Wird Jens Spahn zum Profiteur der Maskenaffäre?
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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Vom Buhmann zum Aufklärer?
© Quelle: imago images/Future Image
Berlin. Es gibt vieles, das man an Jens Spahn kritisieren kann. Politische Instinktlosigkeit gehört eigentlich nicht dazu, auch wenn es zuletzt bisweilen so schien, als sei das politische Näschen Spahns ein wenig verstopft. Nun allerdings, wo er mit dem Rücken zur Wand steht, atmet der 40-Jährige wieder freier.
Schneller als andere hat Spahn erkannt, welche große Chance die Maskenaffäre in der Unionsbundestagsfraktion für ihn bietet. Zum ersten Mal seit Wochen sind Spahns Versäumnisse bei der Bestellung von Impfstoffen und Schnelltests nicht mehr das dominierende Thema. Gleichzeitig verschafft die Affäre Spahn die Möglichkeit, sich als Aufklärer zu inszenieren. So eine Gelegenheit lässt einer wie er nicht ungenutzt.
Am Montag kündigte Spahn an, die Namen aller Bundestagsabgeordneten öffentlich zu machen, die im Zusammenhang mit der Beschaffung von Corona-Schutzmasken gegenüber seinem Ministerium in Erscheinung getreten sind. „Wir wollen volle Transparenz in einem geordneten Verfahren ermöglichen“, sagte Spahn meinem Kollegen Tim Szent-Ivanyi.
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Positiver Nebeneffekt: Da auf der Liste – nach allem, was man weiß – auch Abgeordnete anderer Fraktionen stehen, könnte der Fokus der Debatte zumindest kurzzeitig von der Union abgelenkt werden. Bei der politischen Konkurrenz wächst bereits die Sorge, dass nun Dinge, die nicht zusammengehören, vermischt werden könnten. Nicht das Vermitteln der Deals sei verwerflich, sondern das Kassieren von Honoraren, heißt es vorsorglich.
Ob Spahns Kalkül aufgeht, ist offen. Er muss den Befreiungsschlag jetzt wagen, denn mit seinen Beliebtheitswerten ging es zuletzt steil nach unten. Nur noch 38 Prozent der Befragten gaben im jüngsten ARD-Deutschlandtrend von Infratest Dimap an, dass sie mit Spahns Arbeit „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ seien. Im November hatte der Wert noch bei 65 Prozent gelegen. Der Vertrauensbonus, den sich der Gesundheitsminister in der Krise erarbeitet hatte, ist weg. Spahn, der zwischenzeitlich beliebtester Politiker Deutschlands war, rangiert inzwischen unter seinem Niveau von vor der Krise (siehe Grafik).
Womöglich aber bleibt von der Maskenaffäre am Ende doch etwas kleben, denn auch Spahn hat im Laufe seiner Karriere mit engen Wirtschaftsbeziehungen und gutem Geschäftssinn immer wieder für Negativschlagzeilen gesorgt.
Zuletzt hatte es Aufregung über die Teilnahme des Ministers an einem Spendendinner mit Unternehmern im Corona-Herbst 2020 gegeben. Die Teilnehmer waren im Vorfeld aufgefordert worden, einen Beitrag von je 9999 Euro für Spahns Wahlkampf zu spenden. Die Summe lag exakt einen Euro unter der Grenze, ab der Parteispenden veröffentlicht werden müssen. Besonders pikant: Am Morgen des Dinners hatte Spahn noch im Frühstücksfernsehen vor zu viel Geselligkeit in der Corona-Krise gewarnt, am Folgetag wurde bei ihm Covid-19 diagnostiziert.
Ärger hat Spahn auch, weil er im vergangenen Frühjahr einen Millionenauftrag für den Transport von Masken und Schutzkleidung freihändig vergeben hat. Begünstigt wurde ausgerecht der Logistiker Fiege aus Spahns münsterländischer Heimat.
Auch vor seiner Ministerzeit ist Spahn immer mal wieder negativ aufgefallen: Als Staatssekretär im Finanzministerium war er an einem Start-up aus der Finanzbranche beteiligt, als Fachpolitiker im Gesundheitsausschuss hielt er zusammen mit seinem damaligen Büroleiter Anteile an einer Agentur, die auch Kunden aus der Pharmabranche beriet.
Und dann sind da noch die Schlagzeilen um Spahns millionenteure Villa und eine Eigentumswohnung, die er mit großem Gewinn verkauft und deren Voreigentümer er einen gut dotierten Job bei einer bundeseigenen Gesellschaft zur Digitalisierung des Gesundheitswesens verschafft hatte.
Spahn hat die Grenzen des Erlaubten weit ausgereizt und dabei den eigenen finanziellen Vorteil stets im Blick gehabt. Es ist eine Eigenschaft, die er mit jenen in der Union teilt, die nun einen Schritt zu weit gegangen sind.
Wahlkampfsprech – Deutsch: Was Politiker wirklich sagen
„Wolfgang Thierse hat sich große Verdienste um die SPD, um unser Land, um die deutsche Einheit erworben. Er ist jemand, an dem wir noch ganz lange viel Freude in der SPD haben werden.“
Olaf Scholz,
Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat
Der Satz von Finanzminister Olaf Scholz, dass die SPD noch „lange“ Freude an Wolfgang Thierse haben werde, ist eine Botschaft sowohl an den früheren Bundestagspräsidenten als auch an dessen Kritiker in der SPD. Thierse hatte in der vergangenen Woche „linke Identitätspolitik“ sowie „Radikalisierungen des Diskurses“ kritisiert und damit eine Debatte über den Umgang der SPD mit sexuellen und anderen Minderheiten ausgelöst. Parteichefin Saskia Esken und Parteivize Kevin Kühnert hatten sich öffentlich von „Aussagen einzelner Vertreter der SPD“ zur Identitätspolitik distanziert, woraufhin Thierse seinen Parteiaustritt angeboten hatte.
Wie das Ausland auf die Wahl schaut
Die deutsche Maskenaffäre sorgt auch im Ausland für Schlagzeilen. Die „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ aus der Schweiz spricht von einer „moralischen Bankrotterklärung“ von Parlamentariern einer Regierungspartei wie CDU und CSU. „Für Angela Merkel und ihre Regierung ist die Maskenaffäre ein Desaster. Sie beschleunigt den Verlust des Vertrauens der Deutschen in das stumpfsinnig gewordene Corona-Management. Denn was soll man halten von einer Regierung, die es nicht schafft, die Bevölkerung rasch zu impfen oder gar nur zu testen, und deren Vertreter hinter dem Rücken die Hand aufhalten für das Weiterempfehlen von Masken?“, fragt die Zeitung.
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