Der Sturm auf das Kapitol ist eine Warnung auch für Deutschland

Nach dem Sturm: das Kapitol hinter Gittern.

Nach dem Sturm: das Kapitol hinter Gittern.

Die Ereignisse in Washington haben auch Wolfgang Schäuble aufgeschreckt. Der 78-jährige Bundestagspräsident, der weder zur Dramatisierung noch zur Panik neigt, bat bei der deutschen Botschaft in der US-amerikanischen Hauptstadt um einen Bericht über den Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol. Bereits jetzt werden Konsequenzen gezogen. Die Berliner Polizei verstärkt den Schutz der Parlamentsgebäude.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Tatsächlich hat Schäuble allen Grund zur Vorsicht. Zwar gingen der Sturm von Rechtsextremisten auf die Reichstagstreppe am 29. August sowie die von der AfD initiierte Störaktion während der Bundestagssitzung zum Infektionsschutzgesetz am 18. November gemessen an den „Capitol Riots“ glimpflich ab. Weder gab es Tote, noch gelang es Störern ohne Hausausweis, ins Innere des Reichstages vorzustoßen. Trotzdem sollte die Attacke in Washington jenen in Berlin eine Warnung sein.

Covid-19 forciert Krise

Denn auch wenn wir keinen gemeingefährlichen Präsidenten haben und die AfD sich als politischer Arm des Rechtsextremismus in einer Krise befindet: Bürger, die sich aufhetzen lassen, haben wir genug. Untersuchungen zufolge ist etwa ein Drittel der Deutschen für Verschwörungstheorien empfänglich. Von dort ist es zu Hass und Hetze nicht weit. Irrationalität und Militanz scheinen unter dem Eindruck der verschärften Covid-19-Pandemie eher noch zu wachsen. Die Corona-Krise forciert die Demokratiekrise.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Alarmierend ist überdies die Wehrlosigkeit der Sicherheitsbehörden im alten Herzen der westlichen Welt, auf die der Sturm auf die Reichstagstreppe in Berlin einen Vorgeschmack gab. Das gilt umso mehr, da die Polizei, die das Kapitol schützen soll, über 2300 Polizisten und Zivilangestellte verfügt, die Bundestagspolizei über lediglich 200. Gleichwohl hatte der Mob in den USA leichtes Spiel. Das lässt sich im Ganzen nur mit mangelnder Entschlossenheit zur Verteidigung der Demokratie erklären. Fotos lassen gar auf Kumpanei schließen.

Wie ein Aufputschmittel

Diese eklatante Schwäche des Rechtsstaates an einem Tag absehbar maximaler Bedrohung macht auch bei uns den Kern der Beunruhigung aus, weil wir derlei in Deutschland schon erlebt haben und das Fanal von Washington auf die hiesigen Akteure wie ein Aufputschmittel wirken muss: Seht her, was alles möglich ist! Die endlosen Berichte über Rechtsextremismus in unseren Sicherheitsbehörden bekommen hier eine neue Dringlichkeit.

Nicht nur Schäuble schwant jedenfalls, was sich immer mehr zur Gewissheit verdichtet: Nichts ist gefährlicher, als sich aufbauend auf sieben Jahrzehnten politischer Stabilität in Deutschland in falscher Sicherheit zu wiegen. Die Vorstellung, die Bedrohung durch Dialog abwehren zu wollen, erweist sich als illusionär. Der Angriff auf die Demokratie hier wie im Rest der Welt ist real und gefährlich. Die Demokraten müssen sich dagegen im wörtlichen Sinne wappnen.

Mehr aus Politik

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Top Themen

Deutschland
 
Sonstiges

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken