Es muss „schnell gehen“

EU-Justiz­minister wollen Beweise für Kriegs­verbrechen in der Ukraine sammeln

Eine Passantin geht an einem zerstörten Wohnhaus in Butscha bei Kiew vorbei.

Eine Passantin geht an einem zerstörten Wohnhaus in Butscha bei Kiew vorbei.

Prag. Auf den ersten Blick schien die Sache klar: Der Raketen­angriff auf ein Einkaufs­zentrum in der ukrainischen Stadt Krementschuk Ende Juni war ein Kriegs­verbrechen. Der russische Präsident Putin und die Verantwortlichen für den Angriff, bei dem mehr als ein Dutzend Menschen starben, würden dafür Rechenschaft ablegen müssen, hieß es in einer Erklärung der G7.

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Doch das ist leichter gesagt als getan. Von Hinweisen auf ein Kriegs­verbrechen über Beweise dafür und schließlich bis zur Ermittlung und Bestrafung von Kriegs­verbrechern ist es ein langer Weg. Die EU will sich nun zusammen mit dem Internationalen Straf­gerichtshof in Den Haag darum bemühen, Hinweise auf Kriegs­verbrechen systematisch zu sammeln und zu katalogisieren. Das soll die konsequente Straf­verfolgung der Täter ermöglichen.

Ermittlungs­verfahren zu Kriegs­verbrechen werden wohl „viele Jahre“ dauern

Das wird lange Zeit in Anspruch nehmen. Bundes­justiz­minister Marco Buschmann (FDP) sagte, er rechne damit, dass die Ermittlungs­verfahren wegen mutmaßlicher Kriegs­verbrechen im Zusammen­hang mit dem russischen Angriffs­krieg gegen die Ukraine „viele Jahre“ dauern werden. Er sei aber zuversichtlich, dass „wir die Kriegs­verbrechen sühnen werden, die auf dem Boden der Ukraine begangen wurden“, so Buschmann am Dienstag am Rande eines Treffens der EU-Justiz­minister in der tschechischen Hauptstadt Prag.

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Vorbild seien die Prozesse gegen syrische Kriegs­verbrecher in Deutschland. Es sei am Ende doch gelungen, einige „Folter­knechte von Assad“ in Deutschland vor Gericht zu stellen, sagte Buschmann. Der Krieg in Syrien dauert allerdings bereits mehr als zwölf Jahre, und längst nicht alle mutmaßlichen Kriegs­verbrecher sind ermittelt, geschweige denn verurteilt.

Der FDP-Politiker mahnte zur Eile. Mit dem Sammeln von Zeugen­aussagen müsse es „schnell gehen“. Denn viele Menschen in der Ukraine seien wegen des Kriegs­geschehens traumatisiert. „Ihr Wissen geht deswegen oft verloren“, sagte Buschmann.

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer traumatisiert: Sammlung von Zeugen­aussagen ein Wett­rennen gegen die Zeit

Es ist also ein Wett­rennen gegen die Zeit. Die luxemburgische Justiz­ministerin Sam Tanson regte in Prag an, dass Geflüchtete aus der Ukraine bei Ankunft in der EU Flug­blätter ausgehändigt bekommen sollten. Darauf sollten Informationen stehen, welche Behörden Aussagen über mutmaßliche Kriegs­verbrechen entgegen­nehmen.

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Charkiw unter Beschuss: Ukraine erwartet russische Groß­offensive im Donbass
02.07.2022, Ukraine, Charkiw: Ukrainische Soldaten ändern ihre Position an der Frontlinie in der Nähe von Charkiw, Ukraine. Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Russland versucht weiter, im Donbass die Region Donezk vollständig unter seine Kontrolle zu bekommen, nachdem dies in Luhansk bereits gelungen ist.

Mit den Aussagen soll dann eine Daten­bank der EU-Agentur Eurojust gefüttert werden, kündigte EU-Justiz­kommissar Didier Reynders an. Eurojust koordiniert die Zusammen­arbeit der EU-Staaten in Justiz­angelegenheiten.

Wegen des russischen Angriffs­kriegs gegen die Ukraine soll Eurojust nun eine größere Rolle spielen. Die Behörde in der niederländischen Stadt Den Haag soll Aussagen, Videos und Satelliten­bilder zu mutmaßlichen Kriegs­verbrechen sammeln und mit dem Internationalen Straf­gerichts­hof sowie ukrainischen Behörden teilen. Das Material müsse an einer Stelle gesammelt werden, betonte EU-Kommissar Reynders, um Doppel­ermittlungen zu vermeiden.

Neuer Speicher für Beweis­mittel

Zwar werden in der Ukraine schon heute Beweise für mögliche Straf­taten zusammen­getragen. Doch wegen der Kriegs­handlungen können Beweis­mittel dort nicht sicher aufbewahrt werden. Das soll nun in einem zentralen Back-up-Speicher bei Eurojust geschehen.

Namenlos in den Tod: Putin schickt Straf­gefangene an die Front

Russland trommelt jetzt in den Gefängnissen Männer für anonyme und riskante Einsätze im Donbass zusammen. Den Gefangenen wird Straf­freiheit zugesagt – aber kein Ausweis und kein Rück­transport der Leiche im Todes­fall. Schon Stalin griff einst zu solchen Methoden.

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Reynders forderte die EU-Mitglieds­staaten auf, stärker als bisher geschehen die Vermögens­werte russischer Oligarchen einzufrieren. Zwar seien seit Beginn des Angriffs­kriegs am 24. Februar Jachten, Immobilien und andere Vermögens­werte in Höhe von 13,8 Milliarden Euro eingefroren worden. Doch mit mehr als 12 Milliarden Euro entfalle der Großteil der Summe auf fünf Mitglieds­staaten. Die anderen Staaten müssten mehr machen, sagte Reynders. Welche Staaten besonders hart gegen Oligarchen vorgehen, wollte der EU-Kommissar nicht sagen.

Bundes­justiz­minister Buschmann verwies darauf, dass es nach deutschem Recht nicht möglich sei, Vermögens­werte von sanktionierten Personen ohne Entschädigung zu enteignen. Es helfe der Ukraine nicht, „wenn wir einem Oligarchen ein Boot wegnehmen und ihm dafür Geld zahlen müssen“, sagte Buschmann.

Es gebe aber das sogenannte Instrument der Vermögens­abschöpfung, so der FDP-Politiker. Russische Oligarchen, die Putin nahestehen, könnten damit bestraft werden. Allerdings müsse ihnen nachgewiesen werden, dass sie das Vermögen unrechtmäßig erworben haben. Das wiederum sei oftmals sehr schwierig.

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