Machtwechsel im US-Repräsentantenhaus

Nancy Pelosi tritt ab: Im Kapitol regiert nun die Konfrontation

Auf dem Weg nach draußen: Nancy Pelosi gibt die Funktion als Sprecherin des Repräsentantenhauses ab.

Auf dem Weg nach draußen: Nancy Pelosi gibt die Funktion als Sprecherin des Repräsentantenhauses ab.

Washington. Es war ein historischer Moment, als Nancy Pelosi am Donnerstag um 12 Uhr mittags den ehrwürdigen Plenarsaal des amerikanischen Repräsentantenhauses betrat. Angeblich hatte die 82-Jährige zwei Versionen ihrer Rede vorbereitet. Niemand konnte deshalb sicher sein, was sie erklären würde. Der machtvollen Demokraten-Politikerin, die 2007 als erste Frau zur Parlamentssprecherin gewählt worden war und seit zwei Jahrzehnten die Geschicke ihrer Fraktion bestimmt, war es gelungen, auch ihren Abgang perfekt zu kontrollieren.

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Doch als Pelosi im weißen Hosenanzug – eine Anspielung auf die Suffragetten, die Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA für das Frauenwahlrecht kämpften – ans Rednerpult trat, waren die Reihen der Republikaner weitgehend leer. Deren Anführer Kevin McCarthy, der neuer Parlamentschef werden könnte, fehlte ebenso wie viele Kollegen, darunter der Abgeordnete Jeff Duncan. Der trieb sich stattdessen bei Twitter herum: „Danke für Ihren Rücktritt“, ging er Pelosi an: „Aber ich glaube, das amerikanische Volk hat sie zuerst rausgeworfen.“

Kein Interesse an parteiübergreifender Zusammenarbeit

Die demonstrative Missachtung von parlamentarischen Gepflogenheiten und Grundregeln des Respekts vermittelt einen Vorgeschmack auf das, was dem Kongress in den kommenden zwei Jahren bevorsteht. Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten bei den Zwischenwahlen ihre Mehrheit verloren, und die Republikaner werden mit knappem Vorsprung das Sagen haben. Der Senat bleibt hingegen in der Hand der Demokraten.

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Die Republikaner zeigen weder an einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit noch an konstruktiven Gesetzesvorhaben ein erkennbares Interesse. Stattdessen wollen sie ihre neue Macht offenbar nutzen, um es den Demokraten für zwei Impeachment-Verfahren gegen Ex-Präsident Donald Trump heimzuzahlen.

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Die für die Mehrheit erforderlichen 218 Mandate waren bei der zähen Auszählung der Midterms-Wahlstimmen gerade erreicht, als die republikanischen Abgeordneten James Comer und Jim Jordan vor die Kameras traten. Jordan, ein ehemaliger Ringer, der stets in Hemdsärmeln ohne Sakko auftritt, ist einer der Lieblingspolitiker von Trump.

Das Duo kündigte eine Untersuchung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Hunter Biden, des Sohnes von Präsident Joe Biden, vor allem in der Ukraine und in China an. „Die Familiengeschäfte der Biden-Familie sind eine Gefahr für die nationale Sicherheit“, tönte Jordan. Er mutmaßte, dass der Präsident durch ausländisches Geld kompromittiert sei. „Diese Untersuchung wird höchste Priorität haben“, sagte Comer.

Kevin McCarthy hat stets den Draht zu Ex-Präsident Donald Trump gehalten. Nun triumphiert er: „Wir haben Nancy Pelosi gefeuert.“

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Schlagzeilenträchtige Schauprozesse gegen Angehörige der Biden-Familie könnten die republikanische Basis mobilisieren und tiefe Risse innerhalb der Fraktion übertünchen. Tatsächlich gibt es dort erhebliche Flügelkämpfe, und der ultrarechte Trump-Flügel fordert deutlich mehr Einfluss. McCarthy ist von seinen Leuten zwar mit klarer Mehrheit für den Posten des Repräsentantenhaus-Sprechers nominiert worden. Doch bei der Wahl am 3. Januar kann er sich nicht einmal eine Handvoll Abweichler erlauben. „Wir werden die desaströse Biden-Politik stoppen“, versprach er. Als wichtigsten bisherigen Erfolg verkündete er triumphierend: „Wir haben Nancy Pelosi gefeuert.“

Auch Pelosis Führungsteam macht Platz für Jüngere

Tatsächlich fällt der Posten des Parlamentssprechers mit dem Mehrheitswechsel automatisch an die Republikaner. Pelosi, die ihrer Partei mit eiserner Disziplin beachtliche gesetzgeberische Erfolge von der Gesundheitsreform Obamacare bis zum Sozial- und Klimapaket bescherte und eine der wichtigsten Spendeneintreiberinnen ist, hätte aber durchaus Minderheitsführerin der Demokraten werden können. Dass sie sich – gemeinsam mit ihrem Führungsteam, dem auch der 83-jährige Steny Hoyer und der 82-jährige James Clyburn angehören – für den Rückzug auf die Hinterbank entschied und damit den Weg für einen Generationswechsel freimachte, bringt ihr viel Respekt ein.

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Neuer Fraktionschef der Demokraten soll nun der New Yorker Abgeordnete Hakeem Jeffries werden. Er wäre der erste Afroamerikaner auf diesem Posten. Jeffries ist 52 Jahre alt. Zu seinem Führungsteam sollen der 43-jährige Pete Aquilar und die 59-jährige Katherine Clark gehören. Die Fraktionsspitze der Demokraten verjüngt sich also schlagartig um drei Jahrzehnte.

Derweil feiert Präsident Joe Biden am Sonntag seinen 80. Geburtstag. In den vergangenen Wochen hatte es allerhand Spekulationen gegeben, ob Biden angesichts seines Alters 2024 tatsächlich noch einmal antreten werde. Hätten die Demokraten bei den Zwischenwahlen das befürchtete Debakel erlebt, wäre die Debatte wohl lautstark entbrannt. Doch die Verluste im Repräsentantenhaus halten sich in Grenzen, und im Senat könnte man sogar noch einen Sitz hinzugewinnen. Das stärkt Biden – zumindest bis zum nächsten seiner legendären Versprecher.

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