Krise an der US-Grenze: wie aus dem „Drehbuch von Donald Trump“
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Beamte der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde versuchen, die meisten Migranten bei der Überquerung des Rio Grande von Ciudad Acuna nach Del Rio, Texas, aufzuhalten.
© Quelle: Felix Marquez/AP/dpa
Washington. Es sollte die Woche der außenpolitischen Botschaften werden: Ein demonstratives Bekenntnis zur multilateralen Weltordnung vor den Vereinten Nationen am Montag, ein Treffen mit den Partnern des neuen indopazifischen Pakts im Weißen Haus am Freitag.
Am Mittwoch (Ortszeit) verkündete US-Präsident Joe Biden die Verdoppelung der amerikanischen Impfspenden für ärmere Länder. Doch als seine Sprecherin Jen Psaki wenig später vor die Presse trat, interessierte sich dafür niemand. Im Fokus der kritischen Nachfragen stand vielmehr ein heikles innenpolitisches Thema: die Lage an der Grenze zu Mexiko.
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Blick auf ein Lager von Migranten, viele aus Haiti, in der Nähe der texanischen Stadt Del Rio unter der Brücke International Bridge vom Grenzfluss Rio Grande.
© Quelle: Julio Cortez/AP/dpa
Dort spielen sich in dem kleinen texanischen Örtchen Del Rio seit Tagen Szenen ab, die nach Einschätzung der „New York Times“ „direkt aus dem (Anti-)Einwanderungsdrehbuch von Donald Trump stammen könnten“. Unter einer Autobahnbrücke campieren Tausende Migranten aus Haiti, die den Rio Grande durchquert haben und bei Temperaturen über 30 Grad Celsius mit wenigen Habseligkeiten auf ein besseres Leben in den USA hoffen.
Die genaue Zahl der Geflüchteten ist unbekannt, am Wochenende sollen es zeitweise rund 16.000 gewesen sein. Tausende weitere sollen sich in Mittelamerika auf dem Weg befinden.
Eine Verordnung aus Trump-Zeiten
„Unsere Grenzen sind nicht offen“, hat der amerikanische Heimatschutzminister Alejando Mayorkas unmissverständlich erklärt. Tatsächlich hat die Biden-Regierung stillschweigend eine Verordnung aus Trump-Zeiten verlängert, die mit der Corona-Pandemie verhängt worden war: Mit der offiziellen Begründung, eine Einschleppung von Covid-Infektionen verhindern zu wollen, werden Migranten mit Ausnahme von unbegleiteten Minderjährigen abgewiesen, bevor sie auf amerikanischem Boden Asyl beantragen können.
Diese Praxis wird von Menschenrechtsaktivisten seit Langem kritisiert, war in der amerikanischen Öffentlichkeit aber bislang kein großes Thema. Das hat sich geändert, seit Anfang der Woche verstörende Bilder von berittenen Grenzpolizisten auftauchten, die rund um die Grenzstadt Del Rio brutal Migranten zusammentrieben.
Auf einigen Aufnahmen wirkt es, als setzten die Beamten gar Peitschen gegen wehrlose Menschen ein. Das wird von der Grenzschutzpolizei CBP entschieden bestritten. Vielmehr sollen die Polizisten mit langen Lederzügeln versucht haben, in der chaotischen Lage ihre Pferde unter Kontrolle zu bringen.
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Das linksliberale Amerika ist empört
Die Empörung im linksliberalen Teil Amerikas mildert das nicht. „Menschen sollten so nie behandelt werden“, erklärte auch Vizepräsidentin Kamala Harris. Bidens Sprecherin Psaki nannte die Bilder „schrecklich“ und versicherte: „Wir werden diese unmenschliche Behandlung nicht dulden.“
Doch die Distanzierung von den schockierenden Auswüchsen ändert nichts an der grundsätzlichen Haltung der Biden-Regierung, die an den Abschiebungen in das von politischem Chaos, Gewalt und Hunger erschütterte Haiti festhält. Aus Protest gegen diese „inhumane Praxis“ trat am Donnerstag der amerikanische Sondergesandte für den Inselstaat, Daniel Foote, zurück.
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Präsident Biden befindet sich in einem Dilemma. Noch im Februar hatte er versprochen, „die nationale und moralische Schande der vorhergehenden Regierung“ in der Einwanderungspolitik zu beenden. Doch viele seiner administrativen Veränderungen werden von Gerichten und Bürokratie ausgebremst, seine große Reform des Einwanderungsrechts wird von den Republikanern im Kongress blockiert.
Gleichzeitig ist der Andrang illegaler Migranten an der Grenze in einem Maße hochgeschnellt, das die neue Administration nicht erwartet hatte und von den Republikanern für scharfe Polemik genutzt wird.
Der republikanische Gouverneur inszeniert fürs Fernsehen
„Was die Welt derzeit erlebt, sind die Folgen der Politik der offenen Grenzen der Biden-Regierung“, wettert Texas republikanischer Gouverneur Greg Abbott: „Sie zieht Menschen aus der ganzen Welt an. Das schafft ein totales Chaos.“ Fernsehwirksam ließ der Verbündete von Ex-Präsident Trump am amerikanischen Ufer des Flusses Rio Grande mithilfe zahlreicher Behördenfahrzeuge eine „Barriere aus Stahl“ errichten, die angeblich Menschen daran hindern soll, die Grenze zu überqueren.
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So einfach kann sich die Biden-Regierung die Sache nicht machen. Seit dem Wochenende hat sie begonnen, Hunderte Migranten in Del Rio in Flugzeuge zu setzen und nach Haiti abzuschieben. Das stößt auf massiven Protest von Menschenrechtsorganisationen und auch führenden Demokraten im Kongress. „Wir dürfen nicht diese hasserfüllte und fremdenfeindliche Trump-Politik fortsetzen, die unsere Flüchtlingsgesetze missachtet“, kritisierte etwa Chuck Schumer, der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, offen das Weiße Haus.
Die Abschiebungen sind besonders heikel, weil die meisten Migranten ihre ursprüngliche Heimat Haiti schon vor Jahren verlassen haben und zuletzt in südamerikanischen Ländern lebten. Nachdem sich ihre Situation durch die Corona-Pandemie dort massiv verschlechterte, haben sie sich auf die gefährliche Reise gen Norden begeben.
Dazu wurden sie, wie amerikanische Medien berichten, auch durch Falschinformationen in Onlinenetzwerken verleitet, wo behauptet wurde, die USA räumten allen Haitianern ein temporäres Aufenthaltsrecht ein. Tatsächlich gilt dieses Programm nur für Haitianer, die bereits in den USA leben.