Wie die Ost-CDU die Bundespartei immer wieder in die Bredouille bringt
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Udo Witschas, Erster Beigeordneter im Landratsamt Bautzen, spricht während einer Kundgebung gegen Corona-Maßnahmen und eine mögliche Impfpflicht in Deutschland vor dem Landratsamt zu den Impfgegnern und Kritikern der Corona-Maßnahmen.
© Quelle: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Es gibt den bekannten Satz des früheren CSU-Chefs Franz Josef Strauß: „Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben.“ Damit äußerte Strauß einen Wunsch, der jedoch nicht eingetreten ist, wie sich viele Jahre später zeigte.
Mit der AfD hat sich schon seit Längerem eine rechtspopulistische Partei in Deutschland zementiert, die in Thüringen sogar vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft ist. Sie steht in dem Bundesland in aktuellen Umfragen auf Platz eins. Auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt ist die AfD besonders stark und liegt dort in Umfragen auf dem zweiten Rang hinter der CDU.
„Diese Sprache kenne ich von anderen Parteien“
Besonders die Landesverbände im Osten stehen vor der Frage: Wie umgehen mit der AfD? Manche Politiker verstehen den Satz von Strauß offenbar so, dass man den Rechtspopulisten ähnlicher werden muss, damit sie keinen Platz mehr haben. Andere stehen dem Gedankengut womöglich ohnehin oder inzwischen nahe.
Aus der Sicht von Bundespolitikerinnen und ‑politikern hat sich jedenfalls Ersteres diese Woche im sächsischen Bautzen abgespielt. „Diese Sprache kenne ich von anderen Parteien, die nicht dem demokratischen Spektrum angehören“, sagte CDU-Politikerin Serap Güler dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Video von Landrat sorgt für Kritik
Was war passiert? Der CDU-Landrat Udo Witschas veröffentlichte am Dienstag auf Facebook ein Video. Darin sagte er unter anderem, dass im Landkreis Flüchtlinge nicht in Turnhallen oder in frei stehenden Wohnungen untergebracht werden sollen. Es sei nicht die Absicht, den Sport für diese Asylpolitik bluten zu lassen, betonte er und warnte weiter vor der Gefährdung des sozialen Friedens. Er bezog sich dabei auf einen Kreistagsbeschluss gegen eine zentrale Unterkunft für Flüchtlinge in Hoyerswerda sowie auf Fragen aus der Bevölkerung, wo die Menschen stattdessen untergebracht werden.
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Die Weihnachtsbotschaft des Bautzener Landrates Udo Witschas bewegt mittlerweile auch die Berliner Politik. Die Bundes-CDU ging auf Distanz zu Witschas. Und nicht nur sie.
© Quelle: Screenshot/Facebook
Schon in der vergangenen Woche hatte die CDU in Bautzen Kritik ausgelöst, als sie einem AfD-Antrag zustimmte, obwohl ein Parteitagsbeschluss eine Zusammenarbeit mit der AfD untersagt. Das Konrad-Adenauer-Haus war entsetzt und nahm Kontakt auf, doch auch da zeigte sich der Landrat unnachgiebig.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Parteispitze in der AfD-Frage auf Granit beißt. Die frühere Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer scheiterte 2020 schlussendlich daran. CDU-Landtagsabgeordnete hatten in Thüringen den FDP-Mann Thomas Kemmerich mit der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt – obwohl die Parteiführung aus Berlin davor gewarnt hatte. Auch die Forderung von Kramp-Karrenbauer nach Neuwahlen unterstützten die Landespolitiker nicht. Am Ende wurde zwar doch Bodo Ramelow von der Linkspartei Ministerpräsident, doch der Eklat schwächte Kramp-Karrenbauer. Sie trat später zurück.
