Das haben die Parteien nach der Bundestagswahl mit Europa vor
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Europaflaggen wehen vor dem Sitz der EU-Kommission (Archivbild).
© Quelle: Zhang Cheng/XinHua/dpa
Berlin. Das europäische Projekt ist in Gefahr. Demokratiefeinde von innen bedrohen die Europäische Union ebenso wie autokratische Regierungen von außen. Die Antwort, die alle Parteien mit Ausnahme der AfD in ihren Wahlprogrammen auf dieses Problem geben, lautet: „Mehr Europa“. Doch wie das genau funktionieren soll, darüber gehen die Meinungen zum Teil stark auseinander.
CDU und CSU: Stabilitäts- und Wachstumspakt soll wieder in Kraft treten
In der EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik machen CDU und CSU eine klare Ansage: Die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts in der EU, die seit Beginn der Corona-Pandemie ausgesetzt sind, sollen so schnell wie möglich wieder in Kraft treten.
Die gemeinsame Schuldenaufnahme, auf die sich die EU im vergangenen Jahr erstmals in ihrer Geschichte geeinigt hat, soll eine einmalige Angelegenheit bleiben. „Sie ist kein Einstieg in eine Schuldenunion – und darf es nie werden. Jeder Mitgliedsstaat haftet für seine eigenen Schulden“, heißt es im Wahlprogramm.
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Europa müsse sich vielmehr besser auf Finanz- und Wirtschaftskrisen vorbereiten. Als letzten Ausweg schlägt die Union sogar Insolvenzverfahren für Staaten vor. Weil in Deutschland jeder vierte Arbeitsplatz vom Export abhänge, wollen CDU und CSU die Welthandelsorganisation WTO stärken. Die Verhandlungen mit den USA über ein Freihandelsabkommen sollen so rasch wie möglich wieder aufgenommen werden.
SPD fordert Nachhaltigkeitspakt
Die SPD dagegen will den Wachstums- und Stabilitätspakt zu einem sogenannten Nachhaltigkeitspakt machen. „Statt einer Rückkehr zur Kürzungspolitik der Vergangenheit bleiben wir bei der in der Corona-Krise begonnenen gemeinsamen Investitionspolitik Europas“, schreiben die Sozialdemokraten. Das Ziel: eine echte Fiskal, Wirtschafts- und Sozialunion. Einnahmen aus der Besteuerung von Tech-Giganten wie Google und Facebook will die SPD der EU zukommen lassen.
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In Steuerfragen will die SPD Mehrheitsentscheidungen auf EU-Ebene durchsetzen. Bislang müssen in diesen Angelegenheiten alle EU-Staaten zustimmen. Es soll europäische Mindestlöhne geben und eine Arbeitslosenrückversicherung. Als Konsequenz aus der Pandemie soll eine „souveräne europäische Gesundheitsunion“ mit gemeinsamen Mindeststandards geschaffen werden. Es brauche krisenfeste europäische Gesundheitsbehörden mit weitreichenden Kompetenzen und Ressourcen, um auf grenzüberschreitende Gefahren für die Gesundheit reagieren zu können.
Grüne wollen Europaparlament stärken
Die Grünen wollen die Rolle des Europaparlaments deutlich stärken. Es soll zum zentralen Ort aller europäischen Entscheidungen werden und das Recht erhalten, eigene Gesetzesvorschläge zu machen. Die Euro-Rettungsschirme sollen in einen Europäischen Währungsfonds umgewandelt werden, den das Europaparlament kontrolliert.
Forsa-Umfrage: Baerbock und Grüne verlieren an Zustimmung
Die Grünen sind laut Forsa-Umfrage für das RTL/ntv-Trendbarometer zum ersten Mal seit Anfang März wieder unter die 20-Prozent-Marke gefallen.
© Quelle: dpa
In Deutschland lebende Bürgerinnen und Bürger aus anderen EU-Staaten sollen künftig an Landtagswahlen teilnehmen dürfen. Die Grünen wollen im EU-Haushalt einen Zukunftsfonds einrichten. Mit öffentlichen Investitionen sollen der ökologische und klimafreundliche Umbau der EU gelingen, Mitgliedsstaaten in Notsituationen unterstützt und Wirtschaftskrisen bekämpft werden. Aus dem Fonds dürfen sich allerdings nur EU-Staaten bedienen, die sich verpflichten, gegen Steuerdumping und Steuerhinterziehung vorzugehen.
