Was nun, CDU? Der Machtkampf hinter den Kulissen

Machtkampf hinter Masken: Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet (von links) kandidieren für den CDU-Vorsitz.

Machtkampf hinter Masken: Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet (von links) kandidieren für den CDU-Vorsitz.

Berlin. Keine Spur von Friedrich Merz, kein Armin Laschet in Sicht, und auch Norbert Röttgen fehlt. Die Junge Union hat sich entschieden: Sie kommt ohne die drei CDU-Vorsitzkandidaten aus. Zumindest die Junge Union in Bayern, die sich am Wochenende an ihren Bildschirmen zur Landesversammlung zusammenschaltet. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hält eine Rede, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine weitere.

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Man wolle sich nicht einmischen in die Führungsdebatte der CDU, heißt es bei den bayerischen Nachwuchskonservativen. Formal ist das so. Aber diesen Hinweis gibt es schon auch noch vom Chef der Bayern-JU, Christian Doleschal: „Wir haben zwei der drei beliebtesten Politiker Deutschlands geladen.“

Weil die dritte, die beliebteste, Bundeskanzlerin Angela Merkel ist, heißt das nichts anderes als: Wenn Merkel kommendes Jahr das Kanzleramt verlässt, bleibt für die Union ein natürliches Traumduo zurück: Spahn und Söder.

Machtfrage in der CDU ist eine Blackbox

Aber die JU Bayern ist nicht die CDU, und Spahn und Söder stehen in der CDU nicht zur Wahl.

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Nach derzeitiger Planung heißt der neue CDU-Vorsitzende ab Mitte Januar Friedrich Merz, Armin Laschet oder Norbert Röttgen. Dann soll, nach zweimaliger Verschiebung wegen Corona, der Parteitag stattfinden. Bis zur Bundestagswahl sind es dann noch neun Monate.

Zurzeit ist die Machtfrage in der CDU eine Blackbox. Unter den Corona-Bedingungen fehlt auch den Parteifunktionären der ständige persönliche Austausch, durch den sie ein Gefühl bekommen, wohin der Wind sich dreht. Wenn man sich durch die CDU telefoniert, stößt man vor allem auf Ratlosigkeit.

"Viele sagen: Habt ihr keinen anderen?”, sagt ein CDU-Politiker aus Baden-Württemberg. „Keiner der drei euphorisiert“, sagt einer aus dem Osten. „Da ist kein richtiger Burner dabei“, formuliert es einer aus dem Westen. Und auch aus dem Norden kommt vor allem ein Signal: Wir wissen auch nicht weiter.

Merkel: Hätte mir mehr vorstellen können
BERLIN, GERMANY - NOVEMBER 16: German Chancellor Angela Merkel speaks to the media following a virtual meeting between Merkel and the leaders of Germany's 16 states during the second wave of the coronavirus pandemic on November 16, 2020 in Berlin, Germany. The meeting focused on assessing the nationwide four-week November semi-lockdown meant to rein in coronavirus infection rates that have reached record highs. (Photo by Andreas Gora -  Pool / Getty Images)

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich unzufrieden über die jüngsten Beratungen mit den Ministerpräsidenten der Länder in der Corona-Pandemie geäußert.

Laschet gilt in der CDU als „Vernunftwahl“

Der frühere Unionsfraktionschef Merz kann zwar an der Parteibasis Begeisterung auslösen. Als Kanzlerkandidat werden ihm aber nicht so große Chancen eingeräumt, zu sehr von gestern, nicht beliebt bei Frauen und jungen Leuten. Immer wieder gibt es Punkte, mit denen Merz auch das liberale Lager in der eigenen Partei nachhaltig verstört. Das Nein zur Frauenquote für Parteigremien, die der CDU-Vorstand bereits beschlossen hat, die Selbstinszenierung als Außenseiter, der Hinweis, er werde mit Donald Trump schon gut auskommen. „Merz ist in der Mitte der Gesellschaft nicht akzeptabel“, so formuliert es einer in der CDU. Die Befürchtung: Wenn Merz Parteichef und Kanzlerkandidat würde, übernimmt am Ende Olaf Scholz von der SPD das Kanzleramt, in einer Koalition mit Grünen und Linkspartei.

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Laschet wiederum, der joviale Ministerpräsident aus NRW, gilt auch unter seinen Befürwortern als „Vernunftwahl“. Einer, der die CDU wie Merkel anschlussfähig macht an die Grünen und Linken und Liberalen im Land. Aber seine bundesweiten Umfragewerte machen den Parteifreunden Sorge. Laschet regiert sich durch die Corona-Krise, muss hohe Infektionszahlen erklären und immer neue Einschränkungen verkünden, während der Streit um die Schulpolitik in Pandemiezeiten negativ in sein Kontor schlägt. „Läuft gut“, finden Laschets Leute dennoch. „Der Funke springt nicht über“, widersprechen manche, die ihn gerne wählen würden. Die Radikaleren in diesem Lager erklären: Man müsse Laschet überzeugen, zugunsten von Spahn zurückzuziehen. Der habe schließlich in der Krise an Statur gewonnen.

