Corona-Politik – Die Willigen mitnehmen, die Leugner ignorieren

Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen halten Schilder mit dem Foto von Gesundheitsminister Jens Spahn und anderen Politikern in Sträflingskleidung und der Aufschrift “Schuldig”.

Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen halten Schilder mit dem Foto von Gesundheitsminister Jens Spahn und anderen Politikern in Sträflingskleidung und der Aufschrift “Schuldig”.

Berlin. Anhänger von Verschwörungstheorien haben es leicht: Sie müssen sich mit Menschen, die anderer Meinung sind, nicht auseinandersetzen. Denn jedes Argument, das nicht in ihr krudes Weltbild passt, wird sofort umgedeutet als Beleg dafür, dass ihre Theorie erst recht stimmt. So wird es nicht gelingen, einen Anhänger der Idee, die Welt werde von geheimen Organisationen geführt, vom Gegenteil zu überzeugen. Denn schon der Versuch wird den Wirrkopf darin bestärken, dass es diese Organisationen gibt, weil eines der Mitglieder gerade vor ihm sitzt und sich in Vertuschung übt.

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Das war auch in den vergangenen Tagen zu beobachten: Gesundheitsminister Jens Spahn sagt, dass einige der im Frühjahr verhängten Corona-Schutzmaßnahmen unverhältnismäßig gewesen seien. Und wenige Tage später erklärt Charité-Chefvirologe Christian Drosten, einen Corona-Infizierten müsse man eigentlich nur fünf Tage isolieren und nicht 14, wie das bisher in Deutschland üblich ist.

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Botschaft falsch adressiert

Und sofort fühlen sich die Verschwörungsideologen bestätigt. Sie hätten es doch gewusst: Corona sei eine bloße Erfindung der Politik, um die Demokratie abzuschaffen und die Menschen zu versklaven – das würden nun selbst Spahn und Drosten einräumen.

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Die Konsequenz muss heißen: Politiker, lasst es einfach. Es ist vergebene Liebesmüh. Diese Menschen wollen es nicht verstehen, sie kann man nicht überzeugen. Das schafft vielleicht nur ein Besuch auf einer Intensivstation mit beatmeten Covid-19-Patienten.

Sollte Spahn seine Äußerung nur an die Corona-Leugner gerichtet haben, war sie falsch adressiert. Sein Ansatz, Politik zu erklären und auch in der Rückschau zu beurteilen, ist jedoch dringend notwendig. Zwar genießt die Corona-Politik der Bundesregierung extrem hohe Zustimmungswerte, gleichwohl ist ein Unbehagen über den Lockdown im Frühjahr weit verbreitet.

Die Angst sitzt tief

Die Angst sitzt tief, dass so etwas ein zweites Mal notwendig werden muss. Deshalb ist es wichtig, die Unterschiede zwischen der damaligen und der jetzigen Situation aufzuarbeiten und immer wieder auch öffentlich zu erläutern – für den übergroßen Teil der Bevölkerung, der wirklich zuhören will.

Halten wir uns an die Fakten: Im März war fast nichts über das Virus bekannt. Ansteckungswege, die Gefährlichkeit, Langzeitfolgen oder Ähnliches waren unklar. Gleichzeitig war die Gesellschaft dem Virus fast schutzlos ausgeliefert: Es fehlten aktuelle Pandemiepläne, Schutzausrüstungen, Intensivbetten, Isolierstationen. Und in dieser Situation breitete sich das Virus exponentiell aus, weil es zu viele und zu große Infektionsherde gab.

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Wer es vergessen hat: Die Vollbremsung war nötig, um das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle zu bringen und Zeit zu gewinnen, um das Gesundheitswesen vorzubereiten. Einige Schutzmaßnahmen waren überzogen, etwa die totale Isolierung von Pflegebedürftigen. Andere wirken nur in der Rückschau so. Sie waren wirksam, doch was verhindert wurde, ist schließlich nicht spürbar.

Heute haben wir nicht nur den Umgang mit dem Virus gelernt, täglich wächst zudem das Wissen über Corona. Es ist nur konsequent, dieses neue Wissen dann öffentlich zu diskutieren, zu bewerten und dann in der Praxis umzusetzen. Das hat nichts damit zu tun, alle vorher getroffenen Entscheidungen infrage zu stellen. Es ist doch gerade die Stärke der Demokratie, lern- und anpassungsfähig zu sein.

Einen Vorwurf muss man Politik und Wissenschaft gleichwohl machen. Schon seit Monaten hätte alle politische und wissenschaftliche Energie darauf verwendet werden müssen, das Leben mit dem Virus für alle erträglich zu organisieren, um die Menschen bei ihren Sorgen abzuholen. Wo war und ist der Masterplan, um alle wichtigen Lebensbereiche virusfest zu gestalten? Wie kann es sein, dass in der Regierung zunächst niemand die Reiserückkehrer im Blick hatte? Wo sind die kontrollierten Studien, um zum Beispiel herauszufinden, ob im Unterricht Maskentragen, Stoßlüften oder Filteranlagen besser funktionieren? Und letztlich auch: Ist es tatsächlich nötig, Infizierte und Kontaktpersonen 14 Tage zu isolieren? Das alles hätte man längst klären und umsetzen können, ja müssen.

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