„Braucht hochrangiges Signal“: Auch Grüne und FDP für Scholz-Reise nach Kiew
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
© Quelle: Markus Scholz/dpa
Berlin. Nach den Ukraine-Besuchen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, des britischen Premiers Boris Johnson und des österreichischen Kanzlers Karl Nehammer mehren sich die Rufe danach, dass auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kiew reisen sollte. Zugleich wird die Ankündigung von der Leyens debattiert, der Ukraine ein deutlich beschleunigtes Aufnahme-Verfahren in die EU zu gewähren.
Nicht nur der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk forderte eine Reise von Scholz nach Kiew und sprach von einem „starken Signal“, das sie darstellen würde. Auch aus der CDU/CSU kamen Rufe nach baldigen Reisen des Kanzlers und von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne): „Die Besuche von Ursula von der Leyen und Boris Johnson sind Demonstrationen der Solidarität mit dem Freiheitskampf der Ukraine. Und sie sind ein Signal an Wladimir Putin, dass er seinem Ziel, die Ukraine zu zerstören, ferner ist denn je“, sagte Unionsfraktionsvize Johann Wadephul dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es stünde auch der Bundesregierung an, ein solches Signal durch den Besuch der Außenministerin, besser aber des Bundeskanzlers, zu setzen.“
Wadephul fügte hinzu, ein solches Zeichen wäre umso wichtiger, weil „viele in der Ukraine zutiefst enttäuscht sind von der zaghaften Politik der Bundesregierung in Fragen des Energieembargos und der Waffenlieferungen“, so der CDU-Außen- und Verteidigungspolitiker. „Deshalb sollte die Bundesregierung in Kiew nicht mit leeren Händen erscheinen.“
Auch die Grünen wünschen sich ein solches Zeichen: „Jetzt braucht es aber vor allem ein sehr hochrangiges politisches Signal aus Deutschland“, sagte ihr europapolitischer Sprecher, Robin Wagener, dem RND. „Und dieser Vertreter darf dann nicht nur mit Worten reisen, sondern mit der dringend benötigten Zusage für weitere und schwerere Waffen.“
Es drohe eine dramatische russische Offensive im Osten der Ukraine und die brutale Besatzung der eroberten Gebiete, so der Grüne. „Selbstverteidigung richtet sich auch dagegen und muss die Befreiung ermöglichen. Die Ukraine braucht mehr und schwerere Waffen.“
Grüne: „ Ukraine braucht mehr und schwere Waffen“
Das fordert auch Botschafter Melnyk: „Es wäre von zentraler Bedeutung, dass der Besuch vom Kanzler Scholz gleichzeitig von neuen strategischen Entscheidungen der Ampel-Koalition begleitet würde.“ Dazu zählt er vor allem sofortige Waffenlieferungen, die „für die Bundesrepublik durchaus verkraftbar wären, ohne die Landesverteidigung oder die Verpflichtungen in der Nato zu schwächen“: Leopard-Kampfpanzer, Marder-Schützenpanzer, Panzerhaubitzen und Artillerieortungsgeräte aus den Beständen.
Johnson trifft Selenskyj in Kiew - neue Waffenlieferungen angekündigt
Der britische Premierminister Boris Johnson ist unangekündigt nach Kiew gereist und hat dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen.
© Quelle: Reuters
Dies hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zuvor abgelehnt, da die Bundeswehr auf das Gerät sowohl zur Abschreckung an der Nato-Ostflanke, als auch für Übungen und Ausbildung benötige. Zugleich betonte sie, dass Deutschland „auch in solchen Zeiten das langfristige Ziel von Abrüstung insgesamt nicht aus den Augen verlieren“ dürfe. „Und das werden wir nicht“, sagte sie der Augsburger Allgemeinen. „Für uns als SPD ist es wichtig, dass wir immer auch Friedensmacht sein wollen.“
Der britische Premierminister Boris Johnson hatte bei seinem Besuch in Kiew am Samstag die Lieferung von 120 gepanzerten Fahrzeugen und von Anti-Schiff-Raketen zugesagt. Bereits am Freitag waren eine EU-Delegation unter Leitung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der slowakische Regierungschef Eduard Heger dort. Nach seinem gemeinsamen Besuch mit von der Leyen forderte auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verstärkte Waffenlieferungen in die Ukraine.
Scholz hatte am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Johnson in London auf die Frage nach einer möglichen Kiew-Reise gesagt: „Über Reisepläne teilen wir beide, glaube ich, immer dann etwas mit, wenn wir losfahren.“
Auf die Ankündigung eines beschleunigten Aufnahme-Verfahrens für die Ukraine durch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen reagierten Union und SPD derweil zurückhaltend. „Staaten, die schon lange hart für ihre Beitrittsperspektive arbeiten, dürfen nicht vor den Kopf gestoßen werden“, sagte Wadephul. Die Ukraine sollte mittelfristig der EU beitreten können. „Doch dazu muss es einen klaren Konsens der Mitgliedstaaten geben, sonst droht dies langfristig die EU zu zerreißen.“
Auch SPD-Europapolitiker Christian Petry nannte es „richtig, das positive Signal der Beitrittsperspektive gegenüber der Ukraine jetzt zu geschlossen zu senden“. Der EU-Beitritt sei jedoch „ein längerer Prozess, der Fortschritte in verschiedenen Bereichen erfordert. Die möglichst zügige Aufnahme von formellen Beitrittsgesprächen wäre ein erster sinnvoller Schritt, ohne dass man andere Beitrittskandidaten zurücksetzten würde.“
Grünen-Europapolitiker Wagener erläuterte: „Es ist richtig, dass die zuständige Kommission nach Wegen sucht, das Verfahren zu beschleunigen.“ Dabei dürfe es aber nicht um das Absenken von Voraussetzungen für den EU-Beitritt gehen, so Wagener, „sondern um intensive Unterstützung der Ukraine auf dem Weg in die EU und um eine Abstimmung mit den Beitrittsprozessen anderer Staaten“.
Optimistischer reagierte die FDP: „Der übliche sehr langwierige Aufnahmeprozess kann sicherlich beschleunigt werden“, sagte ihr außenpolitischer Sprecher, Ulrich Lechte, dem RND. Dabei müssten rechtsstaatliche und marktwirtschaftliche Prinzipien als Grundpfeiler der EU-Wertegemeinschaft gewährleistet bleiben. „Da schon vor Jahren ein EU-Assoziierungsabkommen unterschriftsreif war, ist eine rasche Aufnahme aber darstellbar“, so der Liberale.