CDU Thüringen geriet dieses Jahr in die Schlagzeilen
In diesem Jahr geriet die CDU Thüringen wieder in die Schlagzeilen: Im November hatten die Christdemokraten im Landtag einen Antrag gegen das Gendern in öffentlichen Behörden eingebracht. Die AfD stimmte zu, und der Antrag war erfolgreich. Und im Juni wollte die CDU in Thüringen Mindestabstandsgebote für Windräder durchsetzen, FDP und AfD signalisierten Zustimmung. Fast wäre der Gesetzentwurf beschlossen worden. Nur knapp konnte die CDU mit den Regierungsfraktionen einen Kompromiss schließen und eine AfD-Unterstützung abwenden.
In Landes- oder Kommunalparlamenten mit starkem AfD-Anteil muss die CDU eine Gratwanderung machen. Insbesondere, wenn sie ein Vorhaben verfolgt, das bei der AfD auf Zustimmung stößt oder von der AfD genutzt wird, um die CDU in eine schwierige Lage zu bringen. Dann bleibt der CDU nur eine Rücknahme des Antrags, ein Kompromiss mit anderen Fraktionen – oder der Erfolg dank der Unterstützung der AfD.
Nur ist der Fall in Bautzen noch einmal anders: Dort unterstützte die CDU einen AfD-Antrag und nutzte wenige Tage später aus Sicht der Bundes-CDU problematische Sprache. Man müsse sich der Herausforderung stellen, dass der größte politische Konkurrent der CDU im Osten die AfD sei. „Das heißt aber nicht, dass wir unseren politischen Kompass, das christlich-soziale Menschenbild, aufgeben“, mahnte Güler.
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„Man kann das Stinktier nicht überstinken.“
Die Stimmung in der Bevölkerung sei anders als in Ländern, in denen die AfD nicht stark ist. Einige in der Partei würden denken, man müsse nationaler auftreten, sagte der Christdemokrat Sepp Müller der „Süddeutschen Zeitung“. „Aber damit würden wir nur die AfD stärken, man kann das Stinktier nicht überstinken.“ Die CDU müsse stattdessen sozialer auftreten, unterstrich Müller, der selbst in Sachsen-Anhalt erfolgreich Wahlkampf geführt hat.
Auch Güler glaubt nicht an Erfolge, wenn die CDU sich der Rhetorik der AfD bedient: „Ich mag nicht daran glauben, dass man im Osten nur mit einer problematischen Sprache Menschen überzeugen kann“, sagte sie. „Die Menschen, die diese Sprache bei Politikern bevorzugen – egal ob im Osten oder Westen – möchte ich gar nicht ansprechen.“ Die CDU dürfe sich nicht verbiegen. Güler forderte die sächsische Landespartei auf, dem Landrat deutlich zu machen, dass diese Sprache nicht akzeptabel sei. Gegebenenfalls müssten auch Konsequenzen gezogen werden.
Buschmann zur AfD: „Dafür sollten Sie sich schämen“
Wer die Razzia gegen die „Reichsbürger“-Szene ins Lächerliche zieht, versuche, diese Gefahr kleinzureden, kritisiert Justizminister Marco Buschmann die AfD.
© Quelle: Reuters
Bundespartei distanziert sich
Dort versteht man den Wirbel aber nicht. Der Chef des Landesverbandes, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, verteidigte Witschas und sagte, das Video sei aus dem Kontext gerissen worden. In CDU-Kreisen zeigt man sich schon länger skeptisch, ob der Landesverband seine „massiven Baustellen“ überhaupt angehen kann oder will. Da sei Hopfen und Malz verloren, sagt ein Bundestagsabgeordneter.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja distanzierte sich im Namen des Parteivorstandes – dem Kretschmer angehört – von den Aussagen des Landrates. „Wir als Union haben eine ganz klare, eindeutige und zutiefst humane Haltung, die getragen ist von der Würde eines jeden Menschen, die auch in der Sprache unantastbar sein muss“, unterstrich er.
Vor einigen Jahren bezog Altkanzlerin Angela Merkel Stellung zu dem Satz von Strauß. Für sie gelte der Satz nicht, wenn im Ergebnis Prinzipien aufgegeben werden müssten, sagte Merkel.