Rüstungsbranche fordert ein Signal: Sind Waffengeschäfte nachhaltig?

Deutschlands Rüstungsbranche fordert die Einstufung ihrer Geschäfte als nachhaltig. (Symbolfoto)

Deutschlands Rüstungsbranche fordert die Einstufung ihrer Geschäfte als nachhaltig. (Symbolfoto)

Berlin . Nachhaltig kann vieles sein, ob Ökostrom nutzen oder Müll vermeiden. Und Waffengeschäfte? Wohl kaum, dürften die meisten Bundesbürger denken. Deutschlands Rüstungsbranche fordert aber genau das: die Einstufung ihrer Geschäfte als nachhaltig. Das sollte aus ihrer Sicht im Rahmen eines EU-Regelwerks geschehen, für das derzeit Vorarbeiten laufen: die sogenannte Sozialtaxonomie. Das Papier soll Leitplanken aufzeigen für nachhaltige Investments und damit Europas Wirtschaft auf Innovationen trimmen.

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Unlängst hatte die Umwelttaxonomie für Aufsehen gesorgt, hierin bewertete die EU-Kommission Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig. In den kommenden Jahren könnte mit der Sozialtaxonomie ein separates Regelwerk zur Nachhaltigkeit folgen - die EU-Kommission könnte dies 2023 oder 2024 beschließen.

Zu diesem angedachten Regelwerk bringt sich nun die Waffenbranche in Stellung. „Ohne unsere Rüstungsgüter gäbe es keine Sicherheit und keinen Frieden, dies sollte die EU bei der Erarbeitung neuer Vorgaben berücksichtigen“, argumentiert Hans Christoph Atzpodien vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Er sagt das vor dem Hintergrund finanzieller Unwägbarkeiten, mit denen Rüstungskonzerne konfrontiert sind: Banken werden zunehmend zurückhaltender bei Geschäften mit Waffenfirmen - deren Bitte um Bankgarantien, Kredite oder Währungsgeschäfte werde oft abgelehnt.

Das setzt einige Waffenschmieden und Zulieferer unter Druck. Denn wenn sie am Finanzmarkt schlechte Karten haben, könnten ihre Kosten steigen und ihre Wettbewerbsfähigkeit könnte sinken. Die EU-Sozialtaxonomie wäre aus Sicht der Rüstungsbranche eine gute Gelegenheit, um die finanziellen Perspektiven aufzuhellen. Mehrere Medien berichteten bereits über die Forderung der Waffenbranche.

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Ergebnis: Die Refinanzierung von H&K wird teurer

Eine Expertengruppe schreibt derzeit eine Art Empfehlung an die EU-Kommission. Es geht darum, inwiefern soziale Komponenten bei Geschäften positiv bewertet werden, etwa gute Arbeitsbedingungen oder insgesamt die Wahrung von Menschenrechten. Ist dies der Fall, würden besagte Geschäfte im Rahmen einer EU-Taxonomie als sozial nachhaltig bewertet - das wäre ein Signal an Fondsmanager und andere Investoren, solche Geschäftstätigkeiten zu unterstützen. Im allgemeinen Trend zur Nachhaltigkeit wäre das ein wichtiges Zeichen an den Finanzmarkt.

Zu der Branche gehören der Panzerfabrikant Rheinmetall, der Radarhersteller Hensoldt und die Gewehrfirma Heckler & Koch. Der Finanzchef von H&K, Björn Krönert, sagt, seine Firma habe gegenüber deutschen Banken einen schweren Stand, was Folgen für die laufende Umschuldung habe. „Weil die deutschen Banken und andere deutsche Finanzakteure auf Distanz gehen zu uns, müssen wir bei der Finanzierung den Blick ins europäische und außereuropäische Ausland richten - das kann doch nicht im Sinne der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik sein.“ Ergebnis: Die Refinanzierung von H&K wird teurer.

Ukraine-Konflikt: Mehrheit der Deutschen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine
HANDOUT - 17.01.2022, Ukraine, Kiew: Auf diesem Foto der Pressestelle des ukrainischen Außenministeriums nehmen Dmytro Kuleba (l), Außenminister der Ukraine, und Annalena Baerbock (r), Außenministerin von Deutschland, an Gesprächen in Kiew teil. Baerbock hat der Ukraine jede Art diplomatischer Unterstützung zur Lösung der Krise mit Russland zugesagt, Waffenlieferungen aber erneut abgelehnt. Foto: -/Ukrainian Foreign Ministry Press Office/AP/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

In einer Umfrage sagten 59 Prozent der Befragten, die Bundesregierung solle keine Waffen an die Ukraine liefern.

