Erdogan feuert seinen Finanzminister – inmitten der Lira-Krise

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan während eines Statements.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan während eines Statements.

Athen. Nach nur einem Jahr im Amt hat Präsident Erdogan seinen Finanzminister Lütfi Elvan entlassen. Neuer Chef im Finanz­ministerium in Ankara wird der bisherige Vizeminister Nureddin Nebati, so eine amtliche Mitteilung im Regierungs­anzeiger in der Nacht zum Donnerstag.

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Hintergrund des Wechsels sind offenbar Kontroversen um Erdogans wachsende Einflussnahme auf die Zentralbank und deren Geldpolitik. Auf Druck des Staatschefs hatten die Notenbanker während der vergangenen Monate trotz steigender Inflation den Leitzins mehrfach gesenkt. Er liegt jetzt mit 15 Prozent deutlich unter der Teuerungsrate von 20 Prozent. Der strenggläubige Muslim Erdogan sieht in Zinsen nach eigener Aussage die „Wurzel allen Übels“. Entgegen jeder geltenden volkswirtschaftlichen Vernunft vertritt er die Überzeugung, hohe Zinsen förderten die Inflation.

Schon seit Wochen wurde in der Türkei über einen Wechsel an der Spitze des Finanz­ministeriums spekuliert. Elvan galt als Kritiker der umstrittenen Geldpolitik des Staatschefs. Erdogan selbst hatte Mitte November einen Hinweis auf die bevorstehende Entlassung des Finanzministers gegeben. In einer Rede vor der Parlaments­fraktion der Regierungs­partei AKP bekräftigte er seine Ansicht, wonach „Zinsen die Ursache und Inflation die Wirkung“ seien.

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„Unsere Freunde, die Zinsen verteidigen, sollten nicht beleidigt sein, aber ich kann mit ihnen den Weg nicht fortsetzen“, sagte Erdogan. „Was ist mit euch los?“, fragte der Staatschef. Der Finanzminister wusste offenbar, dass er gemeint war. Alle AKP-Parlamentarier applaudierten, bis auf Elvan, wie ein Video in den sozialen Netzwerken zeigte. Oppositionsnahe Medien berichteten, der Finanzminister habe bereits damals seinen Rücktritt eingereicht.

Wegen Erdogans Gängelung der Notenbank und seiner ständigen Eingriffe in die Geldpolitik beschleunigt sich der Verfall der Lira. Sie hat in diesem Jahr gegenüber Dollar und Euro bereits fast 50 Prozent ihres Werts verloren. Die Abwertung verteuert Importe und Energiekosten. Das trieb die Inflation im Oktober auf knapp 20 Prozent. An diesem Freitag will das staatliche Statistikamt die Zahlen für November bekannt geben. Beobachter rechnen mit einem weiteren Anstieg der Teuerung. In Istanbul erreichte die Inflation nach Berechnungen der dortigen Handelskammer im November bereits 24,1 Prozent.

Am Mittwoch gab die türkische Zentralbank eine Milliarde Dollar für Stützungskäufe aus. Dadurch stieg der Lira-Kurs zeitweilig um bis zu 8 Prozent. Doch die Wirkung verpuffte schnell. Am Abend betrug das Plus nur noch ein Prozent. Am Donnerstag setzte sich die Talfahrt der türkischen Währung bereits wieder fort. Die Lira verlor zeitweilig zum Dollar rund 2 Prozent. Während die Türken noch vor einem Monat 9,60 Lira für einen Dollar bezahlen mussten, waren es am Donnerstag an den meisten Wechselstuben bereits über 14 Lira.

Nicht nur die Währung stürzt ab. Steigende Lebens­haltungs­kosten und die hohe Arbeits­losigkeit spiegeln sich auch in schlechten Umfrage­werten für Erdogan und seine Regierungs­partei. Am Mittwoch gab es in Istanbul wieder Proteste gegen die Wirtschafts­politik der Regierung. Die Polizei nahm 70 Demonstranten fest. Spätestens im Juni 2023 muss in der Türkei gewählt werden.

Erdogans neuer Finanzminister scheint zu wissen, dass auf ihn eine schwierige Aufgabe wartet. Anlässlich seiner Ernennung schrieb der 57-jährige Nebati auf Twitter: „Allah, hilf mir dabei, die Dinge zu einem günstigen Abschluss zu bringen!“

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