Klimastreik: Wann Beschäftigte während der Arbeitszeit streiken dürfen - und wann nicht
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Der globale Klimastreik am Freitag findet in mehr als 2300 Städten und in 137 Staaten statt.
© Quelle: Georg Wendt/dpa
Berlin. Seit Monaten gehen Tausende Jugendliche freitags auf die Straße statt in die Schule, um die Politik zu mehr Klimaschutz anzutreiben. Sie widersetzen sich bewusst der gesetzlichen Schulpflicht, dafür gibt es auch Kritik. An diesem Freitag appelliert die Klimabewegung Fridays for Future nun erstmals auch an alle Erwachsenen, sich den gut 400 geplanten Protesten in ganz Deutschland anzuschließen. Damit steht ein Aufruf zum Generalstreik im Raum. Doch darf man dem Appell ungestraft folgen?
Worum geht es beim Klimastreik?
Die Protestbewegung Fridays for Future fordert von der Politik mehr Tempo und Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung. Im Blick haben die Aktivisten aktuell die Beratungen der Bundesregierung über ein Milliardenpaket zum Klimaschutz, aber auch den UN-Klimagipfel kommende Woche in New York. Für die globale Aktionswoche, die am Freitag beginnt, sind Proteste in mehr als 2300 Städten in 137 Staaten angekündigt. In Deutschland stehen gut 400 Aktionen an - und unter anderem Gewerkschaften rufen dazu auf, sich am Protest zu beteiligen.
Dürfen Arbeitnehmer für das Klima streiken?
Nein. "Der Aufruf zum Klimastreik bedeutet nicht, dass die Beschäftigten in Deutschland die Arbeit niederlegen dürfen", warnt die Rechtsschutz-Abteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Ein Streik im Sinne einer kollektiven Arbeitsniederlegung sei bei politischen Forderungen unzulässig. Denn "Der Arbeitgeber als Gegner der Tarifauseinandersetzung muss in der Lage sein, die Forderungen, zu erfüllen". Der Wunsch nach effektivem Klimaschutz richte sich jedoch gegen die Politik und sei damit keine zulässige Streikforderung.
Wann kann ich meinen Arbeitsplatz unbesorgt verlassen?
Unproblematisch ist es, wenn die Firma dazu ermuntert oder zumindest duldet, dass sich die Belegschaft am globalen Klimastreik beteiligt. So machen etwa die GLS-Bank und Naturstrom mit jeweils Hunderten Mitarbeitern extra am Freitag dicht. Auch der Düsseldorfer Oberbürgermeister hat seine Amtsleiter gebeten, den städtischen Mitarbeitern das Demonstrieren zu ermöglichen.
Müssen Beschäftigte dann protestieren?
Nein. Eine Regelung, nach der die gesamte Belegschaft an der Demonstration teilnimmt, wäre unwirksam, heißt es beim DGB-Rechtsschutz. In diesem Fall hätten Arbeitgeber und Betriebsrat zwar ein politisch ehrenwertes Ziel im Blick, sie würden aber hiermit die Grenzen des rechtlich Zulässigen sprengen, so die Experten.
Und wenn der Arbeitgeber nicht mitmacht?
Fein raus ist auch, wer Gleitzeitregelungen nutzt oder spontan Urlaub beziehungsweise einen freien Tag nimmt. Ver.di-Chef Frank Bsirske hat seine Mitglieder deshalb aufgerufen, am 20. September auszustempeln und sich an den "Fridays for Future"-Demonstrationen zu beteiligen.
Wer dagegen ohne Absprachen den Arbeitsplatz verlässt, riskiert eine Abmahnung. Noch riskanter ist es, dass Fernbleiben anzukündigen und dann für das Klima zu protestieren - ohne dass der Chef das Fernbleiben genehmigt hat. Dann riskieren Beschäftigte eine Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung, warnt der DGB-Rechtsschutz.
Auch wer sich krank meldet, könne sich durch die Teilnahme an Klimaprotesten in die Bredouille bringen. Dem DGB-Rechtsschutz zufolge könnte das eine Straftat zulasten des Arbeitgebers darstellen.
Aber Generalstreiks gibt es doch öfter?
Ja, aber nicht in Deutschland. Durchaus üblich sind sie vor allem in Griechenland, aber auch in Italien, Frankreich, Belgien und Spanien. Auslöser waren oft Sparprogramme der jeweiligen Regierungen, mit Einschnitten bei Löhnen, Jobs und Sozialleistungen. In Deutschland gab es zuletzt 1948 einen großen Generalstreik. Seitdem gab es nur vereinzelte politisch motivierte Arbeitsniederlegungen.
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Was sagen die Gewerkschaften?
Die Gewerkschaften halten sich an das Richterrecht und rufen daher grundsätzlich nicht zu politischen Streiks auf. Verdi-Chef Bsirske erläutert, warum: "Wenn wir zum Streik aufrufen würden, müssten wir damit rechnen, dass wir in Regress genommen werden von verschiedensten Arbeitgebern. Das würde uns in der Breite wahrscheinlich echt überfordern."
Dieses Recht auf Schadenersatz bestreikter Unternehmen geht wesentlich zurück auf das Engagement des 1968 gestorbenen Rechtsprofessors Hans Carl Nipperdey, insbesondere auf dessen Gutachten zu einem großen Zeitungsstreik 1952. Er war sehr stark in der nationalsozialistischen Rechtswissenschaft engagiert, wurde aber dennoch erster Präsident des Bundesarbeitsgerichts, wo er dann seine Auffassung zum Streikrecht in Urteilen durchsetzte. Bsirske sagt nun dazu: "Ob das auf Dauer Bestand haben wird, das bleibt mal sehr abzuwarten."
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Greta Thunberg trifft Barack Obama
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg hat sich mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama getroffen, um über aktuelle Ereignisse zu sprechen.
© Quelle: dpa
RND/dpa