Warum Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer jetzt ihre Autokennzeichen wechseln müssen
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Ukrainische Pkw müssen in Deutschland nach einem Jahr Aufenthalt umgemeldet und mit deutschen Kennzeichen ausgestattet werden.
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa/dpa-tmn
Berlin. Als vor einem Jahr Russlands brutaler Angriffskrieg auf die Ukraine begann, flüchteten Hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer mit dem eigenen Auto in die EU. In Deutschland bestand für sie ein Jahr lang keine Pflicht, das Auto hierzulande anzumelden zu müssen. Diese Ausnahmeregelung läuft jetzt für die ersten Betroffenen aus, was für diese nicht nur mit Kosten, etwa für ein Vollgutachten nach deutschen Betriebsvorschriften und neue Kennzeichen verbunden ist, sondern auch eine „hohe Symbolkraft“ hat, wie der Linken-Politiker Jan Korte meint.
„Mit der Abgabe ihres ukrainischen Nummernschilds geht auch ein Stück der Hoffnung verloren, bald nach Hause zurückkehren zu können“, sagte Korte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und fügte hinzu: „Wir meinen deshalb, dass es andere Wege geben muss, die Sicherheit von ukrainischen Fahrzeugen auf deutschen Straßen zu gewährleisten.“ Er hat dazu eine Anfrage an das Bundesverkehrsministerium (BMDV) gestellt und vorgeschlagen, ob nicht eine „verpflichtende Hauptuntersuchung“ (TÜV) sowie ein Abgastest genügen würden.
Verkehrsministerium prüft die rechtlichen Möglichkeiten
Ähnlich sieht man es beim Deutsch-Ukrainischen Forum e.V.: „Wenn Flüchtlinge aus der Ukraine jetzt gezwungen sind, ihre Fahrzeuge in Deutschland zuzulassen, ist das nicht nur ein großer bürokratischer Aufwand. Es stellt sie unnötig und unbeabsichtigt auch vor eine Gewissenfrage, sich zwischen der Ukraine und Deutschland entscheiden zu müssen“, sagte Geschäftsführer Gerald Praschl dem RND. Praschl fügte hinzu, man sollte das mit einer Übergangsregelung vermeiden. „Ukrainer, die bei uns als Flüchtlinge leben, sollten solange ihr Kennzeichen behalten können, wie sie den Flüchtlingsstatus haben.“
Das BMVD teilte auf Kortes Anfrage mit, man prüfe derzeit „die rechtlichen Möglichkeiten, mit denen man dem fortbestehenden Schutzbedürfnis der Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit dem Pkw in Deutschland eingereist sind, gerecht werden kann.“ Korte kritisiert, das Verkehrsministerium habe „hier offenbar geschlafen“. Besser wäre es gewesen, so Korte, wenn Minister Volker Wissing (FDP) schon viel früher gehandelt hätte, denn die ersten Fristen würden jetzt auslaufen.
Wie viele Autos mit ukrainischen Kennzeichen derzeit auf deutschen Straßen überhaupt unterwegs sind, ist unklar. Schätzungen gehen von Zehntausenden aus. Weder das Bundesamt für Migration, noch das Kraftfahrbundesamt noch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) konnten auf RND-Anfrage dazu Auskunft geben.
Kaum Unfälle mit unversicherten ukrainischen Autos
Allerdings teilte der GDV mit, dass seit Kriegsbeginn durch ukrainische Versicherer europaweit rund eine Million Grüne Versicherungskarten für ukrainische Autos ausgegeben worden sind. Daraus lässt sich ableiten, dass etwa eben so viele Autos die Ukraine Richtung EU verlassen haben.
Der GDV hat 2021 „kaum Unfälle mit unversicherten ukrainischen Autos registriert“, heißt es in einer Mitteilung. Zwischen Anfang Juni und Mitte Oktober kam es bundesweit zu 107 solcher Unfälle, das seien im Schnitt 23 pro Monat gewesen. Zum Vergleich: Die deutschen Kfz-Haftpflichtversicherer haben 2021 laut GDV über 3,3 Millionen Schadenfälle reguliert, durchschnittlich rund 275.000 im Monat oder mehr als 9000 am Tag.
Wer in Deutschland von einem unversicherten ukrainischen Auto geschädigt wird, habe dadurch keinen Nachteil. Für die Entschädigung sei die Verkehrsopferhilfe zuständig, eine Einrichtung der deutschen Kfz-Haftpflichtversicherer, hieß es weiter.