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Trump und die Justiz: die Woche der Wahrheit?

Donald Trump und die Justiz: Wird es jetzt wirklich eng?

Donald Trump und die Justiz: Wird es jetzt wirklich eng?

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Liebe Leserinnen und Leser,

Donald Trump liebt es, Erster zu sein. Seit dem Wochenende ist aber endgültig klar, dass er auf einen neuen Eintrag in seiner langen Liste der „Historic Firsts“ verzichten möchte: Sollte es tatsächlich zu einem Straf­verfahren gegen „Number 45“ kommen, dann wäre er der erste Ex‑Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten, gegen den ein solcher Prozess eröffnet wird.

Willkommen zur neuen Ausgabe unseres USA-Newsletters „What’s up, America?“, heute erstmals mit mir als Autor aus New York, nur wenige Subway-Minuten von Trump Tower entfernt.

Bis zum Redaktionsschluss dieses Newsletters am Dienstag­morgen US‑Zeit hat es noch keine Meldungen über eine Festnahme des 76‑Jährigen gegeben. Dass es aber überhaupt eine solche Sehnsucht nach Prozess und Haft gibt, sagt ja auch schon viel. Seit seinem kometenhaften Aufstieg 2015 ist Trumps politische Karriere auf Demokratenseite vom starken Wunsch begleitet, dass es doch irgendjemanden geben muss, der dem Republikaner endlich ein Ende setzt.

Donald Trump

Donald Trump

Zuletzt konzentrierte sich diese Hoffnung auf die Justiz, und das nicht nur in New York. Für uns heißt das: Zeit für einen Überblick.

Verfahren 1: Bringt ein Pornostar Trump ins Gefängnis?

Mit Trumps Posting auf seinem eigenen (und abgesehen von Zitaten in traditionellen Medien ziemlich unbeachteten) Netzwerk Truth Social hat der Ex‑Präsident höchst­persönlich die Story angestoßen, dass eine Anklage gegen ihn bevorstehe. In seinem komplett in Großbuchstaben herausgeschrienen Post beklagte er sich über Ermittlungen des New Yorker Bezirks­staats­anwalts Alvin Bragg, die laut Trump am Dienstag zu seiner Festnahme führen würden. Danach gab es weder von Ermittlerseite noch aus Trumps Umfeld eine Bestätigung für diesen Zeitplan und es blieb auch unklar, ob der mutmaßliche Angeklagte den Unterschied zwischen einer Vorladung vor Gericht und einer Festnahme versteht.

Bekannt sind aber viele Details des Falls, um den es geht: 2006 soll Trump eine Affäre mit Porno­darstellerin Stormy Daniels gehabt haben. Januar 2018 hat das „Wall Street Journal“ dann eine Recherche veröffentlicht, wonach Trumps Anwalt Michael Cohen kurz vor der Präsidentschafts­wahl 2016 auf Veranlassung Trumps 130.000 Dollar Schweigegeld gezahlt haben soll, damit Daniels nicht öffentlich über die Affäre spricht. Cohen soll das Geld selbst ausgelegt und später von der Trump Organization zurückerhalten haben. Er hat sich inzwischen schuldig bekannt.

Stormy Daniels

Stormy Daniels

Die Details einer Anklage sind noch unklar, US‑Medien halten zwei Strategien Braggs für möglich: Einerseits verschleierte Zahlungen in den Büchern der Trump Organization (ein schwächerer Fall und wohl ein Zivilverfahren), andererseits ein Verstoß gegen Regeln zur Wahl­kampf­finanzierung im Bundesstaat New York (möglicherweise ein Strafverfahren).

Der Vollständigkeit halber: Trump selbst streitet die Affäre und jegliches Fehlverhalten ab. Eine Geschworenenjury müsste der Meinung sein, dass es genug Beweise für die Taten und einen aussichtsreichen Prozess gibt.

Bisher hat Trump den Ruf, dass er Verfahren vor Gericht engagiert verhindert, indem er Geld für außergerichtliche Einigungen in die Hand nimmt. Selbst wenn er nun festgenommen würde, könnte er gegen Kaution schnell wieder freikommen. Das löst aber noch lange nicht alle juristischen Probleme des Mannes. Drei weitere Verfahren gelten als besonders wichtig.

Verfahren 2: Gefälschte Bücher in Trumps Unternehmen

Außer Bragg, dem Bezirks­staats­anwalt in New York Citys Stadtteil Manhattan, sitzt auch Leticia James an einem umfangreichen Fall. Sie ist die oberste Staatsanwältin des Bundesstaats New Yorks und ermittelt in einem Zivilverfahren zum Trump-Konzern.

Schlicht gesagt sollen Trump, enge Familien­mitglieder und andere Vertreter aus dem engsten Kreis Bücher in zwei Richtungen gefälscht haben: Vor dem Finanzamt sollen sie den Wert des Unternehmens kleingeredet, vor möglichen Investoren aufgebläht haben. Ob sich aus den zivilrechtlichen Ermittlungen auch strafrechtlich relevante Verstöße ergeben, ist noch unklar – James würde dann ihre Ergebnisse an Bragg übergeben.

