Telegram: Verfassungsrechtler hält Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Kommunikation für überholt
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Der Mainzer Verfassungs- und Medienrechtler Dieter Dörr appelliert im Umgang mit Telegram an die neue Bundesregierung, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) rasch nachzuschärfen.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Mainz. Der Mainzer Verfassungs- und Medienrechtler Dieter Dörr appelliert im Umgang mit Telegram an die neue Bundesregierung, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) rasch nachzuschärfen. Ziel müsse es sein, Hass und Hetze auf Plattformen wie Telegram einzuschränken und die rechtlichen Normen durchzusetzen, sagte Dörr im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die neue Bundesregierung berät aktuell über das weitere Vorgehen gegen Telegram. Auf der Plattform vernetzen sich zunehmend radikale Corona-Leugner und Extremisten. Am Mittwoch hatte die Polizei wegen in einer Telegram-Gruppe geäußerten Mordplänen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer mehrere Gebäude in Dresden und Heidenau durchsucht.
Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Kommunikation
Unter anderem sieht Dörr dringenden Nachbesserungsbedarf bei der Unterscheidung zwischen öffentlicher Kommunikation auf Plattformen wie Facebook und Twitter und privaten Nachrichten-Messengern wie WhatsApp und Telegram.
„Diese Unterscheidung ist überholt, weil heute jeder private Inhalte öffentlich machen kann“, sagte Dörr. Deshalb müssten auch Anbieter von Messenger-Diensten zur Verantwortung gezogen werden, wenn über sie strafbare Inhalte verbreitet würden.
Die Debatte zur Frage, wie Hass und Hetze auf den Plattformen beizukommen sei, komme indessen zu spät, sagte Dörr. Mittlerweile sei bei einigen Nutzern der Eindruck entstanden, Telegram biete einen rechtsfreien Raum. „Es ist höchste, höchste Zeit, jetzt gegen solche Verbreitungswege vorzugehen.“
Verfassungsrechtler: Nicht auf die EU warten
Eine Regelung auf EU-Ebene bewertet der Rechtsprofessor zwar als effektiv. Auch könne die EU eine stärkere Durchsetzungskraft erreichen. In der Auseinandersetzung mit Telegram sollte die Bundesregierung jedoch nicht darauf warten, bis es ein einheitliches europäisches Gesetz gebe.
Nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Bundesamt für Justiz gegen Telegram bereits zwei Verfahren wegen Verstoßes gegen das NetzDG durchgeführt. Telegram habe darauf aber nicht reagiert.
RND/epd