Wahlrechtsreform: FDP, Grüne und Linke klagen in Karlsruhe
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/JR4N6UBQ7NDVJJ4QBTMB2I5N6Q.jpeg)
Der Plenarsaal des Bundestages ist immer gleich groß. Die Zahl der Sitze ist von Wahl zu Wahl unterschiedlich.
© Quelle: Wolfgang Kumm/dpa
Berlin. FDP, Grüne und Linke haben gegen die Wahlrechtsreform der großen Koalition Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht und dies mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung verbunden. Das teilten die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen von Grünen und FDP, Britta Haßelmann und Marco Buschmann, sowie der rechtspolitische Sprecher der Linken-Fraktion, Friedrich Straetmanns, am Montag in Berlin mit. Prozessbevollmächtigte ist die Professorin Sophie Schönberger.
Alle vier kritisierten, dass die angestrebte Verkleinerung des Bundestages nicht erreicht werde. Ein immer weiter wucherndes Parlament könne aber nicht mehr so gut arbeiten und verliere daher an Akzeptanz, sagte Buschmann. Es gehe somit auch darum, das Ansehen des Bundestages zu verteidigen.
Haßelmann monierte, dass es für drei Überhangmandate keine Ausgleichsmandate geben solle. Dies nutze allein CDU und CSU und verstoße damit gegen das Verbot der Chancengleichheit. Straetmanns sagte, die Stimmen von Unionswählern seien dadurch erheblich mehr wert. Im Übrigen bemängelten sowohl die drei Politiker als auch die Professorin, dass die Reform nicht ausreichend präzise sei. So könnten je nach Auslegung des neuen Wahlrechts ganz unterschiedliche Mandatsverteilungen herauskommen.
Haßelmann: „Armutszeugnis“
Haßelmann sprach von einem „absoluten Armutszeugnis“ der großen Koalition. So habe man im Bundestag nun über sieben Jahre lang um eine Reform gerungen. Heraus gekommen sei ein „grottenschlechtes Gesetz“, das einerseits verfassungswidrig sei und anderseits noch nicht einmal das Ziel einer Verkleinerung des Bundestages erreiche. Buschmann erkannte auf „Flickschusterei“. Zwar wisse man um die Auslastung des Bundesverfassungsgerichts, hieß es. Allerdings sei eine Entscheidung der Karlsruher Richter schon deshalb unausweichlich, weil die Interpretation des Wahlergebnisses nicht dem Bundeswahlleiter obliegen könne.
Die Reform sieht vor, dass es bei der Wahl im Herbst bei der Zahl von 299 Wahlkreisen bleibt. Überhangmandate einer Partei sollen teilweise mit ihren Listenmandaten verrechnet werden. Beim Überschreiten der Regelgröße des Bundestages von 598 Sitzen sollen bis zu drei Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert werden. Ziel ist es, den auf 709 Abgeordnete angewachsenen Bundestag wieder zu verkleinern. Dass dies mit der Reform gelingt, wird indes auch von Fachleuten bezweifelt. Am Montag war von einer Verringerung um nur zehn Mandate die Rede.
Eines der größten Parlamente weltweit
Der Bundestag ist eines der größten Parlamente der Welt. Er ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Das liegt am Wahlrecht – und am Bundesverfassungsgericht, das in einem Urteil 2013 den Ausgleich von Überhangmandaten durch Ausgleichsmandate verlangte. Die Erststimme legt den Vertreter des Wahlkreises fest, die Zweitstimme die Verteilung im Bundestag nach den Listen der Parteien.
Erzielt eine Partei mehr Direktmandate als ihr nach den Zweitstimmen zustehen, bekommt sie Überhangmandate. Damit das Verhältnis wieder stimmt, bekommen die anderen Ausgleichsmandate. 2013 gab es vier Überhang- und 29 Ausgleichsmandate. 2017 schon 46 und 65, also saßen 111 Abgeordnete mehr im Bundestag als eigentlich vorgesehen.
Ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts wollte am Montag keine Prognose darüber abgeben, wann mit einer Entscheidung des Gerichts über die Klage zu rechnen sei. Schönberger zufolge könnte ein Urteil auch noch kurz vor der Wahl erfolgen. Denn das neue Wahlrecht betreffe nicht die Wahl an sich, sondern bloß die Auslegung des Resultats und die Mandatsverteilung.