugnisverweigerungsrecht billigt der Ausschuss nur den beiden EY-Prüfern zu, gegen die die Rechnungsprüferaufsicht Apas ermittelt – denn kein Zeuge muss sich selbst belasten. Bleibt es bei der Aussageverweigerung, überlegen die Ausschussmitglieder, ein Zwangsgeld zu verhängen. Im Zweifel muss dann der Bundesgerichtshof den Streit entscheiden.