Am Tag der Befreiung in Berlin

Gericht kassiert Verbot ukrainischer Flaggen rund um sowjetische Denkmäler

Polizisten wickeln am 8. Mai 2022 eine große ukrainische Fahne bei einer Gedenkveranstaltung vor dem Sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten zusammen. Ein Flaggenverbot hatte die Polizei auch in diesem Jahr wieder ausgesprochen, das Verwaltungsgericht kassierte das Verbot aber am Freitagabend.

Polizisten wickeln am 8. Mai 2022 eine große ukrainische Fahne bei einer Gedenkveranstaltung vor dem Sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten zusammen. Ein Flaggenverbot hatte die Polizei auch in diesem Jahr wieder ausgesprochen, das Verwaltungsgericht kassierte das Verbot aber am Freitagabend.

Berlin. Am 8. und 9. Mai wird auch in Berlin wieder des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung vom Nationalsozialismus gedacht. Wie bereits im vergangenen Jahr hatte die Berliner Polizei eine Allgemeinverfügung erlassen, nach der das Zeigen russischer, aber auch ukrainischer Flaggen an den drei sowjetischen Ehrenmalen Treptow, Tiergarten und Schönholzer Heide an diesen Tagen verboten sein sollte. Die Polizei hatte mitgeteilt, es gehe um die Verhinderung von Konflikten und Auseinandersetzungen vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs.

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Eine Deutsch-Ukrainerin klagte gegen die Allgemeinverfügung - mit Erfolg: Wie der „Tagesspiegel” am Freitagabend berichtete, hob das Gericht das Verbot des Zeigens von „Fahnen und Flaggen mit ukrainischem Bezug und von Bildnissen des ukrainischen Staatsoberhaupts sowie das Abspielen und Singen ukrainischer Marsch- beziehungsweise Militärlieder” auf.

Der Freiburger Verwaltungsrechtsanwalt Patrick Heinemann zeigte sich erfreut über das Urteil: „Das Verwaltungsgericht hat unsere Rechtsauffassung bestätigt: Das Verbot ukrainischer Flaggen ist – mit den Worten des Gerichts – offensichtlich rechtswidrig’”, sagte er dem „Tagesspiegel”. Wer von seinem Grundrecht Gebrauch mache, sich öffentlich zur ukrainischen Nation und ihren historischen Opfern bei der Niederringung des Nationalsozialismus zu bekennen, sei keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.

In dem Eilantrag an das Berliner Verwaltungsgericht, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, hieß es:

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„Die Antragstellerin ist deutsche Staatsangehörige ukrainischer Abstammung. Im Krieg Deutschlands gegen die Sowjetunion (1941 bis 1945) kamen insgesamt rund acht Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer ums Leben, darunter fünf Millionen Zivilistinnen und Zivilisten einschließlich 1,6 Millionen ukrainischer Jüdinnen und Juden. Damit verzeichnete die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik unter allen sowjetischen Gliedstaaten in Relation zur jeweiligen Bevölkerungsgröße die meisten Toten. Ukrainische Soldaten hatten einen erheblichen Anteil an der Niederringung des nationalsozialistischen Deutschlands.“

Die politisch wie historisch interessierte Antragstellerin beabsichtige die Gedenktage am 8. und 9. Mai „unter anderem durch Aufsuchen des in Nähe ihrer Wohnung befindlichen zentralen Sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park zu begehen. Ihrem Gedenken beabsichtigt sie durch das Zeigen von Fahnen oder Flaggen mit ukrainischem Bezug sowie das Absingen oder Abspielen ukrainischer (Militär-)Lieder Ausdruck zu verleihen.“ Die Antragstellerin gehe davon aus, dass sie dabei spontan auf Gleichgesinnte treffen und mit diesen gegebenenfalls Gesänge und Ausrufe zum Gedenken gemeinsam anstimmen werde.

So ist der Eilantrag begründet

All das wäre jedoch nach der am Freitag erlassenen Allgemeinverfügung verboten gewesen. In dem Eilantrag führte der Heinemann aus, die Allgemeinverfügung der Polizei sei unter anderem unwirksam, weil die Polizei sie ohne sachlichen Grund erst am Freitag bekannt gegeben habe. Es sei nicht ersichtlich, warum das nicht mindestens eine Woche vor den Gedenktagen geschehen sei. Die kurzfristige Bekanntgabe stehe dem eigentlichen Ziel im Wege, Menschen frühzeitig über erlaubte und verbotene Verhaltensweisen zu informieren. Die späte Bekanntgabe sei außerdem dazu geeignet, den grundgesetzlich garantierten Rechtsschutz gegen die Entscheidung zu erschweren. Außerdem gebe es keine ausreichende Gefahrenprognose, die einen so gravierenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit rechtfertigen würde. Vom Zeigen ukrainischer Fahnen oder dem Singen ukrainischer Lieder gehe keine Gefahr aus.

