Wie viel Nähe es sein darf auf dem Berliner Parkett
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Robert Habeck im RND-Interview mit Eva Quadbeck und Daniela Vates im Juni 2021.
© Quelle: Thomas Koehler/photothek.de
Das Berliner Regierungsviertel hat den Ruf, von einer großen Blase umwölbt zu sein, in der Politik, Journalismus, Beamtentum und Lobbyisten in ihrer eigenen Welt leben. Das Regierungsviertel als Gravitätszentrum der Macht in Deutschland mit seinen Seilschaften und Feindschaften, seinen Parteilichkeiten und Loyalitäten, seinen Kommunikationsregeln, Festen und Empfängen ist in der Tat eine Welt für sich. Die meisten Menschen, die dort arbeiten, verfügen aber durchaus über Bodenhaftung in ihrem Privatleben. Und viele Ameisen in dem großen Haufen sind keineswegs Spitzenverdiener. Sie kennen also auch die Nöte der Leute außerhalb des Regierungsviertels, die Gasrechnung zu bezahlen, einen Kita-Platz zu finden oder auch Job und die Pflege der eigenen Eltern unter einen Hut zu bringen.
Informationen sind die Währung in Berlin
Was den Berliner Betrieb so richtig am Laufen hält und in Wallung bringt, sind Informationen. Sie sind die Währung rund um den Reichstag. Deshalb ist für uns Journalisten der Austausch mit Politikern, Regierungsmitgliedern und mit vielen weiteren Informanten so zentral. Von den einen erfährt man, welche Gesetze geplant sind, die nächsten können sie genau erklären. Von anderen hört man eher, was gerade in der jeweiligen Partei los ist. Und viele Politikerinnen und Politiker wollen und müssen im Hintergrund erklären, warum sie welche Dinge sagen und tun oder auch nicht.
Wenn man für eine neue Nachricht schnell eine Bestätigung oder ein Dementi benötigt, dann fließen Informationen nur schnell per Textnachricht, wenn man die Betroffenen persönlich kennt. Nur wenn man auch weiß, wie der Absender tickt, lassen sich die Informationen ohne Missverständnisse vermeiden.
Das Flurfest des RND
All dies sind Gründe, warum gut informierter Journalismus nur mit einer gewissen Nähe zur Politik funktionieren kann. Die Nähe entsteht durch den persönlichen Austausch und durch über Jahre gewachsenes Vertrauen – in sogenannten Hintergrundrunden, im Regierungsflieger oder auch bei Empfängen.
Daher laden viele große Medienhäuser einmal im Jahr zum Empfang – wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) an diesem Dienstag. Flurfest heißt das bei uns und findet in den Räumen statt, in denen wir sonst recherchieren, schreiben und konferieren. Die Bilder solcher Empfänge mit Getränken und Imbiss können den Eindruck vermitteln, dass man sich ganz schön nah ist – möglicherweise sogar zu nah. Die Bilder belegen auf jeden Fall, dass das Verhältnis von Distanz und Nähe zwischen Politik und Journalismus immer wieder sauber abgesteckt werden muss. Die Nähe braucht der Journalismus, um wirklich aus dem Inneren der Regierungsmaschine berichten zu können, um an exklusive Nachrichten und Interviews zu gelangen. Die Distanz ist dringend notwendig, um kritisch zu bleiben. Eine Vielfalt an Quellen ist zwingend, um nicht vom Wohlwollen einzelner abhängig zu sein. Sie ist auch zentral, wenn es darum geht, eine Information noch einmal zu überprüfen.
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Und wie konnte das Geschäft auf dem Höhepunkt der Corona-Krise funktionieren? Die meisten Journalistinnen und Journalisten haben in dieser Zeit von den Kontakten gelebt, die sie ohnehin schon hatten und immer wieder über einige Monate digital pflegen konnten.
Es fehlte viel, auch die nonverbale Kommunikation: der Bruchteil der Sekunde im Gesichtsausdruck, wenn sich jemand durch eine Frage ertappt fühlt. Der genaue Blick auf eine Person, wie sehr sie von einer gerade durchlebten Krise oder einem Shitstorm mitgenommen ist. Und die Zone zwischen Wahrheit und Lüge kann man auch viel besser einschätzen, wenn einem der Gesprächspartner gegenübersitzt. Dafür ist Nähe Gold wert.
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