Die Konfrontation: Baerbocks verpackte China-Kritik
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Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem Amtskollegen Qin Gang in Peking.
© Quelle: IMAGO/photothek
Berlin. Eine halbe Stunde nur braucht Annalena Baerbock für die letzten 100 Kilometer. Im Hochgeschwindigkeitszug eilt sie von der chinesischen Hafenstadt Tianjin nach Peking, mit Tempo 350. „Danke für den freundlichen Empfang und für die rasante Zugfahrt“, sagt Baerbock anschließend zu ihrem Amtskollegen Qin Gang. Der hat sie bereits durch Tianjin begleitet, seine Heimatstadt. Ein Windradunternehmen gab es da zu besichtigen und eine Schule. Es war wohl der Versuch beider Seiten, ein wenig Gutwetter zu machen, bevor es richtig zur Sache geht.
Baerbock hat China so häufig kritisiert, dass ihr SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich geraten hat, bei ihrem Antrittsbesuch nicht allzu forsch aufzutreten. Baerbock hat dem noch in Tianjin widersprochen: „Wenn der andere nicht reden will, muss man selber deutlich machen, dass man einen klaren Standpunkt hat“, sagte sie dort der ARD.
Chinas Außenminister: „Wir sind Partner, wir sind keine Gegner“
Dass dann tatsächlich nicht nur Höflichkeiten ausgetauscht wurden, macht erst der chinesische Außenminister deutlich, als er mit Baerbock nach einem Gespräch vor die Presse tritt. „Wir sollten strategische Missverständnisse und Fehlentscheidungen vermeiden“, fordert er. „Wir sind Partner, wir sind keine Gegner.“ Und er spricht eigens die geplante deutsche China-Strategie an, die in den nächsten Wochen veröffentlicht werden soll. Konfrontation sei dabei die falsche Haltung, findet Qin Gang. „Wir wollen zusammenarbeiten.“
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Schon in der Anrede Baerbocks schwingt Distanz mit, freundlich verpackt. „Lieber Herr Kollege“, sagt die Ministerin. Und erklärt dann, warum sie Vorbehalte gegenüber China nicht für ein Missverständnis hält, sondern für wohl begründet. Und dabei fasst sie sich gewissermaßen an die eigene Nase: „Europa hat den eigenen Aufstieg mit Expansionismus, Aggression und Kolonialismus verbunden“, sagt Baerbock. Und nun schicke sich China an, Weltmacht zu werde – die implizite Warnung, dem schlechten Vorbild Europas nachzueifern, schwingt mit. „Viele fragen sich, wie China diesen wachsenden Einfluss nutzen wird“, sagt Baerbock.
Kritik an China als Lob verpackt
Es ist eine sehr offene Formulierung, zumindest gemessen daran, dass Baerbock bei Besuchen in anderen Staaten vor chinesischen Knebelkrediten warnt. Und auch das Wort „viele“ mag in seiner Unbestimmtheit ein Zufall sein. Allerdings ist ja gerade die Frage, wer China wie kritisch gegenübersteht. Staatspräsident Emmanuel Macron ist heftig kritisiert worden, als er vor einigen Tagen nach seinem China-Besuch eine eigenständige, europäische, von den USA unabhängige Taiwan-Politik forderte. Und in der Bundesregierung ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Blick auf China etwas zurückhaltender unterwegs als die Außenministerin. In der Koalition gibt es die Befürchtung, das Kanzleramt könne die geplante China-Strategie verwässern.
Die Außenministerin macht es so: Sie fordert die Einhaltung von Menschenrechten und kritisiert zunehmende Einschränkung von Freiräumen. Ihre Forderung, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren, verpackt sie in eine Art Lob für Peking: China arbeite ja selbst seit vielen Jahren daran, eigene Abhängigkeiten zu verringern, sagt sie.
Baerbock: Konflikt mit Taiwan würde „dramatische Folgen“ haben
Beim Taiwan-Konflikt widerspricht sie der chinesischen Interpretation als innenpolitische Angelegenheit. Weil 50 Prozent des globalen Warenverkehrs durch die Straße von Taiwan liefen und die Insel 70 Prozent der Halbleiter liefere, würde ein Konflikt „dramatische Folgen“ haben – eine Weltwirtschaftskrise nämlich. An der könne auch China kein Interesse haben. Und ohnehin gelte: „Konflikte müssen friedlich gelöst werden.“
Antrittsbesuch in China: Außenministerin Baerbock in Hafenstadt Tianjin gelandet
Angesichts der Rückendeckung Chinas für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und der Lage um Taiwan dürfte der Besuch diplomatisch schwierig werden.
© Quelle: dpa
Auch beim Ukraine-Krieg gibt es eine Verbindung von Werben und Fordern: Der Besuch von Präsident Xi Jinping in Russland habe gezeigt, „dass kein anderes Land mehr Einfluss auf Russland hat als China“. Und das Land zeige mit der Vermittlung zwischen Iran und Saudi-Arabien, dass es sich für friedlichen Ausgleich engagiere. Qin Gang hat für Friedensgespräche geworben, aber auch das russische Argument der Sicherheitsinteressen wiederholt. Es sei gut, dass China Interesse an einer Lösung signalisiere, entgegnet Baerbock. Aber den Krieg habe allein Russland zu verantworten, entgegnet Baerbock. Und sie frage sich schon, „warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russland beinhaltet, den Krieg zu stoppen“.
Und beim weltweit größten Emittenten von CO₂ geht es auch ums Klima. Es könne da schon „mehr Ambitionen zur Eindämmung der Klimakrise“ geben findet, Baerbock. Ein neues Kooperationsformat kündigt sie an, einen deutsch-chinesischen Klima- und Transformationsdialog. In diesem Feld, sagt Baerbock, gebe es „Potenzial für mehr Zusammenarbeit“.
Linksfraktionschef Bartsch: „Reise der verpassten Chancen“
Daheim in Deutschland stößt die Visite auf geteiltes Echo. Die SPD mosert, die Opposition zeigt sich enttäuscht. „Annalena Baerbocks Reise war eine Reise der verpassten Chancen“, sagt etwa Linksfraktionschef Dietmar Bartsch dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Baerbock kommt mit leeren Händen nach Hause. Ihr Auftritt war kein diplomatischer Geniestreich.“
Die Außenministerin hätte die Volksrepublik für eine Verhandlungsinitiative gewinnen müssen, erklärt Bartsch: „Deutschland und China müssten von unterschiedlichen Seiten aus als Friedensvermittler in der Ukraine auftreten“, so der Linke. „Wir brauchen eine internationale Friedensinitiative, um schnellstmöglich einen Waffenstillstand zu erreichen. Davon war Baerbocks Reise meilenweit entfernt.“