E-Mails an Selenskyj und Mahnwachen

Verein protestiert gegen drohende Verurteilung eines ukrainischen Kriegsdienstverweigerers

Ein ukrainischer Soldat der dritten separaten Angriffsbrigade im Schützengraben. Den Wehrdienst zu verweigern ist in der Ukraine derzeit nicht möglich.

Ein ukrainischer Soldat der dritten separaten Angriffsbrigade im Schützengraben. Den Wehrdienst zu verweigern ist in der Ukraine derzeit nicht möglich.

Artikel anhören • 4 Minuten

Berlin. Vor der Eröffnung eines Prozesses gegen den ukrainischen Kriegsdienstverweigerer und Menschenrechtsaktivisten Yurii Sheliazhenko am 20. September hat der deutsche Verein der Kriegsdienstverweigerer Connection e. V. zu Protesten aufgerufen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Wie der Verein in Offenbach mitteilte, wurde Sheliazhenko, der auch Exekutivsekretär der 2019 gegründeten Nichtregierungsorganisation (NGO) Ukrainische Pazifistische Bewegung ist, am 15. August in Kiew unter teilweisen Hausarrest gestellt. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren.

Der ukrainische Kriegsdienstverweigerer Yurii Sheliazhenko

Der ukrainische Kriegsdienstverweigerer Yurii Sheliazhenko


Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Yurii Sheliazhenko ist ein politischer Gefangener, der nur deshalb inhaftiert ist, weil er friedlich seine aufrichtigen pazifistischen Ansichten geäußert hat“, kritisiert Connection. „Er sollte unverzüglich und bedingungslos freigelassen und alle Anklagen gegen ihn sollten fallen gelassen werden.“

Die ukrainischen Behörden sollten das Recht auf freie Meinungsäußerung respektieren und das harte Vorgehen gegen Sheliazhenko und die Ukrainische Pazifistische Bewegung einstellen, heißt es weiter in einer Mitteilung des Vereins. Er ruft dazu auf, Protest-E-Mails unter einer vorgegebenen Adresse an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu schreiben und Solidaritätsaktionen – etwa Mahnwachen – vor der ukrainischen Botschaft zu organisieren.

„Wir setzen uns für Yurii Sheliazhenko ein, weil Kritik am Militär keine Straftat ist, sondern das Recht eines jeden“, sagte Connection-Geschäftsführer Rudi Friedrich dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Sheliazhenko werde „Rechtfertigung der russischen Aggression“ vorgeworfen – dabei habe er immer wieder deutlich den Angriffskrieg Russlands verurteilt. „Ihm geht es vielmehr darum, dass auch die militärdienstpflichtigen Männer in der Ukraine das Recht zur Kriegsdienstverweigerung haben, was ihnen derzeit aber verwehrt wird“, erläuterte Friedrich. „Für diese Menschen engagiert er sich und muss nun erleben, dass er selbst vor Gericht gestellt wird.“

Nach Angaben des Vereins, der auch die Interessen von russischen und belarussischen Deserteuren vertritt, gibt es bislang in der Ukraine ein halbes Dutzend bekannter Fälle von Kriegsdienstverweigerern, die zum Teil zu mehreren Jahren Haft verurteilt wurden. Andere seien an der Front eingesetzt. Das seien Gründe dafür, weshalb Tausende ins Ausland geflohen sind, um der Rekrutierung zu entgehen.

Der MDR berichtet, dass nach Angaben des Bundesinnenministeriums seit dem Kriegsbeginn 203.640 männliche ukrainische Staatsangehörige nach Deutschland eingereist sind, die zwischen 18 und 60 Jahre alt und damit wehrpflichtig waren. Wer von ihnen tatsächlich vor dem Kriegsdienst geflohen ist oder durch Ausnahmeregeln – etwa die Betreuung behinderter Familienangehöriger – geschützt ist, bleibt unklar. Tatsächlich ist die Wehrdienstverweigerung in der ukrainischen Verfassung nicht vorgesehen. Es gilt das Kriegsrecht.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Bei Kriegsbeginn war eine Generalmobilmachung samt Ausreiseverbot für wehrpflichtige Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren angeordnet worden. Wie der Deutschlandfunk berichtet, sind laut EU-Statistikbehörde Eurostat in den 27 EU-Staaten sowie in Norwegen, der Schweiz und Liechtenstein jedoch mehr als 650.000 ukrainische Männer im Alter von 18 bis 64 Jahren als Geflüchtete registriert.

Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) berichtete, dass man in Kiew derzeit über „Auslieferungsanträge“ an europäische Staaten nachdenke. Bei den sich in Deutschland aufhaltenden Ukrainern handele es sich um „eine riesige Zahl, die militärisch durchaus ins Gewicht fällt und im Kriegsgeschehen einen Unterschied machen könnte“, schrieb die „SZ“.

Zum Vergleich: Die Bundeswehr verfügt zurzeit über rund 180.000 militärische Einsatzkräfte und 80.000 Zivilangestellte.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl schrieb auf ihrer Website, auch in der Ukraine gebe es Kriegsdienstverweigerer, die sich aus unterschiedlichen Motiven nicht an den Kämpfen beteiligen wollten. Für alle Seiten gelte, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 festgestellt hat, Gültigkeit haben müsse.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken