Transatlantik-Koordinator zur US-Wahl: “Glaube nicht an Erdrutsch-Sieg”
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Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer (CDU).
© Quelle: Frank Nürnberger
Berlin. Herr Beyer, die US-Demokraten küren auf einem Parteitag ihr Präsidentschaftsduo Joe Biden und Kamala Harris. Werden die beiden Trump ablösen?
Bei der Bewertung der Chancen muss man vorsichtig sein. Viele haben in den vergangenen Wochen große Hoffnungen gehegt, dass Biden gewinnen könnte. In den Umfragen lag er auch landesweit vorne. Aber das ist nicht ausschlaggebend. Es kommt ja nicht auf die Mehrheit der Wählerstimmen an, sondern auf die Mehrheit der Wahlleute. In den umkämpften Staaten lag Joe Biden lange klar vorne. Zuletzt schrumpfte der Vorsprung nach neuen Umfragen zusammen, Trump holt auf. Aber auch das sind wieder nur Momentaufnahmen. Es wird ganz knapp werden. Ich glaube nicht an einen Erdrutsch-Sieg – egal von welcher Seite. Entscheidend wird es auf die Wahlbeteiligung ankommen, auf das Corona-Krisenmanagement und auf die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen.
Auf welches Ergebnis hoffen Sie?
Eine Antwort darauf steht mir als Bürger eines befreundeten Landes nicht zu. Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit mit den USA sich nach der Wahl deutlich verbessert. Das transatlantische Verhältnis, gerade auch das deutsch-amerikanische, hat in den letzten dreieinhalb Jahren sehr gelitten. Es ist beschädigt worden durch die Art und Weise des Umgangs. Das geht so nicht weiter.
Die Unionsparteien haben sich immer mehr den Republikanern zugehörig gefühlt, die Trump bislang weiter mehrheitlich stützen. Welche Folgen hat das für das Verhältnis zur Schwesterpartei?
Der Präsident ist im Wesentlichen nicht Republikaner sondern Donald Trump. Und in einem präsidialen System ist die persönliche Agenda des Chefs entscheidend. Mir war im Übrigen bei meinen US-Besuchen immer egal, ob meine Gesprächspartner Republikaner oder Demokraten waren.
Trump: "Können uns keinen Typen leisten, der vor sich hindämmert"
Entgegen bisheriger Gepflogenheiten attackierte der US-Präsident den politischen Gegner auch während dessen Parteitag.
© Quelle: Reuters
Sind Sie enttäuscht von den Republikanern?
Donald Trump hat sich im Amt nicht so zum Präsidenten entwickelt, wie wir uns das erhofft hatten. Es gibt offene Kritik aus der Partei an Trump. Und viele republikanische Senatoren und Ausschussmitglieder distanzieren sich unter vier Augen massiv. Sollte Trump die Wiederwahl nicht schaffen, wird also auch durch die republikanische Partei ein großes Aufatmen gehen. Viele dort empfinden ihn mittlerweile als Ballast.
Trump sagt, er wisse noch nicht, ob er das Ergebnis der Wahl akzeptieren werde.
Es beschädigt die Verfasstheit eines Landes, wenn sich ein Präsident ähnlich äußert wie ein zentralistisch-autokratischer Herrscher in einer Pseudo-Demokratie. Das kann den Republikanern nicht gefallen.
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Die Schicksalswahl
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Befürchten Sie einen Staatsstreich von oben, wenn Trump eine Wahl nicht akzeptiert und vorher offenbar versucht, die Briefwahl zu behindern?
Das sind schon beunruhigende Entwicklungen. Aber ich habe Vertrauen in die Gewaltenteilung und die demokratischen Abläufe. Das Justizwesen in den USA funktioniert. Und ich glaube an die amerikanische Bevölkerung, die sich über Jahrhunderte immer wieder neu erfunden haben. Die Amerikaner sind leidensfähig, aber wenn es zu viel wird, treffen sie die richtigen Entscheidungen.
Was passiert, wenn Trump wieder gewählt würde?
Wir könnten natürlich auch mit einer Trump-2-Administration umgehen. Aber ich erwarte dann nichts Besseres. Die Gefahr ist, dass er nicht versucht, Leute in sein Team zu holen, die seine Schwächen ausgleichen, sondern dass er sich mit Ja-Sagern umgibt. Das wäre für die USA nicht gut, weil es die gesellschaftlichen Wunden vertiefen würde. Und für die internationale Politik wäre es kein gutes Omen. Es gäbe dann kein Zurück zum Klimaabkommen, zur WHO, kein neues Atomabkommen mit dem Iran. Umso wichtiger ist es, nicht bis zum 3. November zu warten und zu hoffen. Wir müssen vorbereitet sein – und zwar auf jeden Wahlausgang. Europa muss zeigen, dass es bereit und in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen und damit auch die USA zu entlasten. Wir dürfen nicht wieder in eine Schockstarre verfallen wie im November 2016.