Bestechungsverdacht gegen Katar

„Eine Katar-strophe fürs EU-Parlament“: empörte Reaktionen auf Korruptionsfall

Eva Kaili, Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments.

Eva Kaili, Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments.

Brüssel/Berlin. Nach der Festnahme der Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, haben Europa- und Bundespolitiker mit Empörung reagiert und Aufklärung sowie Konsequenzen gefordert. „Unser Parlament steht entschieden gegen Korruption“, erklärte die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola aus Malta, angesichts des Bestechlichkeitsverdachtes ihrer Stellvertreterin.

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Zu den laufenden Ermittlungen gegen die griechische Vizepräsidentin – eine von 14 Stellvertretern – könne sie sich nicht äußern, schrieb Metsola auf Twitter. Sie versicherte jedoch, das Parlament werde uneingeschränkt mit allen zuständigen Strafverfolgungs- und Justizbehörden zusammenarbeiten: „Wir werden alles tun, was wir können, um den Lauf der Gerechtigkeit zu unterstützen.“

Vizepräsidentin des Europaparlaments nach Korruptionsermittlungen festgenommen
ARCHIV - 31.01.2020, Frankreich, Straßburg: Die Flaggen der europäischen Mitgliedsstaaten wehen vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments in Strasbourg. Das EU-Parlament steht im Fokus umfangreicher Korruptionsermittlungen belgischer Ermittler. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Ermittlungen zu Korruption, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme eines Golfstaats erschüttern das Europaparlament.

Kaili und vier weitere Verdächtige waren am Freitag unter Korruptionsverdacht von der belgischen Justiz festgenommen worden. Laut Medienberichten werden sie verdächtigt, dass sie aus dem Golfstaat Katar Geld und andere Vergünstigungen erhielten. Hintergrund sind demnach umfassende Korruptionsermittlungen zu mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fußball-WM.

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Der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), forderte Konsequenzen für das Europaparlament: „Wenn die Vorwürfe sich bewahrheiten – und es spricht einiges dafür –, muss sie sich nicht nur aus dem Präsidium des EU-Parlaments zurückziehen, sondern auch ihr Mandat niederlegen“, sagte Hofreiter dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er betonte, dass im Fall der Bestätigung des Korruptionsverdachtes bereits das Strafrecht greife, da Bestechlichkeit strafbar sei.

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union.

Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union.

„Allerdings müssen je nach Ergebnis der Ermittlungen auch Konsequenzen für das Europäische Parlament geprüft werden“, betonte Hofreiter. „Das EU-Parlament verfügt zwar bereits über strenge Transparenz- und Lobbyismusregeln, die teilweise die im Bundestag übertreffen.“

Es bestehe aber eine Lücke bei den europäischen Vorgaben, nämlich die Einflussnahme von Staaten außerhalb der EU: „Künftig sollten deshalb auch die Lobbytätigkeiten von Drittstaaten in die Transparenzpflichten für das EU-Parlament aufgenommen werden“, forderte der Grüne.

CDU-Europapolitiker Krichbaum: Kaili muss Mandat niederlegen

Der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Gunther Krichbaum, sagte dem RND: „Die sozialistische Fraktion des Europäischen Parlaments ist gefordert aufzuklären, an welchen Themen Eva Kaili mitgearbeitet hat und welche Fraktionsentscheidungen sie beeinflusste.“

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„Die Vorgänge sind erschütternd und schaden allen Parlamentariern, die tagtäglich eine ehrliche und engagierte Arbeit machen“, so der CDU-Politiker. „Deshalb ist es eine pure Selbstverständlichkeit, dass Kaili ihr Mandat umgehend zurückgeben muss.“

Krichbaum fügte hinzu: „Positiv ist, dass solche Machenschaften heute aufgedeckt werden.“ Deshalb sei den belgischen Ermittlungsbehörden zu danken, „denen möglicherweise noch weitere Arbeit bevorsteht“, sagte er.

