Ukraine-Hilfe: Ehrenamtler stoßen in der Integrationsarbeit an ihre Grenzen
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Ein Mädchen aus der Ukraine auf einem Feldbett in einer Notunterkunft in Bad Kreuznach. Bei der Verteilung ukrainischer Flüchtlinge gibt es ein starkes Stadt-Land-Gefälle.
© Quelle: Boris Roessler/dpa
Berlin. Das ehrenamtliche Engagement von Hilfsorganisationen und Privatpersonen für ukrainische Flüchtlinge ist weiterhin groß, stößt aber allmählich an Grenzen. „Es wird langsam kritisch, es gibt erste Anzeichen für Konflikte in Familien, die privat Geflüchtete aufgenommen haben“, sagte Oleksandra Bienert von der Allianz Ukrainischer Organisationen in Berlin gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Man dürfe nicht vergessen, so Bienert, dass sich die meisten Menschen ehrenamtlich neben ihrer tägliche Arbeit in der Flüchtlingshilfe engagieren. Das sei auch mit Stress verbunden und koste sehr viel Kraft. Aus Sicht der Allianz, die die Aktivitäten verschiedener Hilfsvereine bündelt, sei es jetzt wichtig, dass Wohnraum zur Verfügung gestellt wird. „Es ist nicht gut, wenn die Menschen von einer Hilfsunterkunft in die nächste versetzt werden“, sagte Bienert.
Stadt-Land-Gefälle problematisch
In der Ukraine sei der Unterschied zwischen Stadt und Land enorm und werde von vielen mit sozialem Abstieg gleichgesetzt. „Da hilft nur Aufklärung und Werbung mit positiven Beispielen“, sagte Praschl, dessen Verein seit Kriegsbeginn über 40 Lkw mit Lebensmitteln, Medikamenten und medizinischen Ausrüstungen in die Ukraine gebracht hat.
Olekasandra Bienert hält es für ganz wichtig, dass die Berufsabschlüsse von Geflüchteten schneller anerkannt werden. „Lehrern und Ärzten sagt man, dass sie ehrenamtlich arbeiten dürfen, aber bezahlt werden sie nicht. Das muss sich dringend ändern, selbst wenn die Menschen zunächst nur eine kleine Entlohnung erhalten, das hat auch etwas mit Würde zu tun“, ist Bienert überzeugt.
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Weitet Moskau seinen Krieg auf Transnistrien aus?
In der selbsternannten prorussischen Republik Transnistrien hatte es dieser Woche mehrere Anschläge gegeben. Sie könnten Russland als Vorwand für eine Okkupation dienen. Israel hat seine Bürger aufgefordert, die von der Republik Moldau abgespaltene Region zu verlassen.
In den Ämtern und Behörden seien mehr professionelle Ansprechpartner nötig. „Wir haben es hier in den meisten Fällen mit stark traumatisierten Geflüchteten zu tun, da macht es sich sehr schlecht, wenn jemand mit der Formulierung ‚How was your Trip‘ – („Wie war Ihre Reise?“) - begrüßt wird“, sagte Bienert. Es brauche qualifiziertes, sensibles Personal mit Sozialkompetenz und auch mehr psychologische Betreuung.
Die Bundespolizei geht derzeit von knapp 390.000 ukrainischen Flüchtlingen in Deutschland aus. Möglicherweise liegt die Zahl auch höher, weil Ukrainerinnen und Ukrainer visafrei einreisen können und sich nicht sofort registrieren lassen müssen.
Beim Deutsch-Ukrainischen Forum hat man schon ein gewisse „Rückreisewelle“ beobachtet. „Trotz der nach wie vor großen Bedrohungslage, gibt es einen starken Drang der Menschen in ihre Heimat zurückzukehren“, sagte Gerald Praschl. Das sei auch ein Unterschied zur Flüchtlingsbewegung 2015/16.
„Aus Sicht der Kommunen besteht weiterer Handlungsbedarf, um die Verfahren zur Registrierung und Unterbringung zu beschleunigen“ sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, dem RND. „Eine Registrierung ist die Voraussetzung für eine faire Verteilung innerhalb Deutschlands, unter anderem auch, um den aktuell vorhandenen Wohnraum bestmöglich zu nutzen“, so Landsberg. Dabei müsste sowohl die Situation der Geflüchteten wie die Verfügbarkeit von Wohnraum, Arbeit sowie Schul- und Kitaplätzen berücksichtigt werden.
Verbesserung der Arbeitsaufnahme gefordert
Auch Landsberg spricht sich dafür aus, die Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme zu verbessern. „Insbesondere bei Berufen mit spezifischen Zugangsvoraussetzungen müssen diese für einen schnellen Berufseinstieg geschaffen werden“, sagte er. Dies müsse auch für begonnene Ausbildungen gelten.
Zur Verbesserung der Wohnraumsituation forderte Landsberg ein Sonderprogramm Wohnungsbau, das sowohl eine finanzielle Komponente als auch Planungserleichterungen vorsehen müsse. „Das Sofortprogramm sollte im Einzelfall auch zur Ertüchtigung von Bestandsgebäuden genutzt werden können, um schnell Abhilfe zu schaffen“, sagte Landsberg.
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sagte gegenüber dem RND, dass der Abschluss von Arbeitsverträgen mit Geflüchteten viel schneller gehen müsste: „Berufsausbildungen, Qualifikationen und Berufserfahrung müssen viel unbürokratischer anerkannt werden“, forderte Dedy. „Das wäre für alle ein Gewinn und hilft bei der Integration der Menschen.“ Für die Unterbringung von Kindern in Kitas und Schulen bräuchten die Städte „sehr schnell personelle Unterstützung“, sagte Dey. „Auch in vielen anderen Sozialberufen, in der Pflege, im Handwerk und anderswo ist der Bedarf riesig.“