Russische Propaganda

Moskaus Vergeltung für Makijiwka – viel heiße Luft

Auf diesem vom Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums veröffentlichten Videostandbild feuern mehrere Raketenwerfer.

Auf diesem vom Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums veröffentlichten Videostandbild feuern mehrere Raketenwerfer.

Zwei Tage hatte es gedauert, bis ein Sprecher der russischen Armee bestätigte: 63 eigene Soldaten seien an Neujahr kurz nach Mitternacht in Makijiwka durch ukrainische Himars-Raketen getötet worden. Vier Tage nach dem Rückschlag korrigierte sich Moskau: Durch die auf den ukrainischen Schlag folgende Explosion von Dieselbehältern hätten 89 Menschen ihr Leben verloren, unter anderem der stellvertretende Regimentskommandant. Zu diesem Zeitpunkt berichtete die ganze Welt schon von Hunderten toten russischen Soldaten, vermutlich zwischen 300 und 400, Bilder des total zerstörten Gebäudes, einer ehemaligen technischen Hochschule, machten die Runde.

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+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

In Russland sorgte das Eingeständnis eigener Opfer für Empörung, vor allem die sehr populären Militärblogger wüteten gegen die eigene militärische Führung, welche die „Tragödie von Makijiwka“ als Resultat der Verfehlungen einer politisierten und korrupten Armeeführung betrachten. Was angesichts von geschätzten 112.000 russischen Kriegstoten doch überrascht.

Sieben Tage waren seit dem verheerenden Himars-Schlag von Makijiwka vergangen, da verkündete Igor Konaschenkow, Sprecher des Moskauer Verteidigungs­ministeriums, einen gelungenen Vergeltungsschlag.

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Infolge eines massiven Raketenangriffs auf diese provisorischen Stützpunkte der ukrainischen Armee wurden mehr als 600 ukrainische Soldaten vernichtet.

Igor Konaschenkow,

Sprecher des russischen Verteidigungs­ministeriums

Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben des Moskauer Verteidigungs­ministeriums ukrainische Kasernen in Kramatorsk mit Raketen getroffen und dabei Hunderte Soldaten getötet. Für die am Sonntag von Sprecher Igor Konaschenkow gemachten Angaben war zunächst keine unabhängige Bestätigung zu erhalten. Ein ukrainischer Militär­sprecher wies die Moskauer Darstellung zurück und sagte, es sei kein einziger ukrainischer Soldat bei dem Angriff auf Kramatorsk getötet worden.

Gefechte um Bachmut und Soledar: Schwere Kämpfe in der Ostukraine dauern an
16.12.2022, Ukraine, Bachmut: Ukrainische Soldaten feuern eine Pion (M-1975)  Kanonenhaubitze auf russische Stellungen. Foto: Libkos/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Im Osten der Ukraine wird weiter heftig gekämpft. Im Donbass und in der Region Charkiw sind zahlreiche Ortschaften unter Beschuss.

„Infolge eines massiven Raketenangriffs auf diese provisorischen Stützpunkte der ukrainischen Armee wurden mehr als 600 ukrainische Soldaten vernichtet“, verkündete Konaschenkow.

Eine Zahl also, die allein dadurch für Genugtuung bei gedemütigten russischen Patrioten sorgen sollte, weil sie nicht nur die von Moskau eingestandenen eigenen Opfer von Makijiwka um ein Vielfaches übertraf – sondern auch die im Westen kolportierten Zahl, der gut informierte Russen vermutlich viel mehr vertrauen.

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700 ukrainische Soldaten in Schlafsaal Nummer 28

Moskau konkretisierte sogar: 700 ukrainische Soldaten sollen sich in Schlafsaal Nummer 28 und 600 Soldaten in Schlafsaal Nummer 47 aufgehalten haben. Fast die Hälfte all dieser Soldaten soll beim Angriff auf die zwei Gebäude getötet worden sein.

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Weil bekanntermaßen das erste Opfer im Krieg stets die Wahrheit ist, hat man sich auch daran gewöhnt, dass die gegnerische Seite solche Erfolgsmeldungen umgehend dementiert. Und auch der Militär-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) gibt sich äußerst skeptisch.

Es gab keine offensichtlichen Anzeichen dafür, dass dort Soldaten gelebt haben.

Ein Reuters-Journalist

„Das ist Unsinn“, äußerte Sergej Tscherewatyj, Sprecher der ukrainischen Streitkräfte im Osten des Landes, umgehend gegenüber CNN. Tatsächlich fand ein Team des amerikanischen Senders vor Ort auch keinerlei Hinweise auf massive Opfer.

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Keine ungewöhnlichen Aktivitäten in und um Kramatorsk seien festzustellen gewesen, hieß es. Gähnende Leere auch im städtischen Leichenschauhaus, berichtete das Team.

