Vor Homeofficegipfel: Ökonomen und Politiker fordern mehr Heimarbeit

Arbeit im Großraumbüro: Darf die Entscheidung über die Anwesenheitspflicht für Angestellte weiter beim Arbeitgeber liegen?

Arbeit im Großraumbüro: Darf die Entscheidung über die Anwesenheitspflicht für Angestellte weiter beim Arbeitgeber liegen?

Berlin. Heimarbeit ist angesagt, um die Pandemie einzudämmen. Zumindest aus Sicht von Politikern und Wirtschaftsforschern. Doch viele Unternehmen zögern. An diesem Dienstag will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) es noch einmal im Guten versuchen und auf einem Homeoffice-Gipfel an Personalvorstände großer Firmen appellieren, mehr Arbeiten von daheim aus zu ermöglichen. Doch auch härtere Maßnahmen, wie ein Lockdown für Unternehmen, sind bereits in der Diskussion.

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„Wir müssen uns jetzt die Frage stellen, wo mit möglichst geringem wirtschaftlichem Schaden die Infektionszahlen noch reduziert werden können“, sagte Sebastian Dullien dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Der Direktor des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituts IMK fügte hinzu: „Wir wissen, dass im April 27 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice gearbeitet haben.“

Nur 14 Prozent im Homeoffice – weniger als im Juni

Im November seien es aber nur noch 14 Prozent gewesen und damit weniger als im infektionsarmen Juni 2020 – derzeit liege die Zahl womöglich wieder etwas höher. „Aber offensichtlich hat auch die hohe Homeoffice-Rate im April die Zahl der Neuinfektionen deutlich verringert, und die Unternehmen konnten zugleich mit relativ geringen Kosten weiter arbeiten. Diese Personen könnten also jetzt wieder im Homeoffice arbeiten“, betonte Dullien.

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Doch viele Arbeitgeber wollen davon nur wenig wissen. Stattdessen werden Beschäftigte vielfach wieder in die Büros geholt – häufig herrscht offenbar Misstrauen in puncto Arbeitseinsatz. Es ist davon die Rede, dass Angestellte regelmäßige Videokonferenzen geschwänzt oder die Kamera bei solchen virtuellen Meetings ausgeschaltet haben sollen.

Berlin: Bundesrat beschließt Homeoffice-Pauschale
16.12.2020, Sachsen, Marienberg: Pyrotechnik liegt in einem Lager der Blackboxx Fireworks GmbH in einem Regal. Das Verkaufsverbot f��r Silvester-Feuerwerk wegen des harten Corona-Lockdowns st��rzt die Hersteller in eine Krise. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Keine Silvesterknaller in den Läden, bald weniger Plastiktüten und eine Steuerpauschale fürs Homeoffice.

Dullien bestätigt: „Tatsächlich gibt es Unternehmen, die zwischenzeitlich verstärkt auf Anwesenheit gepocht haben. Da ist die Frage, ob dies gerechtfertigt ist oder ob dies einem veralteten Managementdenken geschuldet ist.“

Hintergrund der Debatte: Die Zahl der Neuansteckungen mit dem Covid-Virus steigt in manchen Regionen wieder deutlich und beharrt anderswo zumindest auf einem hohen Niveau. Als ein Faktor dafür werden auch Ansteckungen im beruflichen Umfeld vermutet. Unter anderem in Bussen und Bahnen auf dem Weg zur Arbeit und bei der Fahrt nach Hause, in der Zigaretten- oder während der Mittagspause.

Politik droht mit Wirtschafts-Shutdown

Schon haben Politiker angedeutet, dass die Zügel noch viel heftiger angezogen werden könnten, um Inzidenzwerte zu drücken. So forderte der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Sonntagabend im ZDF von den Unternehmen in seinem Bundesland, „möglichst alles zu unterlassen, was im Moment nicht notwendig ist – vielleicht ein paar Aufträge zu schieben“.

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Auch Heil betonte, dass es zwar wichtig sei, die Volkswirtschaft im Laufen zu halten. Er wollte aber nicht ausschließen, dass es „im produzierenden Gewerbe einen Lockdown geben könnte“.

Experte warnt vor massivem Schaden

Dullien lehnt dies indes ab: „Wir hätten es mit einem massiven wirtschaftlichen Schaden für Deutschland und für andere Länder zu tun, da die hiesigen Unternehmen in grenzüberschreitende Lieferketten eingebunden sind. Davor warne ich eindringlich.“

Die Industrie erbringt einen Großteil der Wertschöpfung hierzulande. Das gilt insbesondere für die Autobauer und die mit ihr verknüpften Branchen Chemie und Maschinenbau. Der IMK-Direktor bezweifelt zugleich den Nutzen einer zeitweisen Stilllegung der Fertigung: „Zumal in vielen Betrieben in der Produktion große Abstände zwischen den Beschäftigten bestehen und weil umfangreiche Hygienemaßnahmen umgesetzt wurden.“ Hinzu komme, dass Arbeitnehmer in der Industrie häufig nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrem Arbeitsplatz fahren, sondern mit dem eigenen Pkw, da große Werke nicht in den Innenstädten liegen.

Ifo-Chef: Öffentliche Verwaltung ins Homeoffice!

Für mehr Heimarbeit hat sich derweil auch Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts, ausgesprochen. Er fordert, dass dies auch in der öffentlichen Verwaltung umgesetzt wird. Bei Unternehmen stellt er die Frage, ob es wirklich angezeigt ist, Beschäftigte weiterhin in Großraumbüros arbeiten zu lassen.

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Dullien sieht nun Firmen-Eigner in der Pflicht: „Ich würde mir wünschen, dass Arbeitgeber auf ihre Manager einen gewissen Druck ausüben, um mehr Homeoffice durchzusetzen.“ Falls dies nicht funktioniere, müsse es eine gesetzliche Regelung geben.

Bartsch: „Begründungspflicht, wo Homeoffice unmöglich ist“

„Aus meiner Sicht ist klar: Bevor wir über Ordnungsrecht Industriebetriebe schließen, sollte die Politik überlegen, ob sie ordnungsrechtlich beim Homeoffice eingreift“, sagt Dullien. „Man könnte sagen: Alle, die schon im April im Homeoffice waren, müssen jetzt wieder ins Homeoffice. Es sei denn, der Betrieb kann begründen, warum das jetzt nicht geht. Dann gibt es eine Sondergenehmigung.”

Auch aus der Politik werden solche Rufe lauter: Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat ebenfalls für härtere Maßnahmen plädiert, und zwar in Form einer Corona-Arbeitsschutzverordnung, die Unternehmen verpflichtet, Homeoffice überall da anzubieten, wo es machbar ist. Notfalls müssten auch Bußgelder verhängt werden.

Dietmar Bartsch: "Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Homeoffice im Lockdown"

Dietmar Bartsch: "Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Homeoffice im Lockdown"

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sieht das ähnlich: „Wir brauchen einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Homeoffice während des Lockdowns und eine Begründungspflicht des Arbeitgebers, wenn Homeoffice nicht möglich sein sollte”, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

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Die Linksfraktion unterstützt den Vorstoß von DGB-Chef Reiner Hoffmann, der sich am Montag im Deutschlandfunk erneut für einen Rechtsanspruch auf Homeoffice ausgesprochen hatte.

Die Verbände der Unternehmen lehnen dies rundweg ab. So bezeichnete die Maschinenbau-Lobby VDMA die Bußgelddrohung als absurd. „Denn die Arbeitsorganisation jedes einzelnen Betriebs ist unterschiedlich und lässt sich nicht per Behördenverordnung regeln.“

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