Wähler strafen Macron ab – Le Pen triumphiert
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7.6.22. Der französische Präsident Emmanuel Macron: Bei den französischen Parlamentswahlen verfehlten die Präsidentenpartei und ihre Partner die absolute Mehrheit.
© Quelle: IMAGO/PanoramiC
Paris. Oft haben die Umfragen in Frankreich die Rechtsextremen im Vorfeld überschätzt – bei der gestrigen Parlamentswahl trat das genaue Gegenteil ein. Der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen triumphierte ebenso eindeutig wie überraschend. Bislang hatte die Partei nicht einmal eine Fraktion in der Nationalversammlung bilden können, für die mindestens 15 Abgeordnete nötig sind, da das Mehrheitswahlrecht die extremen Parteien benachteiligt. Nun erreichte der RN ersten Auszählungsergebnissen zufolge 89 Mandate – so viele wie nie zuvor.
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19.6.2022, Frankreich, Hénin-Beaumont: Marine Le Pen, Vorsitzende der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN), trifft in einem Wahllokal ein, um ihre Stimme für die zweite Phase der französischen Parlamentswahlen abzugeben. Die Französinnen und Franzosen wählen ein neues Parlament.
© Quelle: Denis Charlet/AFP/dpa
Auch die bisherige Parteichefin Le Pen, die den Vorsitz seit der Präsidentschaftswahl an ihren bisherigen Stellvertreter Jordan Bardella abgegeben hat, errang einen Sitz in ihrer nordfranzösischen Hochburg Hénin-Beaumont. „Wir werden eine harte, unnachgiebige Opposition sein“, versprach die 53‑Jährige noch am Abend. Offenbar kam die hohe Stimmenthaltung von 52 Prozent den Rechtsextremen entgegen. Viele Menschen hatten der Wahl mit Lustlosigkeit oder Gleichgültigkeit entgegengesehen.
Macron verliert absolute Mehrheit im französischen Parlament
Bei der zweiten Runde der Parlamentswahl hat Macrons Lager am Sonntag die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung klar verloren.
© Quelle: Reuters
Macron-Lager erringt „enttäuschenden ersten Platz“
Großer Verlierer ist hingegen das Lager von Emmanuel Macron – und nicht zuletzt der Präsident selbst. Die Allianz Ensemble! (Gemeinsam!), die seine Partei La République en marche (LREM) mit anderen liberalen Parteien geschlossen hatte, blieb zwar stärkste politische Kraft. Doch sie erhielt ersten Hochrechnungen zufolge nur 245 Mandate und verfehlte damit die absolute Mehrheit von mindestens 289 der 577 Sitze. Vor fünf Jahren war dies noch gelungen; seither aber verloren Macron und seine Partei viel Zustimmung in der Bevölkerung. Seine Wiederwahl zum Präsidenten im April war auch bedingt durch fehlende überzeugende Alternativen. „Wir haben schon bessere Abende erlebt“, räumte Regierungssprecherin Olivia Grégoire gestern ein. Ihr Lager habe einen „enttäuschenden ersten Platz, aber immerhin einen ersten Platz“ errungen.
Das Regieren dürfte künftig deutlich schwieriger werden, denn Macron wird von der Zustimmung oppositioneller Parteien abhängig sein, um Mehrheiten für seine Gesetze zu bekommen. Darüber hinaus ist er ohnehin auf seine Partner angewiesen, ohne die LREM nur 154 Sitze errungen hätte. Seit der Umgestaltung des Wahlkalenders 2002, durch den die Wahl des Parlamentes wenige Wochen auf jene des Präsidenten folgt, ist eine solche Konstellation nicht mehr vorgekommen.
Am wahrscheinlichsten ist, dass Macron, beispielsweise bei der Umsetzung der umstrittenen Rentenreform, Allianzen mit den konservativen Republikanern suchen wird. Diese holten rund 78 Sitze – das sind zwar weniger als bisher, aber sie sicherten nach dem enttäuschenden Ergebnis von 4,8 Prozent bei den Präsidentschaftswahlen doch ihre politische Zukunft.
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19.6.2022, Frankreich, Le Touquet: Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, wirft seinen Stimmzettel in eine Wahlurne, während seine Frau Brigitte Macron danebensteht. Die Französinnen und Franzosen wählen ein neues Parlament.
© Quelle: Michel Spingler/AP Pool/dpa
Das Linksbündnis Nupes, eine Abkürzung für „neue ökologische und soziale Volksunion“, konnte mit 149 Sitzen die eigenen hohen Erwartungen nicht erfüllen. Dieser neuartige Zusammenschluss der Linkspartei La France Insoumise („Das unbeugsame Frankreich“), der Sozialisten, Grünen und der Kommunisten hatte auf eine eigene absolute Mehrheit gehofft, um selbst den Premierminister zu stellen. Den Anspruch darauf hatte der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon erhoben – damit ist der 70‑Jährige gescheitert. Dennoch ist das Wahlergebnis für jede der vier Parteien ein Erfolg.
In den nächsten Tagen oder Wochen könnte eine geringfügige Regierungsumbildung anstehen – auch um möglichen Partnern entgegenzukommen. Insgesamt 15 Minister des neuen Kabinetts waren angetreten, um sich im Falle eines Wahlsiegs als Parlamentarier zwar vertreten zu lassen, aber doch mehr politisches Gewicht als gewählte Volksvertreter zu haben. Mehrere von ihnen hatten aber um einen Sieg und damit ihren Posten zu fürchten. Nicht gewählt wurden die Gesundheitsministerin Brigitte Bourguignon und die Ministerin für die ökologische Wende, Amélie de Montchalin. Regierungschefin Elisabeth Borne siegte in ihrem Wahlkreis in Nordfrankreich.
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