“Widerstand 2020”: Was ist das eigentlich?
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Michael Ballweg (l., Initiative Querdenken 711) mit den “Widerstand 2020”-Gründern Bodo Schiffmann (M.) und Ralf Ludwig.
© Quelle: imago images/Arnulf Hettrich
Berlin. Im Zuge der Proteste gegen die Corona-Einschränkungen hat sich eine neue Partei gegründet: “Widerstand 2020”, nennt sich die Gruppierung, die beim Bundeswahlleiter Gründungsunterlagen eingereicht hat. Sie baut bereits in mehreren Ländern Landesverbände auf.
Wer steckt hinter “Widerstand 2020”?
Gründerin der neuen Partei war die 36-jährige Victoria Hamm, die in Lehrte bei Hannover wohnt. Sie hatte die Website “Widerstand 2020” Mitte April aufgesetzt, weil sie sich angesichts der Corona-Maßnahmen machtlos gefühlt habe und “Widerstand leisten wollte”, erklärte sie dem ZDF. Davor sei sie politisch nicht aktiv gewesen.
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Hamm hat zum 10. Mai den Posten als Parteivorsitzende niedergelegt und taucht auf der Website der Partei nicht mehr auf. Vorangegangen waren anscheinend Auseinandersetzungen mit den beiden anderen Gründern, Ralf Ludwig und Bodo Schiffmann.
Der Leipziger Jurist Ralf Ludwig hat beim Bundesverfassungsgericht durchgesetzt, dass die “Querdenken”-Demonstrationen in Stuttgart stattfinden dürfen. “Widerstand 2020” ist eng mit diesen bundesweit größten Demonstrationen verbunden. Als seine Motivation nannte er unter anderem, dass er wegen der Reisebeschränkungen seine auf Mallorca lebende Tochter nicht treffen dürfe.
Hamm und Ludwig suchten einen prominenten Unterstützer für den Vorstand. Dieser fand sich schließlich mit dem Arzt Bodo Schiffmann.
Schiffmann ist in der Szene der Corona-Skeptiker tatsächlich kein Unbekannter. Er betreibt eine “Schwindelambulanz” in Sinsheim und nebenbei einen Youtube-Kanal, auf dem er seine Meinung zur Pandemie verbreitet. Dort sprach er bereits im März von “geringen Sterberaten” bei Covid-19-Patienten – Corona sei demnach nicht gefährlicher als eine gewöhnliche Grippe. Charité-Chefvirologe Christian Drosten unterstellte er das Auslösen einer “Massenpanik”.
Corona-Leugner und Verschwörungsfans
Der Bundesregierung wirft Schiffmann vor, sie wolle “am Ende einer Welle gegen eine Erkrankung impfen, die es faktisch nicht mehr gibt”. Das ist laut dem Arzt “Körperverletzung”.
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© Quelle: RND/Matthias Schwarzer
Schiffmann ist mit seinen Thesen auch in der Szene der Corona-Verschwörungstheoretiker überaus beliebt. So wurde er unter anderem von Ken Jebsen zum Interview geladen – einem ehemaligen Radiomoderator, der seit seinem Rauswurf beim RBB allerhand krude und teils antisemitische Theorien auf Youtube verbreitet. Schiffmanns Videos werden zum Teil Hunderttausende Male angesehen.
Was will der “Widerstand 2020”?
Zurzeit kursiert ein Entwurf eines Parteiprogramms in Diskussionsgruppen im Internet. Oberste Maxime sei, dass die Freiheit über allem stehen solle. Es könne nicht sein, “dass wichtige Grundrechte aberkannt werden und es keinerlei Kontrollgremien gibt für solch massive Beschränkungen”.
Die zentralen Forderungen sind voller Achtsamkeitsrhetorik. So heißt es: “Eine freiheitliche Gesellschaft ist nur vorstellbar, wenn Macht und Machtstrukturen begrenzt und kontrolliert sind und ein liebevoller, friedlicher Umgang miteinander gepflegt wird, bei dem das Menschsein und die Menschlichkeit des anderen immer Beachtung finden.”
Moral solle vor Politik stehen. Einwanderung wird befürwortet, allerdings solle darauf geachtet werden, dass Neuankömmlinge schnell Deutsch lernen. Auslandseinsätze der Bundeswehr werden abgelehnt.
Wie gefährlich ist die Gruppe?
Die Gründer Ludwig und Hamm kritisieren die “Systemparteien”, halten “die Konstrukte von Elitenherrschaft und partizipativer Demokratie für Auslaufmodelle” und plädieren für eine “Auflösung von bestehenden Machtstrukturen”.
Die “Leipziger Volkszeitung” fragte Ludwig, was er tun wolle, damit in der Partei nicht bald jene das Ruder übernehmen, die schon in den Widerstandsgruppen auf Facebook häufig den Ton angeben – Impfgegner, Verschwörungstheoretiker, Rechtsextreme? “Wenn bei uns sogenannte Impfgegner oder Verschwörungstheoretiker mitmachen, dann ist das ja nicht per se schlecht”, antwortet Ludwig. “Es geht doch erst mal darum, miteinander zu reden.”
Die Menschen sollen “eine Einheit werden”
Am Samstag standen Ludwig und Schiffmann am Rande der Großdemonstration in Stuttgart. Beide sind durch Videos bekannt geworden, in denen sie die Pandemie relativieren. Ludwig hat für den Stuttgarter Organisator Michael Ballweg beim Bundesverfassungsgericht durchgesetzt, dass in Baden-Württemberg wieder demonstriert werden darf; sie sind eng miteinander vernetzt. Schiffmann will “mehr Basisdemokratie” in Deutschland.
Der “Schwindelambulanz”-Chef redet über den Staat als Organismus: “Ein gesunder Organismus würde Viren und Bakterien selbst eliminieren, und das wollen wir mit dieser Partei erschaffen. Wir wollen eine Einheit werden.” Hinter seiner sanften süddeutschen Sprachmelodie steckt knallharte Ablehnung der pluralistischen Gesellschaft. Die Metapher vom “Volkskörper”, an die sich Schiffmann anlehnt, war ein zentraler Begriff der nationalsozialistischen Rassentheorie.
In diesem Video (ab Minute 2:24:00) sind Schiffmanns Aussagen dokumentiert.
Zurzeit werden die verschiedenen Infokanäle von “Widerstand 2020” eher zur Information über die nächsten Demonstrationen und zum Teilen von Videos, manchmal mit verschwörungsfantastischem Inhalt, genutzt.