Ukrainischer Botschafter: „Gott und die Wahrheit sind auf unserer Seite“
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Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk am Donnerstag bei der Pressekonferenz in der Botschaft in Berlin.
© Quelle: imago images/Rolf Kremming
Berlin. Kurz vor zwei traf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag in der ukrainischen Botschaft in Berlin ein. Was er für Hilfsangebote im Gepäck hatte, war zu diesem Zeitpunkt nicht auszumachen. Aber was die Ukraine jetzt erwartet, das hatte kurz zuvor Botschafter Andrij Melnyk bei einem spontan angesetzten Pressebriefing unmissverständlich dargelegt.
Am Morgen hatte der Botschafter mit seiner Mutter in Lwiw (Lemberg) telefoniert, und sie hatte ihrem Sohn von Explosionen in der 700.000-Einwohner-Stadt in der westlichen Ukraine berichtet. „Wir erleben eine flächendeckende Aggression durch russische Truppen mit heftigen Luftangriffen auf friedliche Städte“, sagte Melnyk sichtlich bewegt vor den in der Botschaft versammelten Journalisten.
Russlands Angriff: Explosionen in vielen Teilen der Ukraine
Seit dem frühen Donnerstagmorgen herrscht Krieg in der Ukraine. In der Nacht waren heftige Explosionen zu hören.
© Quelle: Reuters
Russische Panzerkolonnen hätten versucht, die ukrainische Grenze von allen Seiten zu überrollen. Besonders im Süden habe es einen „riesigen Einmarsch“ gegeben, der von der Luftwaffe unterstützt wurde. Aber: „Unsere Armee ist bereit zu kämpfen, wir werden nicht aufgeben.“ Melnyk schilderte weitere Details und sprach von massiven Angriffen auf die kritische Infrastruktur seines Landes, wie sie „Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gesehen hat. Es gibt Opfer an allen Ecken und Enden unserer Heimat.“
Und dann kam der Botschafter auf die „Pflicht unserer deutschen Freunde, der Ukraine zu helfen“, zu sprechen. Schon in den vergangenen Tagen und Wochen hatte Melnyk immer wieder in den Medien verbal ausgeteilt und die deutsche Zurückhaltung gegenüber Russland scharf kritisiert. Die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 hatte er schon im November im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) „einen Dolch im Rücken der Ukraine“ genannt.
Heute, am Tag des russischen Angriffs auf sein Land, sagt der Botschafter: „Wir brauchen mehr Unterstützung von Deutschland!“ Er fordert die sofortige Einberufung des Bundestages, damit in einer Sondersitzung über Wirtschaft- und Verteidigungshilfen beraten werden könne. „Diese Sitzung darf nicht erst Sonntag erfolgen, wie es geplant ist, sondern das muss heute sein, jetzt, sofort“, sagt Melnyk.
Die Zuhörer spüren das Drängen auf Eile: „Wir erwarten noch heute die Entscheidung der Ampelregierung zur Lieferung defensiver Waffen an unser Land, und wir erwarten einen Beschluss über die größten Sanktionen gegen Russland in der Geschichte“, sagt Melnyk. Eine Liste von ukrainischer Seite liege dazu seit Monaten vor.
Melnyk, der für seine Impulsivität bekannt ist, bittet die Bundesregierung zudem, „alle russischen Propagandasender abzuschalten, damit keine Lügen mehr verbreitet werden“.
Auf die Frage des RND, ob Russlands Präsident Wladimir Putin es auf die Einnahme Kiews abgesehen habe, mit dem Ziel, eine moskaufreundliche Marionettenregierung einzusetzen, antwortete Melnyk, all solche Szenarien seien möglich. „Aber daran möchten wir gar nicht denken, denn wir geben unser Land nicht auf.“
Und der Botschafter hat auch die Hoffnung auf die Diplomatie noch nicht ganz aufgegeben. „Wir hoffen, dass Vertreter Deutschlands, Frankreichs und vielleicht auch Amerikas einen letzten Versuch unternehmen, Herrn Putin dazu zu bringen, diesen Wahnsinn zu stoppen.“
Die von Putin ausgestoßene Drohung gegen den Westen, wenn dieser sich einmische, geschehe Schlimmes, hat nicht nur Melnyk als eine Drohung mit Nuklearwaffen verstanden. Inwieweit die seit Monaten von der Ukraine geforderten Waffenlieferungen jetzt noch helfen können, das steht auch für den Botschafter „in den Sternen“.
Aber ihm geht es wohl dabei auch um die Symbolik des Zusammenhalts. „Denn“, so Melnyk, „wenn die Ukraine fällt, dann ist auch das Baltikum und Polen nicht mehr sicher.“ Und dann sagt er noch: „Gott und die Wahrheit sind auf unserer Seite.“