Bidens Flüchtlingspolitik stößt an Grenzen
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Joe Biden ist ihre Hoffnung. Eine Gruppe mittelamerikanischer Migranten macht sich in San Ysidro in Mexiko auf den Weg zur US-Grenze. Doch die große Zahl unbegleiteter Minderjähriger stellt die US-Behörden vor große Probleme.
© Quelle: Stringer/dpa
Washington. Die Stimme des Politikers klang fast flehentlich. „Wir sagen nicht: Bleibt zu Hause!“, versicherte Alejandro Mayorkas, der neue US-Heimatschutzminister: „Wir sagen: Kommt nicht jetzt, weil wir nicht in der Lage sind, so schnell wir möglich ein sicheres und ordentliches Verfahren durchzuführen.“ Die Ansage des 61-Jährigen, der selbst in seiner Kindheit mit den Eltern aus Kuba geflohen war, an die Migranten von 2021 war eindeutig: „Sie müssen warten!“
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Er kam selber mit seinen Eltern einst als Flüchtling ins Land. Nun muss der neue US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas die Migranten aus Mittelamerika um Geduld bitten.
© Quelle: imago images/UPI Photo
Doch bei den Betroffenen stößt der Appell auf taube Ohren. Seit Joe Biden mit dem Versprechen einer humanen Flüchtlingspolitik ins Weiße Haus eingezogen ist, hat sich die Zahl der Asylsuchenden an der südlichen US-Grenze zu Mexiko dramatisch erhöht. Insgesamt 78.000 Geflüchtete wurden nach offiziellen Angaben alleine im Januar von den Behörden aufgegriffen – doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Seither haben nach einem Bericht der „New York Times“ noch weitere 119.000 Menschen illegal die Grenze überschritten.
Das sind Rekordwerte, die in Washington die Alarmglocken schrillen lassen. Zwar versichert Bidens Sprecherin Jen Psaki tapfer, man befinde sich nicht in einer Krise, sondern erlebe an der Grenze eine „besondere Herausforderung“. Aber vor allem die hohe Zahl unbegleiteter Kinder und Jugendlicher droht die Behörden bald zu überfordern. Während die Regierung nämlich die meisten Erwachsenen wieder über die Grenze zurückschickt und dort auf das Ergebnis ihres Asylantrags warten lässt, hat Joe Biden die Abschiebung unbegleiteter Minderjähriger gestoppt.
Erste Station: Eine Zelle an der Grenze
Deren Zustrom hat sich nun enorm erhöht. Amerikanische Medien zitierten am Dienstag aus internen Behördenunterlagen, denen zufolge sich die Zahl der an der Grenze festgehaltenen Jugendlichen in den vergangenen zwei Wochen auf 3250 verdreifacht hat. Täglich kommen derzeit rund 350 Minderjährige hinzu. Sie werden zunächst in gefängnisähnlichen Anlagen an den Grenzstationen untergebracht, erfasst und auf Covid-19 getestet. Laut Gesetz sollen sie binnen 72 Stunden an Notunterkünfte unter der Regie des Gesundheitsministeriums weitergeleitet werden. Doch inzwischen muss fast jeder Zweite länger als drei Tage in der Zelle verharren.
Die Notunterkünfte, in denen die Jugendlichen bleiben, bis Familienangehörige oder Pflegeeltern in den USA gefunden sind, operieren nämlich am Limit. Dort sind derzeit weitere 8100 minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Um Kapazitäten zu schaffen, hat die Regierung am Wochenende die coronabedingten Belegungsbeschränkungen aufgehoben und das wegen seines prekären Zustands umstrittene Zeltlager Carrizo Springs in Texas wieder eröffnet. Die Behörden treten jetzt sogar in Vorleistung und übernehmen die Flugkosten für die Weiterreise der Jugendlichen zu den Pflegeeltern. Doch bis diese gefunden, überprüft und ein möglicher Menschenhandel ausgeschlossen ist, vergeht Zeit.
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Die hat die Biden-Regierung aber nicht. In spätestens zwei Wochen dürften alle Notbetten belegt sein. Die oppositionellen Republikaner nutzen die Lage schon jetzt für Attacken. „Unsere Grenze ist wegen der katastrophalen Führung von Joe Biden jetzt völlig außer Kontrolle“, agitiert Ex-Präsident Donald Trump: „Stündlich fallen massenhaft Menschen ins Land ein, die nicht hier sein sollten, von Minute zu Minute wird es schlimmer.“ Gleichzeitig hagelt es Kritik von Asylaktivisten und linken Demokraten. „Das ist nicht okay. Das war nie okay. Und das wird nie okay sein“, beklagt die linke Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez die Zustände im Notlager Carrizo Springs. „Die Welle illegaler Grenzübertritte ist (…) zu einer Feuerprobe für die neue Regierung geworden“, kommentiert die „Washington Post“.
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Der Tag
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Tatsächlich steht für Biden nicht nur sein Wahlkampfversprechen einer humanitären Einwanderungspolitik auf dem Spiel. Der Präsident will mit einer großen Einwanderungsreform den bereits im Land lebenden elf Millionen Migranten ohne Papiere ein Aufenthaltsrecht verschaffen. Dazu aber braucht er die Stimmen der Republikaner im Senat. Die wird er kaum bekommen, wenn sich die Situation an der Grenze weiter zuspitzt. Doch an den Gründen für die Massenflucht – Gewalt, Armut, Korruption und Naturkatastrophen in Mittelamerika – kann Biden kurzfristig nichts ändern. Der Regierung bleibt derzeit nichts anderes, als um Geduld zu bitten. „Die vorherige Regierung hat das Einwanderungssystem unserer Nation komplett demontiert“, sagt Minister Mayorkas. Nun müsse man Strukturen und Abläufe ganz neu aufbauen: „Das ist hart, und das wird dauern.“