Auch ein Reuters-Reporter vor Ort meldete keine Anzeichen eines bedeutenden russischen Angriffs auf die zwei Studentenwohnheime. „Es gab keine offensichtlichen Anzeichen dafür, dass dort Soldaten gelebt haben, und keine Anzeichen von Leichen oder Blutspuren“, heißt es in dem Reuters-Bericht.

Auf Twitter werden Aufnahmen des Ortes und der beschrieben Gebäude gepostet.

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Der Bürgermeister von Kramatorsk, Oleksandr Hontscharenko, bestätigte lediglich, dass 34 Privathäuser und 8 Mehrfamilienhäuser beschädigt worden seien. Die ukrainische Regional­verwaltung von Donezk teilte mit, sieben russische Raketen hätten Kramatorsk und zwei weitere Konstantyniwka getroffen, es habe aber glücklicherweise weder Tote noch Verletzte gegeben.

Auch unter russischen Militärbloggern sorgt das für Ärger, schreibt die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW). Es sei nicht einmal klar, wer angeblich gesagt haben soll, dass 600 ukrainische Soldaten auf einmal starben, wenn das Gebäude tatsächlich nicht einmal getroffen wurde, schreibt der russische Telegramkanal „Militärinformationen“.

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Propagandamaschine in sowjetischer Tradition

Die erfundene Revanche für Makijiwka – sie ist der vorläufige Tiefpunkt einer auf Desinformation und Lüge gebrieften Propagandamaschine in schlechtester sowjetischer Tradition. Zuvor hatte Moskau verkündet, mit „hochpräzisen Angriffen“ seien mehrere Himars-Systeme vernichtet worden – darunter auch jene, die Makijiwka attackiert hätten. Ukrainische Blogger rechneten daraufhin vor, dass laut russischen Angaben bereits 27 solche Mehrfachraketenwerfer vernichtet wurden, während die Amerikaner aber bislang nur 20 geliefert hätten.

Zudem hatte Moskau behauptet, zwei der Himars und mehr als 200 ukrainische Soldaten seien einem Angriff auf ein Eishockeystadion in Druschkiwka vernichtet worden. Auch das schien eher dem Reich der Fantasie entnommen.

Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Foto zeigt Wladimir Putin (l), Präsident von Russland, bei einer Videokonferenz mit Sergej Schoigu, Verteidigungsminister von Russland, und Igor Krokhmal, Kommandeur der Fregatte (r, Monitor) «Admiral der Flotte der Sowjetunion Gorschkow», auf einem Fernsehbildschirm, in Moskau. Vor dem Hintergrund anhaltender Probleme in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin die neue Hyperschallrakete «Zirkon» in Dienst gestellt.

Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Foto zeigt Wladimir Putin (l), Präsident von Russland, bei einer Videokonferenz mit Sergej Schoigu, Verteidigungsminister von Russland, und Igor Krokhmal, Kommandeur der Fregatte (r, Monitor) «Admiral der Flotte der Sowjetunion Gorschkow», auf einem Fernsehbildschirm, in Moskau. Vor dem Hintergrund anhaltender Probleme in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin die neue Hyperschallrakete «Zirkon» in Dienst gestellt.

Auch unter dem Eindruck der Makijiwka-Schmach ließ sich Präsident Wladmir Putin am Mittwoch, 4. Januar, öffentlichkeitswirksam in einer Videokonferenz mit der Fregatte „Gorschkow“ verbinden. Diese sei nämlich mit „Hyperschall-Marschflugkörpern“ Richtung Atlantik entsandt worden – wer denkt da nicht umgehend an Adolf Hitlers Versprechen aus dem letzten Kriegsjahr, mit Wunderwaffen, die auch noch das „V“ für Vergeltung im Namen trugen, die kriegswende zu schaffen?

Ich bin sicher, dass solch eine mächtige Waffe es erlaubt, Russland zuverlässig vor äußeren Drohungen zu schützen und die nationalen Interessen unseres Landes abzusichern.

Wladimir Putin, Russlands Präsident

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Jedenfalls erklärte Putins Verteidigungsminister Sergekj Schoigu unter zustimmendem Nicken seines Chefs, die „Gorschkow“ sei in der Lage, „den Feind zu Wasser und zu Lande punktgenau und schlagkräftig zu bekämpfen“. Die Geschosse vom Typ Zircon flögen mit neunfacher Schallgeschwindigkeit und könnten jedes Raketenabwehrsystem überwinden. Ein verräterisches Versprechen, denn „punktgenau und schlagkräftig“ sind zwei Attribute, für die russische Systeme bislang nicht bekannt sind.

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