FDP: „Regelverschärfungen prüfen“

Konsequenzen verlangte auch der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner: „Das ist eine Katar-strophe für das Europäische Parlament“, sagte FDP-Präsidiumsmitglied Körner, der auch Generalsekretär der Liberalen in Nordrhein-Westfalen ist, dem RND. „Regelverschärfungen sollten geprüft werden.“ Zugleich betonte er, dass Korruption „bereits heute eindeutig illegal ist – und alle Beteiligten waren sich darüber bewusst“.

Eva Kailis deutsche Parteigenossin und Kollegin als Parlamentsvizepräsidentin, Katarina Barley, schrieb am Samstag, „die Nachrichten rund um die Katar-Affäre und Eva Kaili“ machten sie wütend. Korruption sei ein schweres Vergehen an der Demokratie.

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Die Gruppe der Europa-Abgeordneten der SPD sicherte zudem uneingeschränkte Unterstützung bei der Aufklärung zu: „Die SPD-Europaabgeordneten sind entsetzt über die Vorwürfe und tolerieren keinerlei Korruption“, erklärten die deutschen Sozialdemokraten in dem gemeinsamen Statement auf Anfrage des RND. „Die Gruppe wird bei jedwedem Bedarf uneingeschränkt mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten und unterstützt eine gründliche Untersuchung und vollständige Offenlegung.“

Der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke äußerte sich „fassungslos, dass sich offenbar führende Mitglieder des Europäischen Parlaments gegen hohe Geldsummen haben kaufen lassen, um politisch für Staaten zu werben, die Menschen- und Arbeitsschutzrechte mit Füßen treten“.

Er fürchte um das Ansehen des Parlaments durch die Geldgier einzelner Abgeordneter, erklärte der Sozialexperte der konservativen EVP-Fraktion am Samstag – und nahm auch die anderen Beschuldigten in den Blick: „Dass ausgerechnet Mitglieder der sozialdemokratischen Allianz und der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes unter dem Verdacht der Korruption festgenommen wurden, betrübt mich sehr.“

Belgische Behörden ermitteln seit Monaten

Bereits seit Monaten gehen belgische Ermittler laut der zuständigen Staatsanwaltschaft dem Verdacht nach, dass „ein Golfstaat“ die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen der EU zu beeinflussen versucht. Nach übereinstimmenden Medienberichten geht es um erhebliche Geldsummen und Sachgeschenke durch das Emirat Katar an Personen, die eine politische oder strategische Position im EU-Parlament hätten.

In diesem Zusammenhang durchsuchte die Staatsanwaltschaft dann am Freitag 16 Objekte und nahm am Abend vier Verdächtige fest – darunter Kaili, die für die Pasok-Partei ins EU-Parlament gewählt wurde und dort zur sozialdemokratischen Fraktion gehört.

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Verdächtige lobte Katar jüngst in Parlamentsrede

Noch am 21. November hatte sie nach einem Besuch in Katar im EU-Parlament eine Rede gehalten, in der sie den Golfstaat als Vorreiter bei Arbeitsrechten lobte. Das Land habe sich der Welt geöffnet, sagte Kaili darin: „Dennoch rufen einige hier dazu auf, die Katarer zu diskriminieren. Sie schikanieren sie und beschuldigen jeden, der mit ihnen spricht, der Korruption.“

Ebenfalls unter den Festgenommenen ist nach dpa-Informationen ihr Lebensgefährte, der im Parlament als politischer Berater tätig ist. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde auch ein ehemaliger Europaabgeordneter festgenommen sowie am Abend der italienischen Nachrichtenagentur Ansa zufolge auch dessen Frau und Tochter. Mit Ausnahme von Kaili haben alle Verdächtigen die italienische Staatsangehörigkeit. Bei Durchsuchungen in Belgien wurden 600.000 Euro Bargeld und Handys beschlagnahmt.

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