Die türkische Opposition will einen Pakt gegen Erdogan schmieden
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
© Quelle: imago images/Xinhua
Athen. Es sei „ein historischer Tag für die Türkei“, erklärten die Führer von sechs Oppositionsparteien am Sonntagabend nach einem Treffen in Ankara. „Wir sind zusammengekommen, um gemeinsam ein historisches Projekt in Angriff zu nehmen, auf das die Türkei seit Jahren wartet“, heißt es in der Erklärung. Mit vereinten Kräften wollen die Parteien bei den spätestens im Juni 2023 fälligen Parlaments- und Präsidentenwahlen Staatschef Recep Tayyip Erdogan ablösen, das vor vier Jahren eingeführte Präsidialsystem abschaffen und zur parlamentarischen Demokratie zurückkehren.
„Wir sind entschlossen, ein starkes, freiheitliches, demokratisches und faires System aufzubauen, das eine effiziente und partizipative Legislative, eine transparente und rechenschaftspflichtige Exekutive, eine unabhängige und unparteiische Justiz sowie die Gewaltenteilung garantiert“, kündigten die sechs Parteiführer in ihrer Absichtserklärung an.
Sie wollen nach eigenen Worten „eine Türkei, in der die Grundrechte und Freiheiten im Rahmen der Normen des Europarats und der Europäischen Union garantiert sind und in der alle Menschen als gleiche und freie Bürger nach ihren Überzeugungen leben können“. Einzelheiten zu den geplanten Verfassungsänderungen wollen sie am 28. Februar bekannt geben.
Das 2018 mit einer Volksabstimmung eingeführte Präsidialsystem gibt Erdogan sehr umfassende Kompetenzen. Er kann per Dekret am Parlament vorbeiregieren, hat großen Einfluss auf die Justiz und die Kontrolle der Medien. Die Gewaltenteilung ist weitgehend ausgehebelt.
Die sechs Oppositionspolitiker sehen im Präsidialsystem und Erdogans „willkürlicher Führung“ die Hauptursache für die gegenwärtigen Schwierigkeiten des Landes. Die Inflation stieg im Januar auf fast 50 Prozent. Die Türkei durchlebe „eine der tiefsten politischen und wirtschaftlichen Krisen ihrer Geschichte“, stellen die Oppositionspolitiker fest.
Mit dabei sind auch zwei ehemalige Erdogan-Weggefährten
Aktuellen Umfragen zufolge muss Erdogan damit rechnen, bei der nächsten Wahl das Präsidentenamt und seine Mehrheit im Parlament zu verlieren. Ob aus der Zusammenarbeit der sechs Oppositionsparteien ein echtes Bündnis wird, ist aber noch ungewiss. Einig sind sie zwar in ihrem Wunsch, Erdogan abzulösen. Es gibt aber erhebliche ideologische Differenzen.
Das Spektrum der geplanten Allianz reicht von der bürgerlich-kemalistischen CHP als größter Oppositionspartei über die konservativ-liberale DP und die rechts-nationalistische IYI-Partei bis zur islamistischen SP. Mit dabei sind auch zwei abtrünnige Erdogan-Weggefährten, Ex-Premier Ahmet Davutoglu und der frühere Wirtschaftsminister Ali Babacan. Nicht vertreten in der Runde ist die zweitgrößte Oppositionspartei, die prokurdische HDP. Sie steht wegen ihrer Nähe zur Terrororganisation PKK politisch unter Druck.
Entscheidend wird sein, ob sich die sechs Parteien auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentenwahl einigen können. Als aussichtsreichste Herausforderer Erdogans gelten die der CHP angehörenden Oberbürgermeister von Istanbul und Ankara.
Unterdessen erhöht die türkische Justiz den Druck auf Erdogan-Kritiker. Ein Staatsanwalt in Istanbul beantragte jetzt Haftstrafen von insgesamt elf Jahren und acht Monaten gegen die bekannte Journalistin Sedef Kabas. Die 53-Jährige sitzt seit drei Wochen wegen des Vorwurfs der „Präsidentenbeleidigung“ in Untersuchungshaft.
Kabas hatte in einer TV-Sendung ein Sprichwort zitiert: „Wenn ein Ochse in den Palast einzieht, wird er damit nicht zum König, sondern der Palast wird zum Stall.“ Erdogan bezog das offenbar auf sich. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Kabas. In einem separaten Verfahren hat Erdogan die Journalistin auf umgerechnet 16.300 Euro Schmerzensgeld verklagt.