Um die Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, schlagen die Grünen vor: „In der EU soll jeder junge Mensch spätestens vier Monate nach dem Schulabschluss einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bekommen.“ Zu ihrem 18. Geburtstag sollen Europäerinnen und Europäer ein kostenloses Interrail-Ticket erhalten. Auch will die Partei einen „europäischen Nachrichten- und Bildungssender“ einrichten.
FDP setzen sich für Europäische Verfassung ein
Die Liberalen wollen die EU als Ganzes reformieren. Sie plädieren für eine Europäische Verfassung, über deren Einführung die Europäerinnen und Europäer abstimmen sollen. Damit werde die Grundlage für einen „föderalen und dezentral verfassten europäischen Bundesstaat“ geschaffen, schreibt die Partei in ihrem Programm. Das sei das Gegenmodell „zum Rückfall Europas in nationalstaatliche Kleinstaaterei einerseits oder die Schaffung eines zentralisierten europäischen Superstaats andererseits“.
Die Idee eines Bundesstaats ist stark umstritten. Bis zur Lösung dieses Streits schlägt die FDP vor, die europäische Integration mit einem „Europa der verschiedenen Geschwindigkeit“ zu vertiefen. Auch das Wahlsystem in Europa will die FDP mit länderübergreifenden Wahllisten verändern. EU-Kommissionspräsident soll nur noch werden können, wer Spitzenkandidat einer Partei bei der Wahl war.
Die Zahl der EU-Kommissare soll auf höchstens 18 beschränkt werden. Das Parlament soll nur noch an einem Ort tagen und diesen selbst festlegen. Bislang tagt das Europaparlament in Straßburg und in Brüssel. Die Fachminister aus den Mitgliedsstaaten sollen öffentlich tagen, um den komplexen EU-Betrieb transparenter zu machen.
Linke will EU für Enttäuschte wieder attraktiver machen
Auch die Linke spricht sich in ihrem Wahlprogramm für eine EU-Verfassung aus. Das soll die EU für jene Menschen wieder attraktiver machen, die sich in den letzten Jahren enttäuscht abgewandt hätten. In der EU müsse der Reichtum von oben nach unten verteilt werden, schreibt die Partei in ihrem Wahlprogramm.
Konkrete Forderungen sind ein EU-weiter Mindeststeuersatz für Unternehmen und gemeinsame Mindeststandards für die Besteuerung großer Vermögen. Banken, die in Steueroasen operieren, soll die Lizenz entzogen werden. Die Linke will eine Finanztransaktionssteuer erheben, die direkt in die Kasse der EU fließt.
Das Europaparlament soll künftig mehr zu sagen haben, wenn es um die Verteilung der Fördergelder geht. Bislang seien Teile des EU-Haushalts „versteckte Subventionen für Großkonzerne“, moniert die Linke und schreibt: Damit die EU eine Zukunft habe, müsse der „Investitionsstau im Sozialstaat, in der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt und beim Klimaschutz“ so schnell wie möglich beendet werden.
AfD spricht sich für EU-Austritt von Deutschland aus
Im Wahlprogramm der AfD ist von „Mehr Europa“ keine Rede. Im Gegenteil: Geht es nach der AfD, dann soll Deutschland aus der EU austreten. Zur Begründung schreibt die Partei, dass die EU in den letzten Jahren die „Transformation zum planwirtschaftlichen Superstaat vorangetrieben hat“. Der Euro als „Idee einer Einheitswährung für wirtschaftlich völlig unterschiedlich entwickelte Staaten ist gescheitert“, heißt es in dem AfD-Programm: „Mit der Einführung des sogenannten ‚Corona-Wiederaufbaupaktes‘ wurde die Transferunion in eine neue Dimension gehoben.“ Das werde den Abstieg aller europäischen Volkswirtschaften und Konflikte zwischen den Staaten zur Folge haben.
Die AfD will die EU zu einem „Europa der Vaterländer“ umwandeln. Sie spricht von einer Gemeinschaft souveräner Staaten, „die auf all jenen Gebieten zusammenarbeiten, die gemeinsam besser gestaltet werden können“. Dazu zähle insbesondere „ein freier Handel mit fairem Wettbewerb“.