Warum die Wiederholungswahl in Berlin nichts ändern wird
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Will weitermachen: Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) beim Wahlkampfauftakt der SPD für die Wiederholung der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. In den letzten Umfragen lagen SPD, CDU und Grüne nah beieinander.
© Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa
Liebe Leserin, lieber Leser,
Berlin gilt ja als eine der coolsten Metropolen der Welt. Es gibt immer wieder Momente, in denen ich das nachvollziehen kann. Zum Beispiel, wenn ich morgens von der S‑Bahn kommend an der Spree entlanglaufe Richtung Reichstagsgebäude – dann gerät die große Glaskuppel in meinen Blick, und ich freue mich immer wieder über die friedliche Wiedervereinigung dieser Stadt. Zurzeit laufe ich morgens aber gar nicht an der Spree entlang. Der S‑Bahn-Tunnel ist gesperrt; die Ausweich-U‑Bahn-Linie ebenfalls. Der Schienenersatzverkehr in Form von großen gelben Gelenkbussen steht im Stau vor den unfassbar vielen Baustellen.
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Von Nord nach Süd geht nichts mehr: Der für den Berliner ÖPNV wichtige S‑Bahn-Tunnel ist für Wochen gesperrt und sorgt für ein zeitraubendes Verkehrschaos. Grund für die Sperrung sind Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten.
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Das ist alles typisch Berlin, und ich habe mir längst abgewöhnt, mich darüber aufzuregen. Eigentlich sollte man meinen, dass der Senat angesichts des nahenden Wahltermins am 12. Februar den Versuch unternimmt, seine Bürgerinnen und Bürger mit ein paar Dingen bei Laune zu halten, die einfach mal funktionieren. Aber wenn das so einfach wäre, müsste ja auch diese Wahl nicht wiederholt werden. Sie erinnern sich an den 26. September 2021, als in Berlin Bundestagswahl, Abgeordnetenhauswahl, Volksabstimmung und Marathon parallel liefen und Tausende Bürgerinnen und Bürger wegen des organisatorischen Chaos ihre Stimme nicht abgeben konnten. Hinterher hat man übrigens herausgefunden, dass eigentlich niemand direkt daran schuld war. Es gab und gibt keine Verantwortlichen. Und das ist Teil des Problems in Berlin.
Eine Wahl, die vielleicht gar nicht gilt
Man kann davon ausgehen, dass sich auch nach dem 12. Februar in dieser Stadt nichts grundlegend ändern wird. Und die CSU in Bayern die Hauptstadt als Lieblingsfeind behalten kann, dem man schon mal mit dem Entzug des Geldes aus dem Länderfinanzausgleich droht. Zumal auch noch nicht ganz sicher ist, dass die Wiederholungswahl Bestand haben wird. Das Bundesverfassungsgericht hat die per Briefwahl bereits laufende Abstimmung erst einmal durchgewinkt. In der Hauptsache, also in der Frage, ob eine vollständige Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl überhaupt angemessen ist, wird erst nach dem 12. Februar entschieden.
Berlin-Wahl darf am 12. Februar stattfinden
In knapp zwei Wochen soll die pannenreiche Berlin-Wahl von 2021 komplett wiederholt werden.
© Quelle: dpa
Die Seifenoper findet also eine Fortsetzung – möglicherweise unter einer völlig neuen Landesregierung. Seit Wochen sehen die Umfrageinstitute ein Kopf-an-Kopf-Rennen von drei Wettbewerbern: SPD, Grüne und CDU. Im Januar hatte beim Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap zuletzt die CDU die Nase vorne (23 Prozent), gefolgt von den Grünen (21) und dann erst die SPD mit 18 Prozent. Dazu lächelt Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) stoisch auf ihren Wahlplakaten, auf denen sie mit dem 29‑Euro-Ticket für sich und den oben beschriebenen Nahverkehr wirbt.
