Vorsitz des Innenausschusses: AfD-Kandidat fällt in Abstimmung durch
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Martin Hess spricht beim Parteitag der AfD Baden-Württemberg zu den Delegierten. (Archivbild)
© Quelle: Stefan Puchner/dpa
Berlin. Der Innenausschuss des Bundestages hat den von der AfD-Fraktion nominierten Martin Hess mit großer Mehrheit als Vorsitzenden abgelehnt. Das berichteten Teilnehmer der von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki geleiteten konstituierenden Sitzung des Ausschusses am Mittwoch.
Zuvor war – entgegen dem üblichen Verfahren – beschlossen worden, in geheimer Wahl über den Vorsitz des Ausschusses zu entscheiden. Der Innenausschuss beschäftigt sich mit Fragen der inneren Sicherheit, des Bevölkerungsschutzes und mit Asylpolitik. Der 50-jährige Hess kommt aus Baden-Württemberg und ist Polizist.
Die anderen Parteien hatten teilweise bereits angekündigt, Hess nicht zu wählen, weil die AfD damit in einem sicherheitsrelevanten Bereich eine zentrale Rolle bekommen würde. Die Ausschussvorsitzenden haben Einfluss auf die Tagesordnung der Sitzungen, weil sie für deren Vorbereitung, Einberufung und Leitung zuständig sind, und halten üblicherweise guten Kontakt zu den Sicherheitsbehörden, erhalten etwa Berichte und Informationen.
Eine geheime Wahl hatte es zuvor auch im Gesundheitsausschuss und im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit gegeben. Im Gesundheitsausschuss fiel der von der AfD-Fraktion für den Vorsitz nominierte Abgeordnete Jörg Schneider ebenso durch wie der AfD-Abgeordnete Dietmar Friedhoff im Entwicklungsausschuss.
AfD-Partei- und Co-Fraktionschef Tino Chrupalla sprach von einem „fatalen Signal“ für die demokratische Kultur und einer systematischen Ausgrenzungspolitik. „Wir haben es hier mit dem willkürlichen Bruch einer parlamentarischen Tradition zu tun.“ Co-Fraktionschefin Alice Weidel verwies auf „Millionen von Wählern“, die die AfD repräsentiere. „Das ist ein Bruch der demokratischen Teilhabe, die uns als Bundestagsfraktion zusteht.“
Martin Hess selbst schrieb auf seinem Twitter-Account: „Ich lasse mich durch die undemokratische Ablehnung als Innenausschuss-Vorsitzender nicht beeindrucken, sondern enthülle weiter die eklatanten Missstände im Bereich der Inneren Sicherheit und zeige mit Anträgen & Plenarreden, wie gute Sicherheitspolitik zum Wohl Deutschlands geht.“
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Union stimmte gegen Hess
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), bestätigte am Mittwoch, dass „auch die Unionsabgeordneten“ im Innenausschuss die Wahl von Hess abgelehnt hätten. Bei einem Abgeordneten, der politische Mitbewerber als „Altparteien“ bewusst herabsetze „und Union und Grüne als Unterstützer von Linksextremisten brandmarkt, ist das notwendige Vertrauensverhältnis nicht gegeben“, fügte er hinzu. Throm warf den Grünen und der FDP vor, sie hätten zugelassen, dass der Vorsitz in diesem sicherheitsrelevanten Ausschuss der AfD zugefallen sei.
Nach Angaben von Mitgliedern des Ausschusses stimmten sechs Abgeordnete für Hess, 40 gegen ihn. Von der AfD waren demnach fünf stimmberechtigte Abgeordnete im Saal.
Die Vorsitzendenposten in den Ausschüssen werden normalerweise nach einem bestimmten Mechanismus vergeben: Die größte Fraktion darf sich zuerst einen Ausschuss aussuchen, dann die zweitgrößte, die drittgrößte und so weiter. Das geht über mehrere Runden, bis die Vorsitze der Ausschüsse verteilt sind. Der größten Oppositionsfraktion – jetzt die CDU/CSU – steht traditionell der Vorsitz im Haushaltsausschuss zu. Vor der AfD waren in der ersten Runde noch SPD, Grüne und FDP am Zug, die allerdings andere Ausschüsse wählten. So kam die AfD ursprünglich zu Innen, Gesundheit und Entwicklung.
Abstimmung ist möglich, wenn Abgeordnete Widerspruch gegen die Berufung einlegen
Eine Abstimmung ist möglich, wenn Abgeordnete Widerspruch gegen die Berufung einlegen. So war es im Januar 2018 beispielsweise auch in der konstituierenden Sitzung des Rechtsausschusses. Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner erhielt damals in geheimer Wahl die notwendige Mehrheit.
Im November 2019 wurde Brandner allerdings wieder abberufen, nachdem ihm Abgeordnete anderer Fraktionen aufgrund von Äußerungen in sozialen Medien attestiert hatten, er habe weder menschlich noch politisch die notwendige Eignung für den Vorsitz. Bis zum Ende der Legislaturperiode hatte dagegen Peter Boehringer (AfD) den Haushaltsausschuss geleitet, der traditionell der stärksten Oppositionsfraktion zufällt.
Wenn die für den Vorsitz vorgeschlagene Person in einem Ausschuss nicht gewählt werde, so werde dies anschließend im Ältestenrat verhandelt, teilte die Bundestagsverwaltung auf Anfrage mit.
RND/dpa