Bidens Mammutgesetzespaket: High Noon auf dem Kapitolshügel
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Täglich demonstrieren rund um das Kapitol gerade Aktivisten – hier bei einem Klimastreik in der vergangenen Woche – für das 3,5 Billionen Dollar schwere Klima- und Sozialpaket, das von zwei rechten demokratischen Senatoren blockiert wird.
© Quelle: imago images/NurPhoto
Washington. Die Absage kam ebenso kurzfristig wie überraschend. Eigentlich wollte Joe Biden am Mittwoch nach Chicago fliegen, um dort für seine Impfkampagne zu werben. Doch am Dienstagabend wurde der Trip plötzlich gecancelt. Der Präsident ist derzeit in der Hauptstadt unentbehrlich: Sein zentrales gesetzgeberisches Vorhaben, zwei gewaltige Investitionspakete für Straßen, Stromnetze, Kinderbetreuung und saubere Energie, steht auf der Kippe.
Bereits für diesen Donnerstag hat Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Abstimmung über das eine Billion Dollar schwere Infrastrukturpaket angesetzt, das vom Senat auch mit Republikanerstimmen gebilligt wurde. Doch im Parlament droht das Paragrafenwerk nun zu scheitern, weil zahlreiche linke Demokraten nicht zustimmen wollen.
Sie pochen darauf, dass zunächst das zweite Mammutprojekt, ein bis zu 3,5 Billionen Dollar schweres Sozial- und Klimapaket, festgezurrt wird, wie es Biden ursprünglich versprochen hatte. Doch dieses Projekt blockieren zwei rechte Demokraten im Senat.
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Damit steuert Biden an der Schwelle zu seinem neunten Amtsmonat auf einen dramatischen Showdown zu. Fieberhaft suchen das Weiße Haus und die Spitze der Demokraten nach einem Ausweg. Mehrfach empfing der Präsident in den vergangenen 24 Stunden die beiden störrischen Senatoren im Oval Office. Doch eine Einigung konnte nicht verkündet werden.
Bernie Sanders ruft zur Revolte auf
Derweil organisieren linke Demokraten im Stundentakt Demonstrationen rund um das Kapitol, um Druck für ihre Anliegen in dem Sozial- und Klimapaket zu machen. Am Dienstagnachmittag rief der linke Senator Bernie Sanders offen zur Revolte auf und riet seinen Kollegen im Repräsentantenhaus ausdrücklich, „gegen das Infrastrukturgesetz zu stimmen“, solange das Klima- und Sozialpaket nicht stehe.
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„Entweder Joe Bidens gesetzgeberische Agenda implodiert gerade, oder Biden hat wichtige Fortschritte für einen Deal erzielt, seine Agenda zu retten“, stocherte der Newsletter Politico Playbook, die morgendliche Pflichtlektüre der Washingtoner Polit-Insider, am Mittwoch ratlos im Nebel. Nach herkömmlicher Meinung, ergänzte der Onlinedienst, stehe der Präsident vor einem „Crash“.
Auch die Konkurrenz vom gewöhnlich sehr gut informierten Insider-Dienst Punchbowl News konnte keine Neuigkeiten vermelden. Viel spricht dafür, dass selbst das Weiße Haus nicht weiß, ob und wie es aus der dramatischen Zwangslage herauskommt.
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Hintergrund der Misere, die Joe Bidens wichtigste politische Vorhaben zu pulverisieren droht, sind die knappen Mehrheitsverhältnisse im Kongress. Im Repräsentantenhaus verfügen die Demokraten über 220 und die Republikaner über 212 Stimmen. Im Senat herrscht ein Patt von 50 zu 50, sodass im Falle des Falles die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris den Ausschlag gibt. Für wichtige Vorhaben sind aber 60 Stimmen erforderlich.
Mittel für Elternzeit und Energiewende stehen auf der Kippe
Um die parlamentarischen Klippen zu umschiffen, hat Biden seinen Megainvestitionsplan in zwei Teile geteilt: das Infrastrukturgesetz mit rund 550 Milliarden Dollar frischem Geld für klassische Projekte wie Straßen, Brücken, Stromnetze und Wasserleitungen sowie das wesentlich größere Sozial- und Klimapaket, das unter anderem eine bezahlte dreimonatige Elternzeit, Kinderbetreuung und Subventionen für nicht fossile Energieträger vorsieht.
Der Infrastrukturteil wurde im Senat mit den Stimmen auch von Republikanern beschlossen. Das Sozial- und Klimapaket wird von den Republikanern abgelehnt. Deshalb ist Biden auf die Stimmen sämtlicher demokratischer Senatoren angewiesen.
Zwei von ihnen – Kyrsten Sinema aus Arizona und Joe Manchin aus West Virginia – tragen den 3,5 Billionen Dollar schweren Entwurf des Repräsentantenhauses aber nicht mit. Beide wollen das Volumen dramatisch eindampfen. Sinema lehnt zudem die zur Gegenfinanzierung vorgesehene Anhebung der Unternehmenssteuern ab.
Das hat zu schwerer Verärgerung beim linken Parteiflügel geführt, der von einer Erpressung spricht. Die Gruppe um Alexandrio Ocasio-Cortez will deshalb am Donnerstag mit Nein stimmen. Damit hätte Pelosi keine Mehrheit.
Als wäre die Lage noch nicht dramatisch genug, drohen zum Monatsende nun auch noch der jährliche Shutdown und zum 18. Oktober erstmals in der Geschichte gar die komplette Zahlungsunfähigkeit der USA, die schwerste Verwüstungen an den Finanzmärkten auslösen würde. Beobachter hoffen, dass die Fristen vom Kongress irgendwie herausgezögert werden. Doch verweigern die Republikaner kategorisch ihre Zustimmung zur Anhebung der gesetzlichen Schuldengrenze.