Berlin als kleine Bananenrepublik
Giffey kann übrigens nicht nachvollziehen, warum ihre Stadt bundesweit ständig als Failed State, also als eine Art kleine Bananenrepublik, wahrgenommen wird. Ein wenig mehr Problembewusstsein der Regierenden wäre angesichts der Dysfunktionalität der Ämter in Berlin allerdings angebracht. Die Langsamkeit der Behörden aller Art ist empörend. Wer beispielsweise in Berlin heiraten möchte, muss sich bei der Jagd nach einem Termin immer wieder vor den Computer setzen und versuchen, irgendeinen Tag zu ergattern – wie ehedem bei den Terminen für eine Corona-Impfung, als der Impfstoff gerade frisch auf dem Markt war.
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Franziska Giffey findet die Leistungen ihres Senats super. Die Hauptstadt-FDP verspricht dagegen, alles anders zu machen - besonders in der viel gescholtenen Berliner Verwaltung.
© Quelle: IMAGO/Stefan Zeitz
Wer stirbt, den ficht die schlecht organisierte Metropole nicht mehr an. Die Hinterbliebenen aber müssen nicht nur ihre Trauer bewältigen, sondern auch die bürokratischen Hürden. Aktuell kann es passieren, dass eine Leiche wochenlang im Kühlhaus bleiben muss, bis ein Beerdigungstermin frei wird. Das ist makaber und teuer. Die Rechnung zahlen die Angehörigen.
Nun ist es nicht ausgeschlossen, dass Berlin künftig nicht mehr federführend von der SPD regiert wird. Die Sozialdemokraten besetzen in Berlin seit 2001 ununterbrochen den Chefsessel im Roten Rathaus. Die Berlinerinnen und Berliner könnten also auf die Idee kommen, es einfach mal mit CDU oder Grünen an der Spitze zu probieren. Es steht allerdings zu befürchten, dass es den Ämtern in Berlin egal ist, wer unter ihnen Chef ist.
Bittere Wahrheit
„Wir schließen ständig etwas aus, das wir dann am Ende doch bereit sind zu tun. Das macht uns unglaubwürdig.“
Christoph Heusgen,
Chef der Münchner Sicherheitskonferenz
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Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und frühere Merkel-Berater Christoph Heusgen.
© Quelle: Jörg Carstensen/dpa
Der frühere Berater von Ex-Kanzlerin Angela Merkel und heutige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, warnt in der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine davor, rote Linien zu ziehen. Bei den Schützen- und Kampfpanzern musste das Nein jedenfalls in ein „Jetzt doch“ verwandelt werden. Für die handelnden Politiker und Politikerinnen ist schon die Kommunikation ein Balanceakt. Sowohl das Ausschließen von Lieferungen bestimmter Waffen wie auch das Nichtausschließen solcher Lieferungen haben eine große Tragweite. Welche Strategie der Westen gegenüber dem Aggressor Russland fahren soll, wird auch ab dem 17. Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Mittelpunkt der Beratungen stehen. Dort treffen sich jedes Jahr die wichtigsten Verteidigungs- und Außenpolitikexperten sowie Militärstrategen der Welt.
Wie Demoskopen auf die Lage schauen
So viel Kritik Bundeskanzler Olaf Scholz für seine Zurückhaltung bei der Lieferung der Kampfpanzer an die Ukraine im Ausland, in der eigenen Koalition und in den Medien auch erhalten hat, die Bevölkerung steht mehrheitlich auf seiner Seite, wie das Meinungsforschungsinstitut Forsa ermittelt hat. Demnach finden es 73 Prozent der Bürgerinnen und Bürger richtig, dass der Kanzler erst nach Abstimmung mit anderen Nato-Partnern eine Entscheidung über die Lieferung der Leoparden getroffen hat. Die Zustimmung zum Agieren des Kanzlers gibt auch seiner Partei, der SPD, leichten Wind unter die Flügel. Der aktuellen Sonntagsfrage zufolge liegen die Sozialdemokraten jetzt wieder vor den Grünen. Der Abstand zur Union hat sich verkleinert.
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© Quelle: Forsa
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Das Autorenteam dieses Newsletters meldet sich am Dienstag wieder. Dann berichtet mein Kollege Markus Decker. Bis dahin!
Herzlichst
Ihre Eva Quadbeck
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