Nach langem Zögern: Griechenland will der Ukraine russische Raketen liefern
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Die Flugabwehrraketen S-300 aus russischer Produktion werden jetzt von Griechenland an die Ukraine geliefert. Hier eine Demonstration in Wladiwostock.
© Quelle: picture alliance/dpa/TASS
Athen. Seit Monaten wird diskutiert, ob Griechenland der Ukraine mit Luftabwehrraketen des russischen Typs S-300 aushelfen kann. Die griechischen Luftstreitkräfte verfügen über zwei Systeme dieser Bauart. Sie sind auf der Insel Kreta stationiert. Noch im Juni erklärte der griechische Verteidigungsminister, Griechenland könne die Raketen nicht entbehren: „Was wir selbst benötigen, was brauchbar und operativ einsatzbereit ist, wollen wir nicht abgeben.“ Griechenland sei „einer realen Bedrohung ausgesetzt“, sagte Minister Panagiotopoulos damals zur Begründung. Er meinte damit die benachbarte Türkei.
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Inzwischen gibt es einen Sinneswandel: „Wenn die USA ein Patriot-Luftabwehrsystem auf Kreta stationieren und dieses System in unser nationales Luftverteidigungssystem integriert ist, dann können die S-300 abgebaut werden“, sagte Panagiotopoulos jetzt bei der Weihnachtsfeier im Verteidigungsministerium. Genauso könne man auch mit anderen Luftabwehrwaffen russischer oder sowjetischer Herkunft verfahren, für die sich die Ukraine interessiere, sagte der Minister. Griechenland verfügt noch über Raketenbatterien des russischen Typs Tor M1 sowie ältere Osa-Flugabwehrraketen aus Beständen der ehemaligen DDR-Volksarmee. Die Systeme gelten als veraltet.
Die USA planen zwar, im kommenden Jahr die Ukraine mit modernen Patriot-Luftabwehrraketen auszurüsten. Trotzdem wären die älteren russischen Waffensysteme aus Beständen der griechischen Streitkräfte sehr willkommen, weil die ukrainischen Soldaten mit der Bedienung und Wartung der Systeme vertraut sind. Auch die Regierung in Athen möchte die russischen und sowjetischen Waffen gern durch moderne westliche Ausrüstung ersetzen.
Griechenland bekam die S-300 Ende der 1990er-Jahre auf Umwegen. Ursprünglich hatte die Regierung Zyperns die Luftabwehrsysteme bestellt. Die Türkei, die seit 1974 den Nordteil der Insel besetzt hält, protestierte und drohte mit einem Angriff auf die Raketenstellungen. Um die Krise zu entschärfen, willigte Zypern Ende 1998 ein, die S-300 auf Kreta zu lagern – vorläufig, wie es damals hieß. 2007 verkaufte Zypern die Raketen endgültig an Griechenland. 2020 erwog Griechenland, die russischen Raketen auf den neueren Standard PMU-2 zu modernisieren. Die USA meldeten aber Einspruch an, und Athen gab die Pläne auf.
Griechenland macht klugen Schachzug
Jetzt erhebt Russland Protest gegen die Weitergabe der S-300 an die Ukraine. In einer Erklärung des russischen Außenministeriums heißt es, man betrachte diese „provokativen Pläne“ als „feindseligen Akt“ gegenüber Russland. Griechenland ignoriere damit internationale Restriktionen für den Waffenhandel und mache sich zum „direkten Komplizen der Ukraine“.
Interessant ist, dass Griechenland nun zum Ausgleich für die Weitergabe der Raketen an die Ukraine nicht die Lieferung von Patriot-Systemen vorschlägt, sondern die Stationierung US-amerikanischer Patriot-Batterien auf Kreta. Das ist ein geschickter Schachzug. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan droht seit Wochen immer wieder mit Raketenangriffen auf Griechenland. Die Stationierung von Patriot-Systemen der US-Streitkräfte auf Kreta wäre ein zusätzlicher Abschreckungsfaktor.