Immer mehr Niederlagen

Steht Putins letzter Jahreswechsel als Präsident bevor?

Russlands Präsident Wladimir Putin nimmt an einem Gipfeltreffen des Zwischenstaatlichen Rates der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) teil.

Russlands Präsident Wladimir Putin nimmt an einem Gipfeltreffen des Zwischenstaatlichen Rates der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU) teil.

Nach Eislaufen wird Russlands Präsidenten Wladimir Putin in diesen Tagen wohl nicht zumute sein. Dabei preisen Reiseführer gerne die mehr als 1400 Eislaufbahnen an, die es allein in Moskau gibt. Schon Zar Peter der Große, mit dem sich Putin selbst gerne vergleicht, war begeisterter Schlittschuhläufer. Doch angesichts der immer neuen Niederlagen und Rückschläge in der Ukraine, dürfte Putin die Lust auf Eislaufen vergangen sein. Wird es sogar sein letzter Jahreswechsel als russischer Präsident?

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Der Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck glaubt das nicht. „Putin ist verfassungsrechtlich bis Mai 2024 im Amt und wenn er nicht stirbt und nicht gestürzt wird, wird er noch mindestens einen weiteren Jahreswechsel als Präsident erleben“, sagt er im Gespräch mit dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Ein Sturz Putins könne nur mit einer Palastrevolte erreicht werden, die aus dem Sicherheits- und Militärapparat im Kreml komme. „Es gibt derzeit aber noch kein Anzeichen für eine größere Uneinigkeit in der russischen Führung.“ Von einem Sturz sieht er Putin noch weit entfernt. Wenn Russland in der Ukraine aber vor einer katastrophalen Niederlage stehen sollte, hält der Experte eine Palastrevolte für möglich.

Russlands Vernichtungskrieg ist teuer und die Wirtschaft säuft ab

Moskaus brutaler Vernichtungskrieg gegen die Ukraine ist teuer. Laut „Forbes Ukraine“ belaufen sich die Militär­ausgaben Russlands für die ersten neun Monaten Krieg auf etwa 82 Milliarden US‑Dollar. Das entspricht einem Viertel der Staats­einnahmen 2021. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas gehen wegen der westlichen Sanktionen jedoch nun zurück. Auch andere Teile der russischen Wirtschaft bekommen die Sanktionen zu spüren. Eine Studie der Yale University kam bereits vor Monaten zum Ergebnis: „Der Rückgang der Wirtschaftskraft und Sanktionen lähmen die russische Wirtschaft katastrophal.“ Die Produktions­volumen in den für Russland wichtigen Branchen Haushaltsgeräte, Eisenbahn, Stahl, Textilien, Batterien, Bekleidung und Gummi ging um weit über 20 Prozent zurück, dokumentierten die Autoren der Studie. Sogar ein Panzerhersteller habe seine Mitarbeiter vorübergehend beurlauben müssen, weil Material fehlte.

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Die Kritik an Putin, aber vor allem an seinem Verteidigungs­minister Sergei Schoigu, nimmt zu, beobachtet Russland-Experte Mangott. „Es gibt direkte Attacken durch Militärblogger und aus rechts­nationalistischen Kreisen, die Schoigu die Schuld für den sehr schlechten Kriegsverlauf geben.“ Auch in der Bevölkerung habe sich die Stimmung mittlerweile verändert. „Immer mehr Menschen sagen, wir könnten diesen Krieg verlieren“, berichtet er. Die Angst in der Bevölkerung vor diesem Krieg und die Besorgnis über die Auswirkungen seien deutlich gestiegen.

Bundeskanzler Scholz berichtet von Telefonaten mit Putin

„Es ist wichtig, dass man redet, selbst wenn man völlig unterschiedlicher Meinung ist“, sagte Scholz.

Tote Russen erhöhen Druck auf Putin

Doch die Wirtschaftskrise in Russland und der desaströse Kriegsverlauf sind nicht die einzigen Probleme des Kremlchefs. Er hat bereits so viele Russen an der Front als Kanonen­futter verheizt, dass ein Rückzug aus der gesamten Ukraine einer Bankrott­erklärung gleichkäme. Etwa 100.000 russische Soldaten sind nach ukrainischen Angaben mittlerweile bei den Kämpfen getötet worden. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Der Kreml machte aus den Todeszahlen lange ein Staatsgeheimnis und veröffentlichte zuletzt die Zahl von 5937 getöteten Russen. Experten gehen von 40.000 bis 50.000 russischen Soldaten aus, die bisher ums Leben kamen. Hinzu kommen Zehntausende, die so schwer verwundet sind, dass sie nicht mehr kämpfen können.

Wer den Kreml nicht im Sarg verlässt, muss damit rechnen, von seinen Nachfolgern gerichtlich verfolgt zu werden.

Gerhard Mangott,

Professor an der Universität Innsbruck mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen und Sicherheitsforschung im postsowjetischen Raum

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Jeder weitere Tote erhöht den Druck auf den russischen Machthaber. Denn würde sich Russland hinter die Grenze vom 24. Februar 2022 zurückziehen müssen, wären sie alle umsonst gestorben. Und wenn er einfach seinem Nachfolger die Frage überlässt, wie Russland aus dem Krieg wieder herauskommt? „Jetzt einfach abzutreten und einem Nachfolger die Lösung des Kriegs zu überlassen, bedeutet für Putin ein immenses Risiko“, sagt Experte Mangott. „Wer den Kreml nicht im Sarg verlässt, muss damit rechnen, von seinen Nachfolgern gerichtlich verfolgt zu werden.“ Für Putin bestehe auch die Gefahr, vom neuen Kremlchef an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert zu werden.

Russlands Präsident wird sich daher mit aller Kraft versuchen, an der Macht zu halten. Dazu hat er vorgesorgt und 2020 mit einer Verfassungsreform die Möglichkeit geschaffen, nach zwei Amtszeiten erneut kandidieren zu dürfen. Er kann sich daher 2024 und auch 2030 als Präsident wiederwählen lassen. Das wird Putin auch, glaubt Experte Mangott. „In der jetzigen Situation halte ich eine erneute Kandidatur Putins für sehr, sehr wahrscheinlich – außer, der Krieg in der Ukraine geht desaströs verloren.“

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