Warum die Chipproduktion für Taiwan so wichtig ist
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Marktführer: TSMC ist der wichtigste von Taiwans Chipherstellern.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Taipeh. Als CC Wei kürzlich vor die Presse trat, wollte er nicht nur Warnsignale verkünden. Die Umsätze des führenden taiwanischen Chipherstellers TSMC, für den er als CEO arbeitet, werden im ersten Quartal 2023 wohl um rund 5 Prozent fallen, da die Nachfrage nach Elektroprodukten wieder nachzulassen scheint. Doch der Chefmanager hatte noch eine andere Nachricht: „Auf Grundlage von Anfragen einiger Kunden vergrößern wir unsere Kapazitäten außerhalb Taiwans, damit wir unseren Kunden die optimalen Lösungen bieten können, die sie für ihren Erfolg benötigen.“
Konkret baut der Konzern eine neue Fabrik in Japan, um darin ab 2024 Chips in Größen von zwölf und 16 Nanometern herzustellen, die unter anderem in der Automobilbranche und der Bildverarbeitung eingesetzt werden. Eine weitere Fabrik im ostasiatischen Nachbarland werde erwogen, „sofern die Nachfrage und die Unterstützung der Regierung Sinn ergeben“, so Wei. Da die japanische Regierung offenbar bereit ist, 60 Prozent der Investitionskosten beizusteuern, gilt das Projekt als wahrscheinlich.
Ähnlich wird Taiwans weltweit dominante Chipindustrie, angeführt von TSMC, von anderen Seiten umgarnt. Auch im US-amerikanischen Arizona kündigte der Konzern 2022 an, eine zweite Fabrik zu bauen. Die Investitionen von rund 40 Milliarden US-Dollar sind das Ergebnis wiederholter Forderungen aus den USA, auch dort zu produzieren. Ähnlich sieht es mit Europa aus. Nach längeren Bemühungen seitens der EU steht offenbar der Bau einer Fabrik in Dresden bevor.
Entlastung globaler Lieferketten
Für die Weltwirtschaft und TSMC sind dies positive Nachrichten. Inmitten der Pandemie und geopolitischer Spannungen ist es im stark globalisierten Herstellungsprozess von Halbleitern sowie deren Weiterverarbeitung in Elektroprodukten in den vergangenen Jahren zu Lieferengpässen und Verzögerungen gekommen. TSMC, Kurzform für Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, hat etwa bei den am weitesten fortgeschrittenen Chips einen Marktanteil von rund 90 Prozent. Die geografische Diversifizierung des Geschäfts ist also eine Entlastung globaler Lieferketten.
Aber was für den Weltmarktführer finanziell Sinn ergibt, ist für dessen Heimatland nicht unbedingt vorteilhaft. Taiwan sieht sich seit Jahren aus Peking bedroht. Das in Peking von der Kommunistischen Partei regierte Festlandchina erkennt Taiwan – offiziell „Republik China“ – nicht an. Mehrmals hat Peking eine „Wiedervereinigung“ angekündigt, notfalls auch unter Zwang.
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Geschäftsbesuch: TSMC-Chef Mark Liu (rechts) führt US-Präsident Joe Biden durch das Chipwerk in Arizona.
© Quelle: IMAGO/USA TODAY Network
Dabei gilt TSMC als so etwas wie die Lebensversicherung Taiwans. Die Chips, die dieser Konzern mit teils großen Technologievorteilen herstellt, sind unabdingbar für Elektroautos, Smartphones, Computer und nahezu alle Produkte mit anspruchsvoller Elektronik. Auch chinesische Unternehmen zählen zu den Kunden von TSMC, sodass Analysten nicht nur eine „systemrelevante Position“ erkennen, sondern auch ein Schutzschild für den ostasiatischen Inselstaat. Im Falle eines Angriffs Festlandchinas gegen Taiwan geriete womöglich auch die Chipproduktion ins Stocken.
Im Sommer vergangenen Jahres verkündete dies auch der TSMC-Vorstandsvorsitzende Mark Liu: „Niemand kann TSMC mit Gewalt kontrollieren. Wenn jemand mit militärischer Gewalt oder durch eine Invasion eindringt, werden die TSMC-Halbleiterwerke nicht mehr funktionsfähig sein. Denn es handelt sich um hoch entwickelte Produktionsanlagen, die von der Echtzeitanbindung mit der Außenwelt, mit Europa, mit Japan, mit den USA, abhängen.“
Die Welt ist weniger abhängig von Taiwan
Nur scheint die Schutzschildfunktion von TSMC für Taiwan umso mehr abzunehmen, je intensiver der Konzern mit derzeit rund 50.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen seine Produktion ins Ausland verlagert. So sagt der ehemalige Entwicklungsminister Steve Lin: „Peking geht es bei Taiwan zuerst um Nationalismus. TSMC ist nur eine Nebenerwägung.“ Aber auch Ökonom Lin, der der derzeit oppositionellen Nationalen Volkspartei angehört, sieht in Taiwans Industriepolitik ein Thema von auch „nationaler Sicherheit“.
Über die jüngst entschiedenen Auslandsinvestitionen sagt Lin: „Ich denke, ein wichtiger Grund dafür ist politischer Druck gewesen.“ Hat also das Drängen westlicher Staaten nach solidem Lieferkettenmanagement den Wunsch Taiwans nach nationaler Sicherheit übertrumpft? Von offizieller Seite würde dies niemand bestätigen. So betonte der Vorstandsvorsitzende Mark Liu vor Kurzem, dass TSMC die technologisch anspruchsvollsten und teuersten Fabriken daheim errichte. „Das zeigt unsere Verpflichtung gegenüber Taiwan.“
Eine deutliche Diversifizierung der Geschäfte von TSMC weg vom heimischen Standort ist seit Ausbruch der jüngsten Krisen dennoch zu beobachten – was die Welt dann doch ein Stück weniger abhängig macht von funktionierenden Fabriken auf taiwanischem Boden.