Einerseits betonten Politiker in Sonntagsreden, wie wichtig die heimische Rüstungsbranche sei, andererseits werde nichts getan, um ihr einen faire Zugang zu Finanzmärkten zu gewähren, moniert Krönert.

Von Rheinmetall heißt es, man sei zwar solide finanziert. Zwei Landesbanken kündigten aber die Geschäftsbeziehungen mit der Firma - das nennt Vorstandschef Armin Papperger enttäuschend. Unternehmen der Verteidigungsindustrie leisteten „einen wesentlichen Beitrag für die Sicherung von Frieden, Freiheit und Demokratie“. Wenn in den demokratischen Gesellschaften Europas niemand mehr bereit sei zur Finanzierung von Mitteln zum Schutz unserer Gesellschaften, „dann gerät diese Freiheit in Gefahr, und eine stärkere strategische Autonomie Europas wird unmöglich“, sagt der Vorstandsvorsitzende.

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Was sagen die Banken?

Ähnliches verlautet von Hensoldt. Sollte die Verteidigungsindustrie nicht als nachhaltiger Sektor eingestuft werden, würde dies notwendige private Investitionen verhindern, sagt ein Firmensprecher. Nachhaltigkeit müsse breiter gefasst werden, „damit die Entwicklung europäischer Technologien nicht vom Finanzmarkt abgeschnitten wird“. Hensoldt sehe derzeit zwar noch keine direkten Einschränkungen bei Bankgeschäften. Man sehe aber „das Risiko, hier künftig Nachteile zu erfahren“. Ein Airbus-Sprecher verweist auf heimische Zulieferer, die wegen der Bankenhaltung Schwierigkeiten bekämen. „Verschwinden diese Zulieferer vom Markt, wird es schwer werden, eine eigenständige Industrie in Europa zu halten.“

Und was sagen die Banken? Am klarsten ist die Haltung der Bayerischen Landesbank - die hat die Finanzierung von Rüstungsgütern für den Export ausgeschlossen. Bei der Landesbank Baden-Württemberg und der Deutschen Bank sind Geschäfte mit Waffenfirmen zwar grundsätzlich möglich, es gelten aber strenge Anforderungen.

Bei der Erarbeitung von Kriterien der Sozialtaxonomie kommt der Deutschen Antje Schneeweiß eine zentrale Rolle zu, sie ist Leiterin der von der EU-Kommission eingesetzten Expertengruppe und zudem Geschäftsführerin des Arbeitskreises Kirchlicher Investoren in der evangelischen Kirche in Deutschland. Ein Zwischenbericht dieser Beratergruppe vom vergangenen Sommer empfiehlt nur den Ausschluss der in der UN-Konvention geächteten Waffen wie zum Beispiel Streubomben. Solche Waffen stellen deutsche Firmen ohnehin nicht her, so eine Vorgabe betrifft sie also nicht. Wie aus dem Zwischenbericht hervorgeht, dürfen die deutschen Rüstungsfirmen mit einer neutralen Bewertung ihres Geschäfts rechnen.

Das sagt die Politik

Das aber reicht der Branche nicht. „Neutral würde uns gar nichts bringen, weil damit der Status quo einfach verlängert würde“, sagt Verbandsvertreter Atzpodien. „Dann würden die Banken weitermachen wie bisher - sie würden weiterhin einen Bogen machen um Rüstungsfirmen.“ Atzpodien fordert eine Einstufung als positiv im Sinne der Nachhaltigkeit. Das wiederum könnte zur Folge haben, dass Banken wieder offener wären gegenüber Geschäften mit den Rüstungsfirmen.

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Kirchenvertreterin Schneeweiß hält von einer Positiv-Einstufung aber wenig. „Dass Rüstungsfirmen es am Kapitalmarkt schwer haben, ist überhaupt kein Grund, sie in einer Sozialtaxonomie besserzustellen.“ Die Taxonomie solle Anlegern eine Richtschnur sein, was unter sozialen Gesichtspunkten nachhaltig sei. „Würde Rüstung positiv benannt, wäre die Taxonomie nicht glaubwürdig.“

Und was sagt die Politik? Aus den Fraktionen der Ampel-Koalition kommt keine Unterstützung für die Forderung der Waffenbranche. Und das Bundesfinanzministerium teilt nur mit, man könne zur Finanzierungssituation der Rüstungsindustrie keine Aussage treffen.

RND/dpa

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