Von der Leyen will übermäßige Gewinne von Energiefirmen umverteilen
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Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission (Archivbild).
© Quelle: Virginia Mayo/AP/dpa
Straßburg. Angesichts steigender Energiepreise und des Kriegs in der Ukraine hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an diesem Mittwoch ihre Ideen für die kommenden Monate skizziert. Zur Entlastung der Verbraucher sollen übermäßige Gewinne von Energiefirmen in der EU künftig abgeschöpft und umverteilt werden.
„Das Parlament hat noch nie zur Lage der Union debattiert, während gleichzeitig ein Krieg auf europäischen Boden stattfindet“, so von der Leyen. Europa sei im Februar „erwacht“, sagte die EU-Kommissionspräsidentin. „Von diesem Moment an haben die Europäer nicht gezögert und haben den Mut gefunden, das Richtige zu tun.“
Von Tag eins an habe Europa mit Waffen, Geld, Gastfreundschaft für Flüchtlinge und Sanktionen an der Seite der Ukraine gestanden, sagte die EU-Chefin. Sie bestärkte, dass die Sanktionen gegen Russland so lange wie nötig aufrecht zu erhalten werden sollen. Dies sei für den Kreml der Preis für dessen Spur des Todes und der Vernichtung. „Die Sanktionen werden bleiben“, so von der Leyen. Sie kündigte an, an diesem Mittwoch für Gespräche mit Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Kiew reisen zu wollen. Man müsse darauf hinarbeiten, dass die Ukraine einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt habe und umgekehrt.
Wichtig sei nun, die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl zu beenden. „Wir sehen, dass Russland unseren Energiemarkt aktiv manipuliert“, warnte von der Leyen. Zudem befeuere der Klimawandel die Energiepreise weiter. Zur Entlastung der Verbraucher sollen übermäßige Gewinne von Energiefirmen in der EU künftig abgeschöpft und umverteilt werden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte einen Gesetzesvorschlag gegen die hohen Energiepreise an, der sowohl Produzenten von erneuerbarem Strom als auch Gas- und Ölkonzerne treffen würde. „Unser Vorschlag wird mehr als 140 Milliarden Euro für die Mitgliedstaaten bringen, um die Not unmittelbar abzufedern“, sagte von der Leyen.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson hatte bereits am Dienstag angekündigt, dass Stromproduzenten, die Strom aus billigeren Quellen als Gas produzieren - Sonne, Wind, Atomkraft oder Kohle etwa - ihren Erlös ab einer gewissen Obergrenze an den Staat zahlen sollen. Damit sollen dann Entlastungen für die Verbraucher finanziert werden. Die Strompreise werden derzeit von den hohen Gaspreisen getrieben. Atomkraftwerke oder Windfarmen machen dadurch große Gewinne, die nun abgeschöpft werden sollen. Eine europäische Task-Force solle sich zudem weiter darum kümmern, wie die Öl und Gas-Preise „vernünftig reguliert“ werden können, erklärte die EU-Chefin weiter.
Ursula von der Leyen kritisierte auch die Politik der Vergangenheit. Das jahrelange Festhalten an fossilen Kraftstoffen sei falsch gewesen, sagte sie. Es müsse ein neuer Wandel stattfinden, so die EU-Kommissionspräsidentin - hin zu Wind- und Solarenergie sowie Wasserstoff.
Wichtige Anstöße zum Energiesparen
Von der Leyen kündigte zudem an, Anrufe und SMS ohne Zusatzkosten in die Ukraine ermöglichen zu wollen. Konkret sagte sie, dass die Ukraine in die EU-Zone für kostenloses Roaming aufgenommen werden soll. Damit wäre es für ukrainische Mobilfunkkunden möglich, auch ohne Zusatzkosten in der EU mobil im Netz zu surfen. Gleiches würde für EU-Verbraucher gelten, die in der Ukraine unterwegs sind. Die Ukraine solle außerdem 100 Millionen Euro zum Wiederaufbau von zerstörten Schulen im Land von der Europäischen Union erhalten. „Denn die Zukunft der Ukraine beginnt in ihren Schulen“, sagte die Kommissionspräsidentin.
Die EU-Chefin forderte in ihrer Rede mit Blick auf China, dass Europa neue Partner in Wachstumsregionen finden müsse, um erneute Abhängigkeiten wie die von Russland zu verhindern. Sie kündigte einen Gesetzesvorschlag zur Sicherung wichtiger Rohstoffe für beispielsweise Computerchips an. Es müsse sichergestellt werden, dass die Zukunft der Technologie „made in Europe“ ist.
Von der Leyen zu Energiekrise: Aufs Schlimmste vorbereiten
Von der Leyen hat vor einer Zuspitzung der Energiekrise in der Europäischen Union im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gewarnt.
© Quelle: dpa
Die Rede zur Lage der Union wird jedes Jahr im September vom EU-Kommissionspräsidenten oder der -präsidentin gehalten. Sie ist an die amerikanische Rede zur Lage der Nation angelehnt, die als eine der wichtigsten Reden des US-Präsidenten gilt.
Es sind teils radikale Maßnahmen, die noch vor wenigen Wochen beinahe undenkbar gewesen wären. Nun muss alles ganz schnell gehen - und die Einigkeit unter der 27 EU-Staaten muss ebenso erhalten bleiben. Denn Ende des Monats beraten die EU-Energieminister über die Vorschläge der Kommission.
Demokratie soll besser geschützt werden
Außerdem stellte von der Leyen einen Gesetzesvorschlag zur „Sicherung der Demokratie“ vor. Damit solle die Rechtsstaatlichkeit vor inneren und äußeren Gefahren geschützt werden. Die EU hatte sich in den vergangenen Jahren mit Blick auf Fragen des Rechtsstaats gezeigt. Der Streit mit Polen und Ungarn wird schon lange auf offener Bühne ausgetragen. Kritiker der Regierungen in Warschau und Budapest werfen den Ländern vor, rechtsstaatliche Prinzipien zu untergraben und demokratische Werte immer weiter zu verwässern.
Ungarn hatte in den vergangenen Monaten zudem immer wieder die geschlossene EU-Haltung gegenüber Russland auf die Probe gestellt. So wurden etwa Sanktionen gegen Russland verzögert, in Moskau um mehr Gas gebeten oder Strafmaßnahmen auf Drängen Ungarns abgeschwächt.
RND/ag mit Agenturmaterial