Warum Nawalny Putin so gefährlich werden kann
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Alexej Nawalny, Oppositionspolitiker und Kremlkritiker, macht ein V-Zeichen, während er in Handschellen von einem Polizeibeamten vor der 2. Abteilung der Direktion des russischen Innenministeriums von Chimki eskortiert wird.
© Quelle: Sergei Bobylev/TASS/dpa
Berlin. Viele Jahre hat Russlands Präsident Wladimir Putin nicht nur sein Reich kontrolliert, sondern auch die Bilder, und über die Bilder die Menschen. Es waren Bilder eines starken Mannes. Putin mit freiem Oberkörper, Putin zu Pferde, Putin mit Tiger, Putin in Uniform. Putin, Putin, Putin. Doch es waren Bilder für die alten Medien, und es sind Bilder eines alternden Mannes. Putin ist 68 Jahre alt. Er war Geheimdienstler und ist es geblieben. Wenn er jemandem vertraut, dann anderen Geheimdienstlern.
Nun hat er einen Gegner gefunden, der andere Bilder produziert, in anderen Medien: Alexej Nawalny, 44, hat knapp sechs Millionen Abonnenten auf Youtube, 3,6 Millionen auf Instagram, 2,4 Millionen auf Twitter. Sein Video über „Putins Palast“ bekam in drei Tagen 60 Millionen Aufrufe.
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Wladimir Putin, Präsident von Russland, badet bei einer traditionellen Feier zum Dreikönigstag in Eiswasser.
© Quelle: Uncredited/Pool Kremlin Press Se
Nawalny ist der größte Influencer-Dissident des Social-Media-Zeitalters. Wie man mit so einem umgeht, steht in keinem KGB-Handbuch. Mit einem, der Telefonstreiche spielt bei den Agenten, die ihn umbringen wollten, und so in eigener Sache ermittelt. Einer, der begleitet von Dutzenden Kameras aus dem Exil zurückkehrt, direkt in seine Verhaftung fliegt, und Putin als Gefangener in Moskau viel gefährlicher sein kann denn als freier Mann in Berlin.
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Das Bild aus einem vom russischen Oppositionellen Alexej Nawalny produzierten Youtube-Video zeigt eine Drohnenansicht eines Anwesens an der Schwarzmeerküste. Der Putin-Gegner zeichnet in dem knapp zweistündigen Film anhand von Dokumenten die verschleierten Besitzverhältnisse zu dem größten Privatanwesen in Russland nach. Der Kreml bezeichnet die neuen Recherchen Nawalnys zu einem Riesenpalast des Präsidenten Wladimir Putin als «Unsinn».
© Quelle: Uncredited/Navalny Life/dpa
Nawalnys Medienmaschine läuft rund, mit bestem Timing und unter größtem Einsatz. Erst Rückkehr und Verhaftung, dann die Veröffentlichung des Videos über Putins Palast, dann Aufrufe zu russlandweiten Demonstrationen,der am Samstag Zehntausende Anhänger folgten. So einer spielt nach eigenen Regeln, nicht nach Putins.
Fast 3300 Festnahmen bei Nawalny-Demos in Russland
Der 44-jährige Regierungskritiker Nawalny sitzt in 30-tägiger Haft, weil er gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben soll.
© Quelle: Reuters
Dass Nawalny der Kreml-Herrschaft gefährlich werden könnte, glaubt noch keiner. Und Demonstrationen sind in Russland, im Winter, in der Pandemie schnell niedergeschlagen, wie das Regime am Samstag mit aller Brutalität demonstrierte. Hunderte wurden festgenommen, darunter auch Minderjährige und Nawalnys Ehefrau.
Doch Nawalny hat Zeit – fraglich ist nur, ob er sie in Freiheit oder hinter Gittern verbringen wird. So oder so bleibt er eine Gefahr für Putin. Er nimmt ihm die Bilder weg. Und dann bleibt Putins und seinem engen Zirkel aus Veteranen Sicherheitsdienste nur noch eines: Härte wie in Belarus. Auch dort hat Putins langjähriger Vertrauter Lukaschenko den Kampf um die Bilder längst verloren, an die Macht wird er sich noch lange klammern.