Auch weil Staatsanwälte in New York vom Volk gewählt werden und zu einer Partei gehören, brandmarkt Trump die Arbeit der beiden Demokraten immer wieder als politisch motiviert.

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Verfahren 3: Wahlbeeinflussung in Georgia

Drittens sind da Trumps Versuche, die Auszählung der Wahl 2020 in Georgia zu beeinflussen. Gegen ihn läuft dazu in Fulton County ein Verfahren, dem Landkreis, zu dem die Millionenstadt Atlanta gehört. Es soll klären, ob Trump und seine Helfer Straftaten begangen haben, indem sie die Wahlleitung unter Druck setzten, Ergebnisse zu seinen Gunsten zu vermelden.

Atlanta ist auch der Sitz des Innenministers des Bundesstaats, Brad Raffensperger, der zu nationaler Prominenz gelang, weil er von Trump einen später veröffentlichten Anruf bekam. Darin sagte Trump: „Alles, was ich will, ist das: Ich will nur 11.780 Stimmen finden.“ Raffensberger ließ sich nicht unter Druck setzen und gilt nun als einer der aufrechten Staatsdiener, mit denen das US‑System am Ende doch Trumps Streben erfolgreich eine Grenze aufzeigte.

Verfahren 4: Geheimdokumente in Mar-a-Lago

Schon lange ist der gebürtige New Yorker Trump in seiner Heimatstadt nicht mehr gern gesehen. Anders in Florida: Seit dem Ende der Präsidentschaft verbringt Trump die meiste Zeit in seinem von ihm zum „Summer White House“ ausgerufenen Golfclub Mar-a-Lago. Dort lässt er sich von Mitgliedern bejubeln, die für die Mitgliedschaft dem Vernehmen nach sechsstellige Jahresbeiträge zahlen.

Weil Trumps Team auch nach mehrmaligen Aufforderungen nicht alle Dokumente aus seiner Zeit als Präsident zurückgegeben haben soll, die er mit nach Florida genommen hatte, kamen im August die FBI‑Ermittler. Sie holten sich mehrere Kartons mit rund 11.000 Papieren ab, von denen mindestens 100 als geheim eingestuft waren und möglicherweise Informationen zur nationalen Sicherheit enthielten. Aktuell laufen Ermittlungen, wie Trump die Dokumente in Mar-a-Lago gelagert und wer Zugang zu ihnen hatte.

Was das alles für 2024 heißt? Spekulation.

Eine lange Liste also, die aber von Demokraten-Seite immer mit einem Raunen begleitet wird: Ist nicht bisher jeder Skandal an Trump abgeperlt? Seit seinem sensationellen Wahlsieg 2016 wird Trump machiavellistische Finesse nachgesagt, ohne dass er diese noch einmal faktisch unter Beweis gestellt hat – schließlich gingen 2018 und 2020 die Wahlen krachend verloren und auch 2022 schnitten die Republikaner in jenen engen Rennen besonders schlecht ab, wo Trump besonders stark seine Lieblings­kandidaten durchdrücken wollte.

„Politico“ findet dazu lesenswert eine klare Linie: „Hört auf, zu viel darüber nachzudenken: Eine Anklage wäre schlecht für Trump“.

Die Frage ist nun, ob sich die Partei erfolgreich von ihm emanzipiert. Noch gibt es da einiges Zögern: Hauptkonkurrent Ron DeSantis sagte zwar launig, dass er nun wirklich keine Ahnung habe, wie Schweige­geld­zahlungen an Pornostars funktionieren, bemühte sich dann aber auch schnell, das Verhalten von Staatsanwalt Bragg als politisch motiviert zu brandmarken.

Feststeht: Rechtlich gesehen spricht nichts dagegen, dass Trump auch als Verurteilter für die Wahl 2024 antritt, aber das wäre freilich historisch ohne Vorbild.

Popping up: Woke-Debatten überall

Nach „Fake News“ und „Political Correctness“ haben die Konservativen in den USA einen neuen Begriff gefunden, über den sie bis zum vollständigen Verschwimmen in jedes Mikrofon klagen: „Wokeness“. Diese sei „ein Virus, gefährlicher als jede Pandemie“, findet Präsidentschafts­bewerberin Nikki Haley. Ihr unbekannterer Konkurrent Vivek Ramaswamy sieht gar einen „woke-industrial complex“ im Land. Und Frontrunner Ron DeSantis sagt stolz, sein Heimatstaat Florida sei der Ort, an den „woke“ komme, um zu sterben. Zuletzt wurde sogar der Pleitebank SVB vorgeworfen, zu „woke“ gewesen zu sein – ganz so, als sei es schon lange das größte Problem des Bankensektors, zu sehr in Richtung sozialistisches Utopia unterwegs zu sein.

Es ist fraglich, ob es wirklich gelingt, „woke“ als Angstbegriff dafür zu etablieren, wie Linke mit mutmaßlich zu weit reichenden Forderungen über das Ziel hinausschießen.

