Strafe für Putins Kriegsverbrechen: Deutschland und Niederlande prüfen eigenes Tribunal
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Bundeskanzler Olaf Scholz und Mark Rutte, Ministerpräsident der Niederlande.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Rotterdam. Eigentlich war Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit einem halben Dutzend Ministerinnen und Ministern zu Regierungskonsultationen über Sicherheitspolitik und die Zukunft Europas nach Rotterdam gereist. Die Liste der Themen war lang, auch Energie, Klima, Verkehr und Migration standen auf der Agenda. An diesem Montag gab es aber nur ein Thema: die Marathonsitzung der Spitzen der Ampelkoalition in Berlin, die von Sonntagabend, 18 Uhr, bis Montagmittag gedauert hatte und am Dienstag fortgesetzt werden soll.
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So sah sich der Kanzler gezwungen, gleich nachdem er die Gangway und den roten Teppich in den Niederlanden hinter sich gelassen hatte, eine Botschaft in die Heimat zu senden. „Die Gespräche, die wir bisher geführt haben – sehr vertraulich –, sind eine gute Grundlage, um sie morgen fortzusetzen“, sagte er unerschütterlich und sprach sogar von einer „ganz netten Unterbrechung“.
Lindner ließ alle warten
Der Kanzler und ein Teil seiner Kabinettskollegen hatten in der Nacht vor dem Flug nach Rotterdam kein Auge zumachen können. Der Koalitionsausschuss war nach 19 Stunden ergebnisloser Verhandlungen am Vormittag unterbrochen worden. Nach Dusche und Kleiderwechsel flogen der Kanzler, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock und Verkehrsminister Volker Wissing per Hubschrauber zum Flughafen BER. Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt, der eigentlich auch mitreisen sollte, blieb in Berlin. Seine Aufgabe ist es, die Fortsetzung der Marathonsitzung am Dienstagvormittag vorzubereiten.
Die Kabinettsmitglieder stiegen wortlos in die graue Militärmaschine der Luftwaffe. Bereits im Flieger warteten Verteidigungsminister Boris Pistorius und Kulturstaatsministerin Claudia Roth – beide waren beim Koalitionsausschuss nicht dabei. Auf Finanzminister Christian Lindner mussten alle warten – er traf etwa 15 Minuten nach den anderen per Auto auf dem Rollfeld ein. Den Kanzler und das halbe Kabinett ein Viertelstunde warten zu lassen ist eine grobe Unhöflichkeit – in der Nacht zuvor wird Lindner dafür reichlich gute Gründe gesammelt haben.
In den Gesprächen mit dem niederländischen Kabinett lief es dann bedeutend reibungsloser als im Koalitionsausschuss in Berlin. Der niederländische Premier und Kanzler Scholz tauschten gut gelaunt Freundlichkeiten aus. Rutte, der selbst mit vier Parteien regiert, zeigte Verständnis dafür, dass die Deutschen nach einer schlaflosen Nacht mit rot geränderten Augen angereist waren. „Es ist unvermeidlich bei komplexen Koalitionen“, sagte Rutte.
Engere Kooperation in der Sicherheitspolitik vereinbart
Inhaltlich bekräftigten beide Regierungschefs die fortgesetzte Unterstützung der Ukraine. Rutte erklärte weiter, wichtig sei, dass man gemeinsam so viele Details wie möglich über die russischen Kriegsverbrechen festhalten müsse. Man prüfe auch die „Gründung eines Tribunals, dass Russland verfolgt werden kann“.
In einem neunseitigen Papier vereinbarten beide Seiten eine engere Kooperation in der Sicherheitspolitik. „Deutschland und die Niederlande werden weiterhin mögliche Synergien ermitteln, um ihre gemeinsame militärische Unterstützung für die Ukraine zu verbessern“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung, in der die Partner auch auf die gemeinsame Bereitstellung der Panzerhaubitzen verweisen sowie die „gemeinsame Unterstützung der Mission EUMAM Ukraine“. Der Kanzler betont in der gemeinsamen Pressekonferenz zudem, wie eng die Armeen beider Länder bereits miteinander verwoben seien. „Die bevorstehende Integration der niederländischen 13. Leichten Brigade in die 10. Panzerdivision der Bundeswehr wird einen weiteren Meilenstein unserer Zusammenarbeit bilden“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Dort steht auch das Bekenntnis, man wolle die „Möglichkeiten einer gemeinschaftlichen Beschaffung von Munition für die Ukraine prüfen“.
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Rutte schließt Kampfjets nicht aus, Scholz bestätigt Leopard-2-Lieferung
Zur Frage, ob die Ukraine auch Kampfjets erhalten sollte, sagte Rutte nur, er schließe nichts aus. Der Kanzler antwortete hingegen – wie häufig beim Thema Waffenlieferungen –, dass die Frage nicht anstehe. Auf Nachfrage erklärte er, Deutschland habe Leopard-Panzer an die Ukraine wie angekündigt geliefert.
Zum Westbalkan, dessen Ländern wegen des Ukraine-Kriegs eine konkretere und schnellere Beitrittsperspektive eröffnet wurde, sagen sich Deutschland und die Niederlande zu, „die europäische Perspektive“ Wirklichkeit werden zu lassen.
Im Bereich Energie bleibt die Abschlusserklärung eher vage und es gibt viele Absichtsbekundungen. Es geht um den noch nicht ausgegorenen Deal für den Verkauf des niederländischen Stromnetzbetreibers Tennet, bei dem sich beide Seiten einig sind, dass bisherige Synergieeffekte erhalten bleiben müssen. Auch über der Preis wird noch gefeilscht. Zum Thema Wasserstoff halten beide Seiten fest, man wolle grenzüberschreitende Wasserstoffkorridore schaffen.