Wie die Türkei den Konflikt mit Nato-Partner Griechenland anheizt

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Ankara. Im östlichen Mittelmeeraum heizt die Türkei politische Spannungen an. Selbst ein bewaffneter Konflikt mit dem Nato-Partner Griechenland erscheint nicht mehr ausgeschlossen. Im Kern geht es um Erdgasvorkommen unter dem Meer zwischen Griechenland, Zypern und Ägypten, auf die Ankara seit Langem Ansprüche erhebt. Vergangene Woche überrumpelte die Türkei die Anrainerstaaten mit der Ratifizierung eines provokanten Abkommens, das ihr Präsident Recep Tayyip Erdogan und der libysche Ministerpräsident Fajes Sarradsch ausgehandelt hatten, und das eine gemeinsame exklusive Wirtschaftszone beider Staaten definiert, die sich von der Türkei bis Nordafrika erstreckt. Ankara reklamiert damit einen großen Teil des östlichen Mittelmeers für sich.

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Mavi Vatan, blaue Heimat, lautet eine Militärdoktrin der Türkei von 2006, die Anspruch auf den östlichen Mittelmeerraum erhebt und seit dem Frühjahr plötzlich Form annimmt. Der Name wurde im Februar erstmals für ein türkisches Marinemanöver verwendet. Im September hielt Erdogan demonstrativ eine Rede vor einer Mavi-Vatan-Karte. Jetzt publizierte Ankara offizielle Karten, auf denen die Seegebiete um griechische Inseln östlich von Kreta, die laut dem internationalen Seerechtsabkommen von 1994 zu Griechenland, Zypern und Ägypten gehören, als türkische Wirtschaftszone ausgewiesen werden.

Türkei erhebt territoriale Ansprüche

“Mit diesem Abkommen haben wir das Territorium, über das wir Autorität ausüben, größtmöglich ausgedehnt”, sagte Erdogan am Montag im staatlichen TV-Sender TRT. Zuvor hatten die Nachbarstaaten scharf gegen die neuen Ansprüche protestiert. Ohnehin hatte die EU der Türkei bereits wegen deren wiederholter Gasbohrungen in Zyperns exklusiver Wirtschaftszone Sanktionen angedroht.

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Dessen ungeachtet machte der türkische Präsident am Montag deutlich, dass sich seine politischen Ambitionen im Mittelmeerraum nicht nur auf Mavi Vatan erstrecken, sondern auch auf das erdölreiche Libyen. Erdogan drohte mit einem Eingreifen türkischer Truppen im libyschen Bürgerkrieg, falls die legitime Regierung darum bitte. Die Türkei unterstützt die international anerkannte, islamistisch ausgerichtete Regierung in der Hauptstadt Tripolis, während ihre regionalen Rivalen Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und zunehmend auch Russland zum aufständischen General Chalifa Haftar im Osten des Landes halten. Die “Jerusalem Post” urteilte, das türkisch-libysche Abkommen enthülle die territorialen Expansionsziele hinter der türkischen Militärhilfe für Tripolis: “Die Türkei will den ökonomischen Zugang und strategischen Korridor, der ihre Küste mit Libyen verbindet.”

Griechische Regierung empört: Türkisch-libyscher Vertrag völker- und seerechtswidrig

Unterdessen bezeichnete die griechische Regierung den türkisch-libyschen Vertrag als völker- und seerechtswidrig und forderte EU und Nato zur Solidarität auf. Sie warnte die Türkei, dass sie Bohrungen in der selbst erklärten Wirtschaftszone notfalls mit militärischer Gewalt verhindern werde und entsandte bereits Kriegsschiffe ins Meer südlich von Kreta. Am Freitag wurde der libysche Botschafter ausgewiesen.

Am Dienstag forderte Athen die Behandlung des Seeabkommens im UN-Sicherheitsrat. Der neue konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der die Vereinbarung letzte Woche beim Nato-Gipfel in London gegenüber Erdogan als inakzeptable “grobe Verletzung der Rechte Griechenlands” bezeichnet hatte, will das Thema am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel auf den Tisch bringen. Bisher fielen die Reaktionen der europäischen Partner allerdings schwach aus. Sanktionen für die Türkei kämen nicht in Frage, erklärten die EU-Außenminister nach einem Treffen am Montag. Man suche noch nach einer angemessenen Antwort.

Schon einmal gab es fast einen heißen Krieg

Die energiearme Türkei begründet ihre Ansprüche auf unterseeische Bodenschätze mit den Anrechten der türkischen Zyprioten und der eigenwilligen Ausdehnung ihres eigenen maritimen Wirtschaftsraums auf 200 Meilen vor der Küste. Ein bedeutsamer Streitpunkt mit Athen ist, dass Ankara den griechischen Anspruch auf einen Festlandssockel südlich von Kreta und um die Dodekanes-Inselgruppe mit Rhodos nicht anerkennt, sondern nur eine zwölf Meilen umfassende Hoheitszone. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar sagte am Sonntag laut der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, das Abkommen mit Libyen richte sich gegen “einseitige und illegale Aktivitäten anderer regionaler Länder und internationaler Unternehmen”.

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Während es in den 1980er-Jahren bereits Streit mit Athen um unbewohnte Inseln in der Ägäis gab, die fast zu einem heißen Krieg eskalierten, bedroht die Türkei jetzt erstmals die Souveränität des Nachbarlandes im kretischen Meer und weitet den Ressourcenstreit mit Zypern weiter nach Westen aus. Griechische Medien spekulieren inzwischen schon über ein mögliches Hilfegesuch ihrer Regierung an das massiv in Libyen engagierte Russland, falls es der Nato nicht gelinge, die Türkei zur Ordnung zu rufen. Russlands Präsidenten Wladimir Putin würde es wohl freuen, denn damit könnte er den Zusammenhalt der Nato und zugleich die Expansionsgelüste der Türkei im Nahen Osten weiter unterminieren.

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