Gefahr durch Propaganda und Fake News

„Wie im Kalten Krieg“: Verfassungsschutz warnt vor Spionage in Deutschland

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), spricht beim 18. Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), spricht beim 18. Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz

Berlin. Deutschland steht aktuell nach Einschätzung des Verfassungsschutzes stark im Fokus von Spionen und Saboteuren. „Wir taxieren heute das Niveau der Spionage gegen Deutschland mindestens auf dem Stand des Kalten Krieges – wenn nicht deutlich höher“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Donnerstag bei einem von seiner Behörde ausgerichteten Symposium in Berlin.

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Es sei zu erwarten, „dass in einer Welt der offenen Waffengänge und drastischen Sanktionen die Hemmschwelle für Spionage, Sabotage und illegitime Einflussnahme weiter sinken wird“, warnt der Chef des Inlandsgeheimdiensts. Die Indikatoren für einen neuen Systemwettbewerb zwischen Demokratien und autoritären Staaten seien unübersehbar. In Deutschland bediene sich die russische Führung „vielfältiger Einflussakteure, das seien neben Nachrichtendienst-Mitarbeitern, etwa auch Think Tanks oder Journalisten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Die Bedrohung unserer Sicherheit durch den neuen Krieg in Europa ist real.“ Das gelte für Spionageaktivitäten und Cyberangriffe ebenso wie für „Einflusskampagnen fremder Mächte, die durch Propaganda, Lügen und gezielte Desinformation unsere Demokratie destabilisieren sollen“.

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Die Sicherheitsbehörden beobachten immer wieder Versuche ausländischer Akteure, durch Propaganda und die Anbahnung von Kontakten Einfluss auf die öffentliche Meinung sowie auf Amts- und Mandatsträger zu nehmen. Durch den von russischen Staatsmedien als „Spezialoperation“ bezeichneten Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat dies eine neue Aktualität erhalten.

Corona-Proteste: Verfassungsschutz erkennt neue Szene von Staatsfeinden

Der Verfassungsschutz ist überzeugt: Die immer radikaler werdenden Corona-Proteste beherbergt eine neue Szene von Extremisten.

Während der Corona-Pandemie hätten vor allem Russland und China in Deutschland Desinformation und Propaganda verbreitet, bilanzierte die Ministerin. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine versuche Russlands Präsident Wladimir Putin zudem das Narrativ einer angeblichen „Russophobie“ des Westens zu verfestigen - auch mit dem Ziel die russischsprachige Bevölkerung in Deutschland zu beeinflussen. Sie wolle die G7-Präsidentschaft nutzen, um das Thema Desinformation in den Fokus zu rücken, kündigte Faeser an.

Bei der Desinformation sei es wichtig zu identifizieren, wer die falschen Informationen zuerst verbreitet habe. Unter denjenigen, die solche falschen Nachrichten in die Welt setzten, seien viele, die von Russland zumindest gesteuert, wenn nicht sogar bezahlt würden. Da, wo durch Falschinformationen „substanziell eben auch Interessen Deutschlands beschädigt werden“, müsse eine Richtigstellung schnell erfolge. Als Beispiel nannte Haldenwang die im Netz verbreitete falsche Nachricht, im Ruhrgebiet hätten drei Ukrainer einen aus Russland stammenden 16-Jährigen erschlagen. Die Polizei habe auf ihrer Internetseite bereits kurz darauf darüber informiert, dass es gar keinen Tötungsfall gegeben habe.

Auch wenn die Aktivitäten und Teilnehmerzahlen bei den Corona-Protesten stark rückläufig seien, nehme der Verfassungsschutz den im April 2021 neu eingerichteten Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ sehr ernst. Denn die staatsfeindliche Haltung vieler Protagonisten sei der eigentliche Kern ihrer Motivation, die sich im Zweifel einfach eine neue Schale, neue Inhalte suche.

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Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo Di Fabio, warnt die Teilnehmer des Verfassungsschutz-Symposiums, dass aus Populismus leicht „eine autokratische Systemfeindschaft werden“ könne. Im Netz seien „fragmentierte Welten“ entstanden. Und auch die Argumente sogenannter Reichsbürger, die die Legitimität staatlicher Institutionen nicht anerkennen, könne man nur auf den ersten Blick „drollig“ finden.

Thomas Haldenwang platzierte in seiner zwanzigminütigen Rede über die veränderten Bedrohungen für die Demokratie in Deutschland auch einen Seitenhieb gegen seinen Amtsvorgänger Hans-Georg Maaßen – ohne ihn namentlich zu nennen. „In allerlei Facetten werden altbekannte antisemitische Narrative im Kontext der Pandemie modifiziert und allerlei Irrglaube rezipiert“, sagte Haldenwang und nannte als ein Beispiel die Verschwörungserzählung vom „Great Reset, der eine jüdisch inspirierte Weltdiktatur intendiere“. Der frühere Verfassungsschutzchef Maaßen hatte im vergangenen Jahr mehrfach Verschwörungserzählungen über den angeblichen „Great Reset“ verbreitet.

Ursprünglich steckte hinter dem Begriff eine Initiative des Weltwirtschaftsforums (WEF), um die globale Wirtschaft nach der Corona-Pandemie umzugestalten und nachhaltiger und gerechter zu machen. Vor allem in der Corona-Leugner-Szene wurden dem WEF-Gründer Klaus Schwab jedoch verschwörerische Weltherrschaftspläne unterstellt.

Die Worte des jetzigen Verfassungsschutzpräsidenten Haldenwang, der – wie die Moderatorin der Tagung, Ferdos Forudastan, feststellte – sogar gendert, zeigen: Nicht nur die Herausforderungen des Verfassungsschutzes haben sich in den vergangenen Jahren geändert. Auch die Behörde selbst unterliegt einem Wandel.

RND/dpa/feh

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