Kommentar zur Rolle der USA im Ukraine-Krieg

Die Rückkehr des Weltpolizisten

US-Präsident Joe Biden während einer Videokonferenz mit den Regierungschefs der G7-Staaten am vorigen Sonntag.

US-Präsident Joe Biden während einer Videokonferenz mit den Regierungschefs der G7-Staaten am vorigen Sonntag.

Washington. Am Anfang stand der Zweifel. Als die amerikanische Regierung Anfang des Jahres immer lauter vor einem Überfall Russlands auf die Ukraine warnte, sprachen in Europa nicht wenige von „Panikmache“. Keinesfalls werde der Kreml angreifen, versicherten Putin-Versteher wie der Hamburger Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi: „Wir dürfen uns nicht durch US-Interessen in einen Krieg hineindrängen lassen.“

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Zwei Wochen später marschierten die russischen Truppen ohne Anlass in dem Nachbarland ein. Seither zerbomben sie Städte, massakrieren Zivilisten, vergewaltigen Frauen und plündern Häuser. Leider hat Präsident Joe Biden mit seinen düsteren Prognosen recht behalten: So unwahr die Geheimdienst­informationen aus Washington im Irak-Krieg waren, so zutreffend sind sie im Ukraine-Konflikt.

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Biden handelte schnell – und definierte die Grenzen

Auch sonst hat Biden während des seit fast drei Monaten tobenden Kriegs viel richtig gemacht: Der erfahrene Außenpolitiker stellte sich ohne Zögern an die Seite der Ukraine, trieb harte Sanktionen voran und machte Milliarden für Waffenhilfen locker, als anderswo noch gezögert und gezaudert wurde. Zugleich betonte er von Anfang an, wo die Grenzen des westlichen Engagements liegen würden: Den Einsatz von Nato-Soldaten lehnt er ebenso ab wie die von Kiew geforderte Errichtung einer Flugverbotszone. Auch Gedankenspiele für die Entsendung amerikanischer Kampfjets beerdigte er schnell. Keinesfalls, so sein Credo, darf die westliche Allianz zur Kriegspartei werden.

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Mit dieser Besonnenheit ist Biden im stetigen Austausch mit den europäischen Partnern das Kunststück gelungen, die siechende Nato eindrucksvoll wiederzubeleben. Das hatte der russische Präsident Wladimir Putin nicht erwartet. Gleichzeitig positioniert sich Washington als verantwortungs­bewusster Anführer des Westens. Das ist ein Quantensprung nach der nationalistischen Geisterfahrt der Trump-Jahre.

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Irritationen in der Kommunikation

Eine merkwürdig undisziplinierte Kommunikation auf der anderen Seite des Atlantiks sorgt neuerdings freilich für Irritationen. Zunächst erklärte Verteidigungsminister Lloyd Austin, man wolle nicht nur die Ukraine verteidigen, sondern Russland dauerhaft „schwächen“. Das klang nach einer hochriskanten Demütigung der Atommacht. Dann streuten US-Geheim­dienste, dass sie Informationen für die Tötung russischer Generäle und zum Versenken des Kriegsschiffes „Moskwa“ beigesteuert hätten. Das Weiße Haus spielte die Sache herunter, Biden soll verärgert gewesen sein. Hilfreich sind beide Vorfälle in dieser gefährlichen Phase trotzdem nicht. Es liegt im ureigensten Interesse Europas, die Ukraine entschlossen bei der Abwehr des Aggressors zu unterstützen, diesem jedoch keinen Vorwand für die Ausweitung der Kampfhandlungen zu geben.

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Wenn rechte und linke „Friedensfreunde“ nun aber nicht Moskau, sondern Washington zur treibenden Kraft hinter dem Ukraine-Krieg erklären, zeugt das von einer vorurteils­getriebenen Realitäts­verdrehung. So etwas kann nur glauben, wer die amerikanische Innenpolitik seit Jahren komplett ignoriert hat. Joe Biden ist mit dem Versprechen ins Amt gekommen, die Rolle des Landes als Weltpolizist zu beenden. Er wollte als Sozialreformer punkten und den ökonomischen Wettstreit mit China ausfechten. Nichts kommt ihm so ungelegen wie eine militärische Auseinandersetzung in 8000 Kilometern Entfernung, die kaum jemand in Pennsylvania oder Ohio interessiert, aber die heimischen Benzinpreise explodieren lässt.

Tatsächlich hat der Krieg die miserablen Umfragewerte des Präsidenten keinen Deut verbessert. Eigentlich muss das die Verbündeten beunruhigen. Offensichtlich ist Europa nicht in der Lage, einen militärischen Konflikt vor der eigenen Haustür ohne die USA zu bestehen. Dort aber könnte schon in zweieinhalb Jahren der Möchtegern­autokrat Donald Trump an die Macht zurückkehren. Wie die Auseinandersetzung des „stabilen Genies“ im Weißen Haus mit dem enthemmten Imperialisten Putin aussehen würde, möchte man sich lieber nicht vorstellen.

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