Tunesien: Tausende demonstrieren gegen Justiz-Kontrolle von Präsident Saied
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Tunis am 14.02.2022: Tausende demonstrieren gegen die Auflösung des Justizrats. Tunesiens Präsident Kais Saied hat am Sonntag per Dekret einen neuen Justizrat aufgestellt. Kritiker sehen die Gewaltenteilung bedroht.
© Quelle: imago images/Xinhua
Tunis. In Tunesien brodelt es nach neuen umstrittenen Maßnahmen des Präsidenten Kais Saied wieder heftig. Am Sonntag demonstrierten erneut Tausende in der Hauptstadt Tunis gegen das Staatsoberhaupt und den von ihm seit Kurzem vorangetrieben Umbau des Justizsystems.
Der Präsident hatte vor gut einer Woche den Obersten Justizrat aufgelöst, der die Unabhängigkeit der Justiz im Land garantieren soll. Saied betrachtet das Gremium als korrupt. Er wirft Mitgliedern des Rats unter anderem vor, verantwortlich für die Verschleppung von Verfahren zu sein, bei denen es um die Ermordung von Kritikern der islamistischen Partei Ennahda geht. Den Islamisten wird nachgesagt, großen Einfluss auf die tunesische Justiz zu haben. Am Sonntag formte Saied dann per Dekret einen neuen vorläufigen Rat und weitete seine Machtbefugnisse über das Justizsystem aus.
Tunesiens Präsident ruft nach Machtübernahme Ausgangssperre aus
Vor dem durch Soldaten abgeriegelten Parlamentsgebäude bewarfen sich Hunderte Gegner und Befürworter des Präsidenten mit Steinen.
© Quelle: Reuters
Rückfall in die Diktatur?
Saied hatte im Juli 2021 bereits den Regierungschef abgesetzt sowie die Arbeit des Parlaments eingefroren. Später kündigte Saied an, per Dekret regieren und Artikel der Verfassung ändern zu wollen. Die Mehrheit der Bevölkerung unterstützt seine Maßnahmen als Kampf gegen die grassierende Korruption im Land. Seine Gegner, angeführt von der Ennahda, die auch die größte Fraktion im suspendierten Parlament stellte, bezeichnen seine Maßnahmen als Staatsstreich.
Auch im Westen sorgt Saieds Alleingang für Beunruhigung. Beobachter befürchten ein Ende der Gewaltenteilung und einen Rückfall in die Diktatur. Tunesien gilt als einziges Land, dem nach den arabischen Aufständen von 2011 der Übergang zur Demokratie gelungen ist.
RND/dpa