„Waren noch nie so viele“: Klimaproteste erfassen ganzen Planeten
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Hunderttausende sind am Freitag, wie hier in Berlin, dem Aufruf von Fridays for Future zum Klimastreik gefolgt.
© Quelle: imago images/epd
Berlin. Allein in Berlin sind am Tag des globalen Klimastreiks nach Veranstalterangaben 270.000 Menschen ans Brandenburger Tor gekommen, weit mehr als erwartet. In Hamburg waren es nach Polizeiangaben 45.000 Teilnehmer, die Veranstalter sprechen von 100.000. In Dutzenden anderen Städten nahmen jeweils mehrere Tausend Menschen am globalen Klimaaktionstag teil. Fridays for Future spricht von 1,4 Millionen Teilnehmern allein in Deutschland.
Angefangen hatte der globale Aktionstag in Australien, wo landesweit 300.000 Menschen auf der Straße waren, dann folgten alle anderen Erdteile. Vermutlich war in Deutschland am Freitag weit mehr als eine halbe Million Menschen auf der Straße. „So viele waren wir noch nie. Das ist historisch“, twittert Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer.
Aus den Schülerstreiks von Fridays for Future ist eine Massenbewegung geworden, die alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten umfasst. In Berlin demonstrierten am Vormittag mehrere Hundert Unternehmer vor dem Bundesfinanzministerium. Sie forderten „bessere und gerechtere Steuern“ und klare Vorgaben für den Klimaschutz.
Einer von ihnen ist Christof Struhk, Gründer und Inhaber von Modulor, einem Kaufhaus und Versandhandel für Architekten- und Künstlerbedarf mit 180 Mitarbeitern in Berlin-Kreuzberg. „Auf meiner letzten Demonstration war ich 1983 im Bonner Hofgarten, dies ist meine zweite“, sagt er. Sein Kaufhaus hat er für den Tag geschlossen, den Mitarbeitern für den Klimastreik freigegeben. Struhk hat eine konkrete Forderung: Er will als Händler die Umweltbilanz jedes einzelnen Produktes in einer staatlichen Datenbank einsehen können. „Dann kann ich besser entscheiden, was ich ins Sortiment nehme und was nicht.“
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Schilder hochhalten und Parolen rufen ist noch ungewohnt für die Unternehmerinnen und Unternehmer von Entrepreneurs for Future. Klappt trotzdem ganz gut.
© Quelle: Entrepreneurs for Future/Entrepr
Der Demoblock der Unternehmer setzt sich in Bewegung, direkt dahinter marschiert ein Häuflein Antikapitalisten mit rot-schwarzen Fahnen. Vor dem Brandenburger Tor gibt es dann kein Durchkommen mehr. Gewerkschafter, Schüler, Großeltern, die Queers for Future und Extinction Rebellion halten ihre handgemalten Schilder hoch. „Ich will keinen heißen Planeten – ich will ein heißes Date“ steht auf einem. Am Rand verteilen Gastronomen vegane Suppe, daneben warnt ein Transparent: „Es gibt kein Bier auf einem toten Planeten.“ Auf der Demonstration gibt es allerdings auch keines.
Auf der Bühne sprechen so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Vorsitzende der Stiftung Charité, Detlev Ganten, und die Seenot-Rettungskapitänin Carola Rackete. Ganten lobt die streikenden Schüler: „Ihr seid der Motor und die Kraft“, ruft er. Rackete sagt: „Wir sind für den Zusammenbruch der Ökosysteme verantwortlich.“ Der Arzt und Comedian Eckart von Hirschhausen warnt: „Die Klimakrise ist aktuell die größte Bedrohung der Menschheit.“
Die Beschlüsse des Klimakabinetts treffen auf eine Mischung aus Enttäuschung und Desinteresse. Viele Demonstranten haben sie auch einfach noch gar nicht zur Kenntnis genommen. „Lustlos, visionslos, existenzbedrohend für unsere Kinder“, nennt sie Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme und Mitglied bei Scientists for Future.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer schreibt auf Twitter: „Das ist heute kein Durchbruch, das ist ein Skandal.“ Die Gruppe Extinction Rebellion ruft auf der Großdemonstration zu Blockaden am Potsdamer Platz auf. Einzelne Blockaden gab es bereits am Morgen in Berlin, Frankfurt und anderen Städten.
Lesen Sie hier den Kommentar: Die GroKo und das Klima – der Weg des geringsten Widerstandes
In unmittelbarer Nachbarschaft der Demonstrationszüge präsentiert die Bundesregierung die Ergebnisse des Klimakabinetts in der Ausstellungshalle Futurium. Dorthin zieht aber kein einziger der Hunderttausenden Demonstranten. Die Regierung bleibt an diesem Freitag ungestört.
Lesen Sie hier: Das Klimapapier der Koalition im Original zum Nachlesen