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Im vergangenen Jahr, als das Zeigen von Fahnen und Symbolen an den Mahnmalen schon einmal verboten und dieses Verbot auch gerichtlich bestätigt wurde, sei die Ausgangslage eine andere gewesen. Es habe in diesem Zeitraum in Deutschland deutlich mehr Straftaten im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gegeben als in den vergangenen Monaten.

Auch Sicherheitskreise gingen nach RND-Informationen in den vergangenen Wochen von eher überschaubaren Veranstaltungen und Demonstrationen am 8. und 9. Mai in Berlin aus und rechneten nicht mit größeren Eskalationen.

Ukrainischer Botschafter fordert Rücknahme des Verbots

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Mekeiev, hatte das Verbot ukrainischer Flaggen kritisiert und sich enttäuscht von der Hauptstadtpolizei gezeigt. Aus der ukrainischen Sicht sei die Entscheidung der Berliner Polizei sehr kurzsichtig und unbegründet, sagte Makeiev dem RND.

„Die deutsche Bevölkerung hat kein Problem mit der ukrainischen Fahne. Denn Berlin wie viele andere deutsche Städte ist bereits blau-gelb geworden, was mich als Ukrainer glücklich macht“, sagte der Diplomat. Die deutsche Bevölkerung habe hingegen ein Problem mit dem russischen Angriffskrieg und der russischen Fahne, die für die blutigen Verbrechen in der Ukraine stehe.

„Deswegen rufe ich die Berliner Polizei auf, die Entscheidung zu revidieren und gemeinsam nach der Lösung zu suchen“, sagte Makeiev. Die Botschaft sei dazu in engem Kontakt mit dem Berliner Senat, so der Botschafter. Ihm sei außerdem vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner versichert worden, dass die Polizei genau überprüfen werde, dass keine pro-russische Kriegssymbolik in Berlin zu sehen sein wird.

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Göring-Eckardt und Roth kritisieren Verbot

Der Verein Vitsche und die Allianz Ukrainischer Organisationen hatten sich ob des Flaggenverbots entsetzt gezeigt – durch die Allgemeinverfügung werde die ukrainische Flagge mit russischen Kriegssymbolen gleichgesetzt. Dasselbe hatte die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) kritisiert. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Michael Roth (SPD), hatte sich der Kritik am Verbot angeschlossen. Auf Twitter hatte er geschrieben: „Opfer sollten niemals mit den Tätern gleichgestellt werden.“

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Mitglieder und Unterstützer der Motorradgang "Nachtwölfe" fahren vor dem Brandenburger Tor einem Besuch an dem Sowjetischen Ehrenmal am Tiergarten anlässlich des 74. Jahrestages des Sieges Russlands im Zweiten Weltkrieg. Russland feiert das Kriegsende am 9. Mai und damit einen Tag später als der Westen, weil 1945 die deutsche Kapitulation vor den Sowjettruppen in der Nacht vom 8. zum 9. Mai zu einer Zeit erfolgte, als in Moskau Mitternacht vorbei war.

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Was die Berliner Polizei verboten hat

Laut der Allgemeinverfügung der Berliner Polizei wären unter anderem folgende Tätigkeiten und Gegenstände im Umfeld der sowjetischen Ehrenmale im Treptower Park, im Tiergarten und in der Schönholzer Heide verboten:

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  • russische oder ukrainische Fahnen und Flaggen
  • Fahnen und Flaggen mit dem Wappen der Sowjetunion
  • belarussische und tschetschenische Fahnen und Flaggen
  • Bilder, die Wolodymyr Selenskyj oder Wladimir Putin zeigen
  • Darstellungen des ukrainischen Staatsgebiets ohne den Donbass
  • Flaggen der Separatistengebiete und der von Russland besetzten und kontrollierten Gebiete in der Ukraine
  • Georgsbänder
  • Z- oder V-Symbole
  • Uniformen und Uniformteile
  • das Abspielen von Marsch- und Militärliedern
  • das Billigen oder Glorifizieren des Kriegs in der Ukraine

Ausnahmen von einem Teil der Flaggen- und Symbolverbote gelten dann, wenn diese an Gedenkkränzen angebracht sind, die an den Mahnmalen niedergelegt werden. Von den Verboten ausgenommen sind außerdem Veteranen der Zweiten Weltkriegs, Diplomatinnen und Diplomaten sowie Vertreter und Delegationen „von Staaten, die stellvertretend für die unmittelbar an der Befreiung Deutschlands beteiligten Staaten an den Gedenkveranstaltungen teilnehmen werden“.

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