In einer Umfrage für „USA Today“ und Ipsos verstanden jüngst 59 Prozent korrekt unter „woke sein“ vor allem „über soziale Ungerechtigkeiten informiert zu sein“. Nur 39 Prozent sahen im „Woke-Sein“ jemanden, der „übermäßig politisch korrekt ist und die Wortwahl anderer verurteilt“.

Stay tuned

Loser: AI‑Regulierung

Weit ab von New York und Washington trafen sich vergangene Woche in Texas die Tech-, Musik- und Filmbranchen zu ihrem Klassentreffen. Die einst niedliche Indiekonferenz „South by Southwest“ (SXSW) hat sich in Austin längst zu einem Megaevent mit hundert­tausenden Besucherinnen und Besuchern gemausert, bei dem sich jeder ein eigenes Abenteuer zu den wichtigsten Zukunftsthemen zurechtstricken kann, bevor er oder sie abends zu japanischem Punkrock vor einer Bühne hüpft.

Im Techteil gab es dieses Jahr kaum einen Vortrag, der nicht ohne Verweis auf das Überthema AI und die kommende Macht von ChatGPT und Co. auskam. Gerade erst hat Ezra Klein in der „New York Times“ eine düstere Bestandsaufnahme geliefert, in der selbst AI-Profis zugeben: Keine Ahnung, welches Monster wir hier schaffen. Sind die Vorträge bei SXSW aber irgendein Gradmesser, dann steht fest: Wirklich Lust auf Regulierung der Branche hat niemand.

So wie „Vox“ vorzuschlagen, einen Gang runterzuschalten, wirkt aussichtslos. Zu verlockend ist das Potenzial, zu groß die Gefahr, dass China die weltweite KI‑Führung übernimmt. Und dass ausgerechnet der völlig überalterte Kongress in Washington dieses Thema durchdringt, galt den meisten in Austin als völlig unmöglich.

Winner: Chris Sununu

Chris wer? Zugegeben: Den republikanischen Gouverneur aus New Hampshire hier schon als Gewinner zu bezeichnen ist verfrüht. Sollte sich aber seine Partei je wieder zurück in Richtung politische Mitte entwickeln, könnte die Stunde des erst 48‑Jährigen schlagen – selbst wenn sich nicht nur die „New York Times“ fragt, ob eine solche „normale“ Spur innerhalb der Partei überhaupt noch existiert.

Auch Sununu war bei South by Southwest. Er stand dort aber nicht zum Überthema AI auf dem Programm, sondern zur „Zukunft des amerikanischen Konservativismus“. Schnell wurde klar, dass Sununu darunter vor allem seine eigene Zukunft verstand.

Chris Sununu

Chris Sununu

In atemlos runtergeratterten Antworten lief er sich für den Wahlkampf warm und gab mitten auf einer internationalen Techkonferenz in der liberalsten Stadt Texas’ all seine erzkonservativen Talking Points zum Besten – Unternehmen sind gut, Big Government ist schlecht, keiner weiß wirklich, was „Critical Race Theory“ bedeutet, aber man muss auf jeden Fall aufpassen, weißen Kindern kein schlechtes Gewissen einzureden.

Trump hält er für furchtbar und er glaubt nicht an dessen erneuten Erfolg bei den Vorwahlen – aber sollte der Ex‑Präsident die Nominierung erneut gewinnen, dann würde er auch Trump wieder unterstützen, so Sununu. „Es wäre besser als der linke Sozialismus, der dieses Land zerreißt“, sagte er pflichtschuldig.

Außerhalb des reichen Nordostens der USA muss der jovial plaudernde Zentrist seine Bekanntheit noch ordentlich erhöhen, in den Umfragen aktuell kommt er auf höchstens ein oder 2 Prozent – aber der Mann hat auch noch einige Jahrzehnte Zeit. Offiziell hat er seine Bewerbung um die Präsidentschafts­kandidatur 2024 noch nicht erklärt, aber zu verlieren hätte er wenig.

Taylor Swift

Taylor Swift

Way of Life: 70.000 Menschen bei Taylor Swift

Da bleibt uns als Rausschmeißer eigentlich nur noch die vielleicht Weißeste der großen US‑Sängerinnen: Taylor Swift ist auf Tour. Obwohl zu Beginn des Kartenverkaufs die Webseite von Ticketmaster gecrasht war, kamen 70.000 Menschen nach Glendale in Arizona zum Auftaktkonzert. Nach drei Stunden und 44 Songs waren sich aber selbst der seriöse „Atlantic“ und die „Washington Post“ überschwänglich einig: „epic“ und „unbelievable“ sei der Gig gewesen – bei all den Heraus­forderungen unserer Zeit bleibt wenigstens die ehrliche Faszination für Pop ein gemeinsamer Nenner dieses verrückten Landes.

Der nächste USA-Newsletter erscheint am 4. April.

Bis dahin schickt beste Grüße aus der Stadt, die ins Gelingen verliebt ist:

Christian Fahrenbach

 

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