Vorwurf der „schmutzigen Bombe“: Sicherheitsexperte warnt vor möglicher „False Flag“-Operation
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Russland wirft der Ukraine vor, den Einsatz einer „schmutzigen Bombe“ auf eigenem Territorium zu planen.
© Quelle: Libkos/AP/dpa
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu behauptet, die Ukraine plane zur Diskreditierung Moskaus die Zündung einer radioaktiven Bombe auf eigenem Gebiet. Schoigu habe „seine Besorgnis über mögliche Provokationen der Ukraine mithilfe einer ‚schmutzigen Bombe‘ übermittelt“, teilte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Als „schmutzige Bombe“ werden konventionelle Sprengsätze bezeichnet, die auch radioaktives Material verstreuen.
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Die Ukraine weist die Vorwürfe aus Moskau entschieden zurück. „Die russischen Lügen über angebliche Pläne der Ukraine, eine ‚schmutzige Bombe‘ zu nutzen, sind so absurd, wie sie gefährlich sind“, schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter. „Die Russen beschuldigen andere oft dessen, was sie selber planen“, warnte Kuleba in Kiew.
„Schmutzige Bombe“: Sicherheitsexperte sieht keinen Sinn für die Ukraine
Dass es sich um ernst zu nehmende Behauptungen Moskaus handelt, daran glaubt der Sicherheitsexperte Dr. Oliver Meier vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) nicht. „Dahinter steckt nichts, was der Wahrheit entspricht. Das kann man mit relativ hoher Sicherheit sagen“, sagt er gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Das habe vor allem einen Grund: Bei dem Einsatz von „schmutzigen Bomben“ gehe es darum, Territorium nuklear zu verseuchen. „Die Ukraine hat das erklärte Ziel, ihr gesamtes Staatsgebiet zu befreien. Da würde es wenig Sinn ergeben, einen Teil des Territoriums für einen großen Zeitraum unzugänglich zu machen“, erklärt Meier. Diese Vorwürfe würden sich in eine Vielzahl russischer Aussagen einreihen, nach denen letztlich nichts Derartiges passiert sei.
Betreibt Russland eine „False Flag“-Operation?
Warum Russland aktuell und immer wieder Falschinformationen verbreitet, ist unbekannt. „Die genaue Motivation kennen wir natürlich nicht“, sagt der Sicherheitsexperte. Ein mögliches Ziel Russlands könnte aber sein, Unsicherheit zu schaffen. Einige Staaten könnten Moskau Glauben schenken oder zumindest skeptisch gegenüber der Ukraine werden, vermutet er. „Ähnliche Vorwürfe im Bio- und Chemiewaffenbereich sind von Russland bis in den UN-Sicherheitsrat getragen worden“, erklärt Meier.
Die schlimmste Befürchtung sei laut dem Sicherheitsexperten, dass Russland eine sogenannte „False Flag“-Operation betreibe. „Man wirft dem Gegner die Vorbereitung eines Waffeneinsatzes vor, um ihn anschließend selbst auszuführen“, erklärt Meier eine mögliche Strategie Moskaus. Ob dieses Szenario tatsächlich eintrete, sei ungewiss.
Einsatz von „schmutziger Bombe“ für Russland vorteilhafter als für die Ukraine
Für Russland wäre der Einsatz einer „schmutzigen Bombe“ in der aktuellen Kriegssituation vorteilhafter als für die Ukraine, schätzt der IFSH-Experte ein. „So könnten die Vorstöße der Ukrainer in den umkämpften Gebieten aufgehalten werden.“ Technisch sei der Bau und der Einsatz einer „schmutzigen Bombe“ nicht schwierig. „Es geht darum, radioaktives Material in einem möglichst großen Radius auszubringen, um Gelände unzugänglich zu machen“, erklärt Meier. Dazu könnten jegliche strahlende Stoffe genutzt werden, beispielsweise auch Material aus Atomkraftwerken. Der Aufwand der Dekontamination sei dagegen sehr hoch.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine läuft seit Monaten nicht so, wie von Moskau geplant. Der Vormarsch geriet zunächst ins Stocken, inzwischen sind die russischen Einheiten sogar teilweise in die Defensive geraten. Vor diesem Hintergrund mehren sich Spekulationen über einen möglichen russischen Einsatz taktischer Atomwaffen gegen das Nachbarland. Moskau bestreitet derartige Absichten.
Mit dpa