Litauen bekommt Chinas Zorn zu spüren

Blick auf den Hafen Ningbo-Zhoushan in Ningbo in der ostchinesischen Provinz Zhejiang (Symbolfoto).

Blick auf den Hafen Ningbo-Zhoushan in Ningbo in der ostchinesischen Provinz Zhejiang (Symbolfoto).

Peking. Diana Mickeviciene kam frisch erholt aus dem Sommerurlaub zurück nach Peking, doch in ihrer Wahlheimat wurde die litauische Botschafterin denkbar kalt empfangen: Nach einer dreiwöchigen Covid-Quarantäne wird die Diplomatin am Dienstag umgehend des Landes verwiesen. Ihre lokalen Mitarbeiter erhalten unterdessen bereits täglich Drohanrufe von nationalistischen Chinesen.

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Seit Vilnius und Taipei sich darauf geeinigt haben, gegenseitig diplomatische Vertretungen zu eröffnen, sind die Beziehungen zwischen dem baltischen Staat mit Festlandchina geradezu erodiert. Zwar toleriert Peking zähneknirschend, wenn bestimmte Länder sogenannte „Taipeh-Büros“ führen. Doch eine Verwendung der Länderbezeichnung „Taiwan“, wie Litauen es nun als erstes EU-Land plant, duldet China unter keinen Umständen, schließlich sieht es die Insel als abtrünnige Provinz an, die man notfalls mit militärischem Zwang wiedervereinigten möchte.

China zog daraufhin zunächst seinen Botschafter aus Vilnius ab und verwies die litauische Botschafterin des Landes. Doch dabei blieb es nicht: Wie die „Baltic Times“ berichtet, habe die Volksrepublik auch neue Exportlizenzen für litauische Milch, Fleisch und weitere Nahrungsprodukte gestoppt.

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Und auch die Staatsmedien überschlagen sich mit weiteren Vergeltungsfantasien. „China sollte sich mit Russland und Weißrussland, den beiden Nachbarländern Litauens, zusammenschließen und es bestrafen“, heißt es etwa in einem Leitartikel der nationalistischen „Global Times“, die der Kommunistischen Partei unterstellt ist: „Die Taiwan-Frage ist eine Hochspannungsleitung, sogar ein Wendepunkt zwischen Frieden und Krieg“. Zudem empfiehlt die „Global Times“, sämtliche Eisenbahnverbindungen zum Warenhandel mit China zu kappen.

All dies ruft dunkle Erinnerungen wach. Peking hat mit seiner wirtschaftlichen Erpressung bereits über ein Dutzend Länder ins Visier genommen. Zuerst traf es Norwegen im Jahr 2010: Damals blockierte Peking Lachsimporte aus Oslo, nachdem das Nobel-Komitee den Friedenspreis an den chinesischen Menschenrechtsaktivisten Liu Xiaobo verliehen hatte.

Die Mongolei erwischte es, weil man einen Besuch des Dalai Lamas genehmigte. Großbritannien wurde wegen der Aufnahme von pro-demokratischen Aktivisten aus Hongkong abgekanzelt. Australien handelte sich wirtschaftliche Sanktionen ein, weil Premier Scott Morrison eine Untersuchung zum Covid-Ursprung in China forderte.

Regierung in Peking sucht sich meist kleinere, westliche Demokratien aus

Auch wenn sämtliche Fälle unterschiedlich gelagert sind, läuft Chinas wirtschaftliche Vergeltung doch stets nach einem ähnlichen Schema ab: Die Regierung in Peking sucht sich meist kleinere, westliche Demokratien aus, um ihre Macht auszuspielen. Als die US-Amerikaner etwa ein Raketenabwehrsystem auf südkoreanischen Boden installierten, verhängte die Volksrepublik keine Sanktionen gegen Washington, sondern ließ Seoul den ökonomischen Muskel Pekings spüren.

Ebenso nach der Verhaftung von Huawei-Tochter Meng Wanzhou in Vancouver: Im Gegenzug verhafteten chinesische Behörden zwei kanadische Staatsbürger, wobei es doch eigentlich um einen Auslieferungsantrag der Vereinigten Staaten geht. Doch mit der Weltmacht USA will es sich Peking nicht vollständig verscherzen.

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Bonnie S. Glaser von der Washingtoner Denkfabrik „Center for Strategic and International Studies“ fordert in einem Aufruf von der Biden-Regierung, dass es eine länderübergreifende Solidaritätskoalition gegen Pekings wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen bilden solle: Diese könnten gemeinsam ebenfalls ökonomische Vergeltungsmaßnahmen gegen die Volksrepublik verhängen, um diese künftig zur Räson zu bringen.

Litauen ist jedoch in dem Konflikt kein willenloses Opfer gegen eine übermächtige Goliathfigur. Der Affront gegen Peking geschah weder im luftleeren Raum, noch war die Entscheidung irrational.

Ein Rückblick: Peking hat mit dem sogenannten 17 plus eins Dialog über die letzten Jahre versucht, vor allem ost- und südosteuropäischen Staaten mit Investitionsversprechen zu locken und gleichzeitig seinen Einfluss auf dem Kontinenten zu erhöhen. Doch Litauen hat nach rund zehnjährigen Bemühungen einsehen müssen, dass wenig Substanzielles dabei rumgekommen ist: 2020 hat China nur Investitionen im Wert von 7,8 Millionen Euro in Litauen getätigt.

Und litauische Exporte nach China belaufen sich auf nur 315 Millionen Euro. Damit rangiert die Volksrepublik nur auf dem 22. Platz unter allen Exportmärkten. Dass man nun also die alternative Nähe zu Taiwan sucht, ist eine Mischung aus moralischen Werten, aber auch wirtschaftlichen Kalkül, eine nachhaltigere Handelsbeziehung aufzubauen.

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Die Sanktionen Chinas werden Litauen angesichts der bilateralen Dimension wenig Angst machen. Doch sie sind vor allem auch als Warnung an andere EU-Länder gerichtet, nicht ebenfalls eine der vielen „roten Linien“ Pekings zu überschreiten.

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