Auch Norbert Röttgen, der einst von Merkel geschasste Umweltminister und aktuell Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, ist ein Mann der Mitte. Er gibt den allgegenwärtigen Welterklärer im TV, macht Onlineschalten mit Kreisverbänden und flankiert das mit Homestorys und -fotos samt Hund Crissy. In der Bundestagsfraktion hat er Fürsprecher. Die Partei bleibt ihm gegenüber dennoch reserviert. Dass er im Kampf um den CDU-Vorsitz durchaus Achtungserfolge erzielt, erklärt ein Parteifreund etwas schmallippig mit dem Hinweis: „Der Norbert setzt auf Oppositionsrhetorik.“

Immer wieder fällt der Name Jens Spahn

Schon im Sommer haben manche den Wunsch nach einem weiteren Kandidaten formuliert. Jens Spahn solle noch antreten, forderten einige CDU-Abgeordnete. Die Idee: Spahn wird Parteichef und CSU-Chef Markus Söder Unionskanzlerkandidat. Spahn aber hatte sich im Frühjahr zu Beginn des Rennens dem Team Laschet angeschlossen. Er dementierte und eilte von seinem Urlaubsort am Tegernsee an Laschets Urlaubsort am Bodensee für einen demonstrativen gemeinsamen Spaziergang.

Aber der Wunsch nach Kandidat Nummer vier tröpfelt stetig weiter. In der Geschichte aber hat sich die CDU stets als eine rationale Partei erwiesen, die zum Kanzlerkandidaten kürt, wem auch zugetraut wird, die Zentrale der Macht zu erobern.

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Immer wieder fällt der Name Spahn. Ein wenig kurios ist das schon: Spahn, der lange eher das konservative Lager bedient hat, gilt manchen im liberalen Lager nun offenbar als verbindender Hoffnungsträger – als einer, der auch Merz-Anhänger für sich gewinnen könnte, die mit dem liberalen Laschet vielleicht eher ihre Schwierigkeiten hätten.

Die Euphorie, die Merz’ Kandidatur 2018 begleitete, ist längst verflogen. Sein Wutausbruch vor wenigen Wochen, als es bei der Parteitagsterminierung nicht so lief, wie er sich das gedacht hatte, habe seine Chancen nicht verbessert, heißt es unisono in der Partei. Merz wetterte gegen das „Partei-Establishment“, das sich gegen ihn verschworen habe, und fand sogar Whatsapp-Gruppen, in denen sich Unterstützer anderer Kandidaten abstimmen, plötzlich undemokratisch.

Ob der Parteitag im Januar stattfindet, ist unklar

„Er schmeißt mit Förmchen“, sagt einer, den man eher seinem als Laschets Lager zuordnen kann. Merz sagt: „In jeder Familie gibt’s mal ordentlich Krach.“

Dass Spahn sich nicht einfach selbst nach vorn schieben kann, gilt als eindeutig. Er würde als Verräter dastehen und wäre damit doch wieder chancenlos, heißt es. „Es kann nur eine Lösung geben, bei der Armin Laschet mitmacht.“ Oder auch: „Spahn muss sich rufen lassen.“ Aber ruft da schon einer?

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Einzelne Abgeordnete sind vorgeprescht, ausgerechnet aus Baden-Württemberg, wo eigentlich Merz seine größte Basis sieht. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster gehört dazu und der Finanzpolitiker Olaf Gutting. Öffentlich sind es nicht viel mehr geworden, aber natürlich wäre es auch geschickter, solche Dinge etwas verschwiegener einzufädeln. Die Gräben in der CDU sind schließlich schon tief genug. „Die einen finden, die Merz-CDU sei nicht mehr ihre, die anderen können sich eine Laschet-CDU nicht vorstellen“, schildert ein Vorstandsmitglied das Dilemma.

Ob der Parteitag wirklich im Januar stattfinden kann, ist auch noch nicht klar. Noch sind die rechtlichen Voraussetzungen für eine digitale Abstimmung umstritten – keine gute Voraussetzung für einen politischen Machtkampf, in dem eine Vorentscheidung fallen soll, wer der nächste Kanzler der Republik werden könnte.

In der neuesten Umfrage liegt erneut Söder vorn

In der Frage der Kanzlerkandidatur hat wiederum Söder die besten Umfragewerte, und in der CSU, zu deren Erfolgsstrategie es bisher gehörte, sich gegen Berlin und die Bundespolitik anstänkern zu können, wird bereits an einer neuen Erzählung gefeilt. Söder hat auf Kooperation geschaltet, er lästert auch kaum mehr über Berlin, und das nicht nur, weil der neue Flughafen mittlerweile eröffnet ist. Die CSU müsse den Anspruch haben, nicht nur „nörgelnde Provinzpartei“ zu sein, heißt es in der Partei. „Wir können zeigen, dass wir auf allen Ebenen Verantwortung übernehmen.“

Der bayerische JU-Vorsitzende Doleschal sieht es so: „Im Frühjahr müssen sich CDU- und CSU-Vorsitzender tief in die Augen schauen und sich für den Kandidaten entscheiden, der bei der Bundestagswahl die besseren Chancen hat“, sagte er dem RND. „Ich erwarte von jedem, dass er nicht die persönliche Karriere in den Mittelpunkt stellt. Die richtige Reihenfolge ist: Vaterland, Partei, Person.“ Und er fügt hinzu: „Ich setze auf kollektive Intelligenz.“ In der neuesten Umfrage liegt erneut Söder vorn.

Einer aus der CDU seufzt halb im Spaß, halb hoffnungsvoll: „Vielleicht gibt Angela Merkel noch einen Hinweis, was sie für klug hält.“ Die Kanzlerin allerdings hat deutlich gemacht, dass sie sich in die Nachfolgefrage nicht einmischen will.

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